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Frog Blog

30.11.05, 13:34 Uhr

Vom Problem, unterzukommen

Montag war ich wieder bei einer Party in Torcy. Diesmal Themenabend Österreich. Nachdem ich in der Bielefelder Unimensa von der Österreichwoche so ein Trauma davongetragen habe, konnte meine Meinung von der Österreichischen Küche ja nur besser werden. Es gab Nudelsalate, Schnitzel und Kaiserschmarrn. Und in der Tat alles sehr lecker. Vor allem Kaiserschmarrn hatte ich, man soll es nicht glauben, noch nie probiert. War aber echt gut. Nur hinkommen war schwer, es gibt hier ja überall diese Paranoia-im-Endstadium-Türschlösser. Da mehr als woanders, weil es nichtmal einen Zahlencode gibt, den man willkommenen Gästen verraten kann, sondern nur so einen Chipleser. Die kriegen übrigens auch seit zwei Wochen oder so keine Post mehr, weil der Postbote keinen entsprechenden Chip hat. Na jedenfalls kam ich dann da irgendwann spät am Abend angedackelt und konnte nicht klingeln nichts. Caro hat meine SMS nicht gehört, blieb als letzte Hoffnung noch Florian. Der kam dann zum Glück auch runter, um mir aufzumachen. Ich glaube, ich muss mal mehr Nummern sammeln. Ist sonst so hoch gepokert irgendwie. Apropos. Nachdem es die letzten Male so problemlos war, irgendwo einen Ort zu finden, an dem ich unterkommen konnte, ja sogar zum Teil ein Überangebot da war, habe ich mir diesmal keinen Kopf gemacht und dachte: "Das wird sich schon regeln. Frag ich einfach zur Not genug Leute." Tja, denkste. Als am Ende nicht mehr viele Leute da waren und ich immer noch keine rechte Zusage hatte, hat sich dann ein Ungar mir einen Schlafplatz angeboten. Es wären zwar sein Bruder und dessen Freundin da und eine Matratze hätte er auch nicht, aber wenn es mir nichts ausmachte... Wie sollte es, Hauptsache nicht irgendwo auf dem Flur zusammenrollen.

Naja, es wäre übertrieben, zu behaupten, es wäre komfortabel gewesen. Aber so ein bisschen urbanes Survival passte irgendwie ganz gut zum Erasmus-Flair. Ich hatte sogar gleich zwei Teppiche zum Unterlegen. Und sogar so ein Art Decke, da kann man doch nun wirklich nichts sagen. Und es war sogar so eine Art Bed & Breakfast (nur halt ohne das Bed), weil mir am nächsten Morgen sogar noch ein richtiges Frühstück angeboten wurde. Ich hab mich dann aber mit einer Tasse Tee beschieden.

Heute bin ich dann zum IRCAM gegangen. Einem Institut für Forschung im Bereich Musik und Klänge. Thomas hatte mir davon erzählt. Es ist ganz toll direkt neben dem Centre Pompidou gelegen. Na jedenfalls klang das alles unheimlich spannend und aufregend und deswegen wollte ich da mal vorbeischauen, um eventuell so eine Art Hiwi-Stelle zu erbetteln. Auch wenn ich jetzt gelesen habe, dass es sowas in Frankreich gar nicht gibt. Naja, irgendwie muss man da doch unterkommen können, dachte ich mir und wenn nicht, dann willst du es wenigstens versucht haben. Thomas hat jemanden vom IRCAM vor einiger Zeit auf einem Gestenworkshop (die meisten Nichtinformatiker werden sicher so langsam unverständig oder fassunglos den Kopf schütteln... was es nicht alles gibt) kennengelernt und so hab ich mir dessen Namen geben lassen und bin heute da hingegangen. Direkt hinter der Tür saß schon einer, der aber schon komisch geguckt hat, als ich ihn nur gegrüßt habe, deswegen dachte ich mir, dass der bestimmt nicht zum gefragt Werden da ist. Um die Ecke war dann auch so eine Art Rezeption. Ich geh da also hin und sach: "Guten Tag, ich wollte zu Herrn Bevilacqua." "Haben Sie einen Termin?" "Nein, ich..." *zack* Greift der gleich zum Hörer und hat schon eine Nummer eingetippt. Ich schnell: "Neehe, halt, der kennt mich ja noch gar nicht." Er guckt irritiert und meint dann: "Na dann sprechen Sie am besten mit ihm selbst." Ich versuche noch schlimmeres abzuwenden: "Kann ich nicht einfach zu ihm hin und ihn selbst..." "Nein! So funktioniert das hier nicht!" "*schluck* Ok." Mannometer, was für ein Ton, ich frach doch nur. "Herr Bevilacqua, ich reich Ihnen mal jemanden rüber." Drückt er mir also den Hörer in die Hand. Boh, wie ich sowas hasse, so unvorbereitet und in einer komischen Sprache. Hatte aber zum Glück keine Zeit um in Panik auszubrechen. Hab ihm also kurz erklärt wer ich bin und dass ich ihn gerne sehen möchte. Das hat sogar halbwegs gut funktioniert. Er meinte dann, dass er grade in einer Besprechung wäre und ob ich morgen auch noch da wäre. "Äh, wie jetzt?" "Ja, bleiben Sie nur... achsonee, Sie haben ja gesagt, dass Sie Erasmusstudent sind, was ist dann mit nächster Woche?" Habe also jetzt nächste Woche Mittwoch einen Termin mit ihm, dann lässt mich der nette Mensch am Schalter sogar rein ;) Beim Gehen war er sogar tatsächlich nett! Keine Ahnung, was der an Leuten gewohnt ist, dass er so misstrauisch ist.

Oh und eben habe ich meinen Stundenplan aus Orsay gekriegt. Mal gleich schaun, was ich da so tolles machen kann :)

28.11.05, 17:09 Uhr

Ein Tag an der Uni

Hmm, hab ich diese Überschrift schonmal verwendet? Oder ist sie nur so einfallslos, dass es mir so vorkommt als ob. Egal, jedenfalls war heute meine letzte Vorlesung Prévision (Prognose auf Deutsch). Übrigens hatte ich ja irgendwie schon immer den Eindruck, dass sich das verschultere System hier auch auf die Leute niederschlägt. Heute durfte ich sogar einen echten Streich miterleben! Hat mich zwar an der Uni etwas irritiert, irgendwie grinsen musste ich aber doch. Dabei war's eine Abwandlung eines alten Klassikers. Irgendwer hatte FHM-Poster (sprich welche von Frauen mit wenig Klamotten an) im Raum verteilt: An der Wand, an der Tafel und eins sogar aufgerollt in der Leinwand des Tageslichtprojektors :) Der Prof war nicht so amused und hat die runtergerissen oder runterreißen lassen. Eins ist ihm aber entgangen und ich hab's auch erst zur Mitte der Stunde irgendwann gesehen: Unter der Decke festgeklebt!

Ansonsten hat diese Stunde (im weiteren Sinne, es sind vier am Stück) mir das Wort mit den meisten "é"s gebracht, das ich bisher kenne: "Hétérogénéité" Fantastisch, oder? ;)

Als wir dann grade mit dem Essen fertig waren, heulte in der Mensa eine furchtbar laute Sirene auf. Gefolgt von einem tollen Geräusch, das eine Mischung aus Raunen und kollektivem Stöhnen war. Die Mensa war grad brechend voll, Hauptessenszeit und offenbar waren viele grade erst völlig ausgehungert angekommen und drückten jetzt aus: "Nee, oder? Das is jetz nich euer Ernst, dass wir hier alle aus dem Gebäude dackeln müssen!"

Dementsprechend gingen zwar auch die meisten raus, brachten aber erst noch ihr Tablett weg (was ziemlich lange dauerte, weil das ja schließlich alle gleichzeitig machen wollten) und von Panik konnte man auch nicht wirklich sprechen. Alle spazierten ganz gemütlich aus dem Gebäude. Dort wurde man dann auch prompt von einer Lautsprecherdurchsage empfangen, dass alles nur ein Fehlalarm war. Also alles wieder zurück. Michael hatte in dem Getümmel die Gelegenheit, den Löffel mitgehen zu lassen, der noch in seinem Pudding steckte, den er mit rausgenommen hat. Aber eine zu ehrliche Haut das, zumal diese Löffel ziemliche Billigware sind. Uri Geller leichtgemacht.

27.11.05, 23:57 Uhr

Le Pianiste

Der Pianist hier im Fernsehen gesehen, zusammen mit meiner Oma und ihrer Schwester. Eine Dimension, die ich verpasst hätte, hätte ich den Film in Deutschland gesehen, war es mitzuerleben, wie die eigene Sprache mit der dargestellten unsäglichen Barbarei verwoben wird. Und nicht wie in anderen Filmen ein paar Worte in gebrochenem Deutsch: "Raus! Achtung! Halt!" Nein, viel Deutsch, gesprochen von Deutschen. Das ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl von Hässlichkeit. Auch schwer zu beschreiben ist das Gefühl als einziger Deutscher zwischen zwei Franzosen zu sitzen, während man diesen Film guckt. Auch wenn beide wohl im Traum nicht auf die Idee gekommen wären, mich auch nur schief anzugucken, man kommt doch nicht umhin, sich unwohl zu fühlen.

Wenn man in diesem (sehr guten) Film sieht – und erlebt – wie unzählige Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gerissen werden, nicht wahrhaben können, was passiert und wie schnell es passiert, versuchen, ihr selbstverständliches Maß an Zivilisation, repräsentiert durch Dinge wie feine Umgangsformen, schöne Kleidung und einfach ein freiheitliches Selbstverständnis, und zuletzt nur noch ihre Würde zu wahren, als dem Untergang geweihte Inseln inmitten einer Barbarei, die um sie herum immer bizarrere Formen annimmt. Menschen, die sich noch über einen unangebrachten Umgangston empören, während sogar ihr Leben schon so wenig wert ist, dass es Opfer der Launen der deutschen Soldaten werden kann. Deutsche, die in die Wohnung einer Familie beim Essen eindringen und den Großvater im Rollstuhl aus dem Fenster schmeißen, weil er ihrem Befehl, aufzustehen, nicht nachkommt. Und dann immer im Ohr, wie Deutschland heute ist: "Es wird schon zu viel über das Dritte Reich geredet, ich zumindest kann es nicht mehr hören.", "Aber die anderen haben auch schlimme Dinge getan." und mein Favorite, in allen Lebenslagen immer wieder gerne geäußert von Alt und Jung und am liebsten bei tödlich Verunglückten: "Na dann hat er das aber auch nicht anders verdient." Ihr könnt es also nicht mehr hören, hm? Genug gelernt über das Dritte Reich, ja? Es muss auch mal gut sein, ist es das? Danke, keine weiteren Fragen.

Update: Ich habe das Foto von Willy Brandt auf Jans Anraten hin in diesen Link verlagert. Weil das Foto eh schon zu präsent ist und der Zusammenhang zum Text nicht direkt erkennbar ist.

26.11.05, 14:41 Uhr

Endlich Schnee!

Juhu! Nachdem andere Teile Europas schon seit Tagen Schnee hatten und selbst Teile Frankreichs gestern schon im Schneechaos versanken, haben wir hier heute auch endlich eigenen Schnee und nicht länger nur importierten. Leider habe ich auch trotz Schnees nicht so eine schöne Märchenlandschaft wie Dani vor der Tür.
Aber trotzdem, ich liebe Schnee! Nur in Paris soll Schnee leider eine – Zitat meine Oma – "Scheiße" – Zitat Ende – sein. Meine Tante meinte zu dem Thema ergänzend, dass Schnee in Paris leider vollkommene – Zitat – "Scheiße" – Zitat Ende – wäre. Und in der Tat ist er auch schon wieder geschmolzen. Und selbst wenn er das von den Temperaturen her nicht tut, dann würde er durch Autos und Salz trotzdem Matsche. Aber naja, eigentlich ist das in Bielefeld ja nicht viel anders. Außer man geht in den Teuto oder so. Blöd ist nur, dass die in Paris meiner Oma zufolge bei Schnee meist gleich die Parks schließen. Das wär ja echt ma unvorteilhaft. Naja, ich halt euch auf dem Laufenden, erstmal muss der Schnee etwas länger liegen bleiben!

PS: Ich hätte neulich "Schnee" übrigens fast schon "Schnée" geschrieben. Doppel-e am Ende und so. Das sind die ersten Zeichen des Verfalls der für meine Muttersprache zuständigen Strukuren meines Großhirns. Ihr dürft gespannt sein, wie lange ich dieses Blog noch zu schreiben in der Lage sein werde und ob ich mich nach meiner Rückkehr nach Deutschland nur noch mit Händen und Füßen verständlich machen kann oder mir grundlegende Vokabeln ("Essen, Essen. Brauchen Essen. Bedrohung Tod. Brauchen Essen.") doch noch einfallen, wenn es drauf ankommt.

Onkel und Großtante

Heute habe ich endlich meinen Onkel Stephane mal wieder gesehen. Er wollte, dass ich ihm ein bisschen zeige, was er mit seinem 14"-iBook so anstellen kann (ich hab nur 12"!). Und ein bisschen ins Internet wollte er bei mir auch. Musste aber leider feststellen, dass er ausgerechnet bei der WLAN-Karte gespart hat. Das war dann natürlich ein bisschen blöd. Naja, hab mich dann ausgestöpselt, damit er auch mal durfte. War auf jeden Fall schön, wieder mal ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen und er war auch ganz gut drauf an dem Tag. Nicht so viele Belehrungen wie beim ersten Mal ;)

Später kam dann noch die Schwester meiner Oma, die an sich in Brüssel wohnt. Sie bleibt bis Montag. Ich hatte sie vorher noch nie getroffen, sie ist aber ganz nett. Deutlich ruhiger als meine Oma. Und die beiden verstehen sich echt gut, das macht Spaß, da zuzugucken. Außerdem kann man zu dritt viel besser reden als zu zweit, was für mein Französisch natürlich gut ist.

Kleiner Nachtrag Orsay

Eine amüsante Geschichte habe ich noch vergessen zu erzählen, die ich gestern in Orsay erlebt habe, als ich grade auf Herrn Voisin gewartet habe. Ich sitz da also auf so bequemen Polsterstühlen, ähnlich wie ich die immer in Marne-la-Vallée benutzt habe, nur mit besser geheizter Luft drumrum und direkt neben mir sind ein Schokoriegel- und ein Kaffeeautomat. Es trudeln dann ein paar Leute ein, sich an letzterem zu bedienen. Nur einer von ihnen hatte kein Glück an dem Tag. Er will sich gemütlich einen Kaffee ziehen, vergisst aber schonmal, vorher das Getränk des Vorgängers herauszunehmen. Die ganze Suppe läuft also natürlich über und sifft voll rum – er nannte seine Keation nachher „Mokkachino”. Sein Glück war aber ja immerhin, dass die Maschine keinen weiteren Becher ausgespuckt hat. Das hätte eine richtige Sauerei gegeben. Leider blieb sie aber auch bei diesem Verhalten, als er einen zweiten Versuch wagte und schüttete das gute Gebräu diesmal einfach ins Leere. Der Arme hat auch furchtbar geflucht und getobt. Zum Glück war aber jemand dabei, der den Apparat wohl schon etwas kannte und ihn zu reparieren wusste. Einfach zwei Becher unten per Hand rausfummeln und schon tat's wieder. Der dritte Versuch glückte dann auch endlich tadellos. Bis dahin hatte er aber wahrscheinlich schon beträchtliche Mengen seines Kleingeldvorrats aufgebraucht.

Der Pechvogel meinte im Anschluss übrigens, der Mokkachino wäre ganz ausgesprochen deliziös und er überlege, das jetzt immer so zu machen ;)

24.11.05, 11:17 Uhr

Ich gehe nach Orsay! Ich gehe nach Orsay!

Und schon wieder sehe ich mich gezwungen, etwas vorwegzuschicken: Wieder ein langer Artikel. Ihn aufzuteilen bot sich nicht an. Eigentlich wollte ich Zwischenüberschriften benutzen. Fand ich dann aber auch nicht so dolle. Und nicht nötig, denn es gibt viele Bilder. Wer nicht alles auf einmal lesen will, kann die gut als Landmarken benutzen und das nächste Mal dort dann weiterlesen. Wenn ihr anderer Meinung seid, haut mich per Mail oder in Kommentaren und ich reiße das nächste Mal den Artikel doch auseinander.

Der Eingang zum Campusgelände von Paris XIIch glaube, ich habe es hier bisher nur angedeutet, aber meine jetzige Uni war ja gar nicht meine erste Wahl, was Universitäten in Paris (oder fast-Paris) angeht. Viel lieber wollte ich nach Paris XI in Orsay. Leider wurde ich nicht angenommen :( Dabei war der nette Prof, mit dem ich damals viel gemailt habe, sich so sicher, dass das was würde. Naja, jedenfalls hab ich mich dann mit Marne-la-Vallée "abgefunden". Gestern aber war ich in Orsay, zum einen, um dem Prof, Voisin ist sein Name (Vorsicht mit dem Foto, in Wirklichkeit sieht er schon noch etwas anders aus), mit einem Strauß Blumen dankeschön zu sagen, zum anderen, um ihn zu fragen, ob es möglich ist, doch irgendwelche Vorlesungen zu hören, als Gasthörer. Da ich ja nur aus Interesse Vorlesungen hier höre, muss ich ja nicht offiziell eingeschrieben sein. Gestern war er nicht da, seine Sekretärin hat ihn mir aber am Telefon gegeben und ich habe einen Termin für heute um zwei gemacht. Die Blumen habe ich dalassen können. Heute bin ich dann da hin und er war auch wieder supernett, wie ich das gewohnt war. Hat sich erstmal sehr enttäuscht und verständnislos gezeigt, dass ich nicht genommen wurde und meinte dann, dass das mit dem Gasthören überhaupt kein Problem wäre. Im Dezember würden ganz viele neue Vorlesungen anfangen (die haben mehr oder weniger Trimester da) und da könnte ich ja einfach hingehen. Er hat mich dann noch zur zuständigen Sekretärin geschleppt, damit die das auch weiß, mir Stundenpläne zukommen lassen kann und mich auch sonst gut informieren kann, damit ich die Räume auch finde. Auch sie war sehr nett. Und ich kriege jetzt demnächst eine Mail mit einem Stundenplan, aus dem ich mir dann Vorlesungen rauspicken kann, die mir gefallen. Sehr geil, dann studiere ich schon ab nächstem Monat doch noch in Orsay! Musste mich ziemlich zusammennehmen, nicht zu hüpfen auf dem Weg zurück zum RER :) Und das ganze auch dann auch noch hochoffiziös abgesegnet, das ist doch was! Ich sollte mich nur nicht so sehr in einen der Profs da verlieben, dass ich da eine Prüfung machen will, sonst kriegt Jens sicher nen Nervenzusammenbruch ;)

Das noch schönste Gebäude der Uni von Marne-la-ValléeOh und was heute noch passiert ist, ist, dass ich eine Mail von Vincent (ich hab bisher die Warnung vergessen: Dieser Name wird französisch ausgesprochen und enthält damit zwei Nasale!) gekriegt habe, dass ich jetzt einen Tandempartner habe! Yeah, ich hab nur keine Ahnung, wer es ist. Habe nur eine E-Mail-Adresse. Es steht aber in der Mail, dass man bei allzu großer Inkompatabilität bescheid sagen soll, dann sehen die mal zu, was sie machen können. Werde jedenfalls denn mal eine Mail verfassen, bin ja wirklich gespannt :)

Ich habe mir übrigens mal erlaubt, vergleichende Fotos von Paris XI und Marne-la-Vallée zu machen. Beides sind natürlich ziemlich große Campus, sodass man auf mit einem Foto keinen Überblick gewinnen kann. Aber bei Paris-sud hab ich einfach mal den Eingang zum Campus genommen mit zwei schönen alten Gebäuden, von denen man auf dem Bild nur eins sieht (Steve kann ja mal sagen, ob die neoklassizistisch oder eher praesokratisch sind oder so, ich hab da leider gar keine Ahnung von :). Bei MLV habe ich das Gebäude genommen, das ich noch am schönsten finde von allen. Leider habe ich da nicht eine Veranstaltung drin. Es bleibt aber anzumerken, dass der Campus von Orsay auch ziemlich neu ist und die eigentlichen Unigebäude zu großen Teilen auch keine besonderen Schönheiten sind. Aber der Park ist klasse. Was man auf dem Foto sieht, ist tatsächlich eine Brücke über einen Bach. Bestimmt komme ich demnächst mal dazu, eine etwas längere Fotoreportage über die beiden Unis zu machen.

Wüste Landschaft aus Teig und Äpfeln... mein Kuchen!Zurück zu den Ereignissen der Woche. Und zur Abwechslung könnte ich die Sachen, die passiert sind, ja mal chronologisch erzählen. Es fängt also an bei dem Kuchen, den ich für Dani backen wollte und zu dem Leidwesen des armen Geschöpfes (des Kuchens, nicht Danis) auch gebacken habe. Siehe nebenstehende Abbildung. Eigentlich sollte das eine geschlossene Teigrolle sein. Hat auch die letzten beiden Male, dass ich den gemacht habe, bestens geklappt. Das erste Mal war für's Semesterendecafé, das andere Mal im Rahmen der BPE. Aber wenn's mal wirklich drauf ankommt, verhunz ich es natürlich. Naja, geschmeckt hat er zum Glück trotzdem gut. Vor allem nicht nur mir, sondern auch Dani und das war ja die Intention dahinter. Sogar meine Oma mochte ihn.

Die allerdings konnte erst sehr spät davon kosten, weil sie auch das ganze Wochenende noch in Kairon blieb. Hatten also sturmfrei ;D

Dani und meine Oma haben sich aber sogar noch ganz kurz gesehen. Sonntag Abend wollten wir eigentlich grade zum Flughafen aufbrechen, aber Dani meinte: "Nee, zwei Minuten hammwa noch." Und in just diesen beiden Minuten kam meine Oma zur Tür rein. Zufälle gibt's.

Vorher (jaja, Chronologie und so... ich kann's einfach nicht) waren wir an diesem Wochenende denn auch mal im Kino. Elizabethtown sollte es sein. Leider war der Film zum einen phasenweise schwer zu verstehen, zum anderen hatte er auch einfach Phasen, die irgendwie nicht so pralle waren. Dafür waren andere sehr gut. Insgesamt reicht es glaube ich, diesen Film im Fernsehen mal gesehen zu haben.

Harry Potter kann man hier leider jedoch erst ab dem 30. gucken. Andere Filme kommen dafür früher raus. Weiß nicht, wieso. Vielleicht weil die Synchronisationen einfach eine bestimmte Zeit brauchen und das hängt von komischen Faktoren und dem Zufall ab. Und da man blöderweise Filme auch im Original nicht gucken kann, bevor sie nicht synchronisiert wurden...

Was mir übrigens aufgefallen ist: Sowohl in "Elizabethtown" als auch im letzten Film davor, den ich gesehen habe, "Broken Flowers", spielen selbstgemachte, verschenkte Mixtapes eine zentrale Rolle. Und das aus Hollywood. Ich dachte, das wäre eine einzige Ausgeburt der sogenannten Content-Industrie. Ich war sehr erstaunt. Denn wenn es zumindest nach der RIAA ginge, wäre die Anfertigung solcher CDs überhaupt nicht mehr möglich. Und ist das nach amerikanischem Recht legal? Selbst in Deutschland frage ich mich, wie lange man seinen Freunden noch gute Musik von sich überspielen darf. In der Politik reden viel zu viele nur der Musikindustrie nach dem Mund. Und selbst wenn man es in Zukunft noch darf, wenn man es nicht mehr kann, weil sich Standards wie Blu-Ray durchsetzen, wem hilft es dann etwas? Und wenn hier dann auch das Umgehen eines Kopierschutzes allein schon illegal ist, obwohl man es zu legalen Zwecken macht, wie um sein Recht auf Privatkopie wahrzunehmen oder ein Betriebssystem einzusetzen, das nicht Microsoft Windows heißt... Schon DVDs kann ich eigentlich nicht leiden und habe sie lange genug boykottiert, aber was da noch auf uns zukommt! Und man sieht ja, Boykotte helfen einen Scheiß :/ Weil die meisten sich einfach keinen Kopf machen. Wenn ich jetzt Pessimist wäre, würde ich schonmal das posthistorische Zeitalter einläuten, wo unsere Kultur unlesbar und verschlüsselt auf ihren kurzlebigen Datenträgern verrottet.

Aber ich glaube ich bin schon wieder abgeschwiffen. Ich war noch beim Wochenende. Wir waren auch spazieren, am Kanal Saint Martin. War deutlich kälter als als ich da war. Und wir haben gesehen, wie interessant dieses Viertel zu sein scheint. Das zehnte Arrondissement ist nicht grade als sehr edles Viertel bekannt und das sieht man auch. An den vielen Clochards, den vielen hässlichen neuen Gebäuden (und den in der Métro neulich neben mir aufgegriffenen Schwarzfahrern, auch aus dem Zehnten). Aber es gibt auch viele Leute, die sehr interessant wirken. Künstler, Alternative. Eine junge Frau hat der Kälte getrotzt und saß mit ihrem Malblock ohne Handschuhe draußen in einem Café, das übrigens Teil von Wohnhäusern ist, die sich unter einer Straße am Quai befinden. Sieht total irre aus. Es gibt auch viele umgebaute Fabrikgebäude. Und vor allem den Geschäften sieht man es an. Woran liegt es, dass solche eher herunter gekommenen Viertel, so viele interessante Leute anzieht? Das scheint ja nicht nur in Paris so zu sein.

Drei Marimbaphonspieler auf dem Parkplatz vor meinem FensterSonntag haben wir dann nicht mehr so wirklich viel unternommen. Aber dafür hat die Kirche um die Ecke uns denn netterweise ein Konzert direkt vor dem Fenster beschert. Drei Leute haben Marimbaphon gespielt und eine kleine Prozession ist tanzend vor ihnen hergezogen. Klasse :) Das macht mich zwar sicher nicht gläubig, aber so ist mir Religion immerhin sympathischer als so.

Eigentlich wollten wir auch noch auf einen Weihnachtsmarkt gegangen sein, aber es hatte noch keiner auf. Scheint in Paris eh ein recht neues Phänomen zu sein. Aber es gibt wohl inzwischen ein paar gute und vor allem interessante. Woher ich das weiß? Wozu Leo nicht alles nützlich sein kann!

17.11.05, 12:06 Uhr

ENDLICH!

Endlich! ENDLICH! Das hier ist der erste Artikel, den ich nicht nur zuhause schreibe, sondern auch zuhause losschicke. Heute ist nämlich endlich mein Internetanschluss gekommen. Und das ausgerechnet heute, wo Dani wieder kommt. Da hab ich ja erst richtig was davon, wenn ich wieder alleine bin. Anstatt mir über die lange, einsame Zeit davor zu helfen... aber naja, Hauptsache es ist jetzt endlich da. Also, die nächsten Tage werdet ihr nicht so viel von mir hören, da bin ich anderweitig beschäftigt... :) Aber dann wieder und dann auch regelmäßiger! So, jetzt muss ich los, noch ein paar Kleinigkeiten kaufen für den Kuchen, den ich dann mache.

16.11.05, 12:51 Uhr

Stuhl!

Roter Stuhl und Schreibtisch von obenJuhu! Mein Stuhl ist angekommen! Ging nach meinem Empfinden sehr zügig... kein Vergleich mit dem Internetanschluss. Das Zusammenbasteln hat ne knappe Stunde in Anspruch genommen. Das Hochschleppen des Riiiiiesenkartons in die vierte Etage nicht mitgerechnet. Zum ausgiebigen Probesitzen war noch keine Zeit, aber es fühlte sich schonmal ziemlich irre an mit dieser beweglichen Sitzfläche. Besser als kippeln! Jetzt muss sich zeigen, ob man darauf länger sitzen kann, ohne dass es sich blöd anfühlt. Und ein Foto folgt auch in Kürze.

Unverstanden

Während Vincent neulich noch gesagt hat, dass er meine Aussprache mag, ist mein Akzent heute offiziell durchgefallen: Ich habe grade versucht, Tele2 wegen meines Internetanschlusses zu nerven, bin aber schon an der Vermittlungsmaschine gescheitert, die mich nicht verstanden hat. *heul* Muss ich halt warten, bis meine Oma wieder da ist.

Die hat mir übrigens einen Kurzbesuch abgestattet. Montag Abend angekommen, Dienstag Nachmittag wieder hochgefahren. Hatte wohl einer Bekannten versprochen, sie zu einem Gerichtstermin wegen ihrer Scheidung zu fahren. Ob die Bekannte nicht auch jemand anderes gewusst hätte? Naja, so ist meine Oma eben. Haben dann Montag noch etwas nett gequatscht. Und sie hat mir bestätigt, dass die erste Seite von Maigret voll ist mit komischen alten Wörtern, die ich nicht kennen muss. Hmm, wenn ich den durch habe, schalte ich wohl mal nen Gang runter. Angelika empfahl mir, mit Kinderbüchern anzufangen. Ich weiß nur nicht, was tolle französische Kinderbücher sind, die man im Original gelesen haben sollte. Da hat's Felix in Schweden leichter :)

15.11.05, 18:52 Uhr

<blink>Weihnachten</blink>

Es ist soweit! Vor meinem Fenster hat soeben der erste seine Weihnachtsdeko ausprobiert. Eine blinkende Lichterkette vor einem Hintergrund von anderen bunten Lichtern. Falls die sich hier im Haus gegenüber ein amerikareifes sich-gegenseitig-Ausstechen liefern, bin ich geliefert. Aber bisher war's nur einer. Und der hat auch noch just in dem Moment seinen Test beendet, als ich ein Foto machen wollte! Naja, der wird's noch häufiger an haben als mir lieb ist, denk ich.

Literaturkritik

Wie schon lange angekündigt, schreibe ich nun endlich meine Meinung zu den Büchern, die ich bisher gelesen habe. Für wie qualifiziert ihr die erachtet, ist natürlich eure Sache :)

First but nonetheless least: Jacques-Michel Robert, "Nervenkitzel: Den grauen Zellen auf der Spur" ("L'aventure des Neurones" im Original). Was eigentlich etwas populärwissenschaftliche Literatur zum Entspannen werden sollte, hat sich als einziger narrativer Coitus interruptus herausgestellt. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand so viele interessante Geschichten angerissen und dann in all seiner sadistischen Dreistigkeit einfach nicht aufgelöst hat. Man hat sich im Schnitt alle zwei Seiten fragen müssen: "Ja und was verdammicht noch eins is' jetz' damit?" Er erzählt interessante Beobachtungen zum Teil über drei Seiten und anstatt dann anzufangen, diese Beobachtungen zu analysieren, Erklärungsversuche zu geben, sie halt zu interpretieren, wie Wissenschaftler das eben tun... geht er einfach zum nächsten Thema über. Lässt einen einfach im Regen stehen mit seinem Interesse. Ohne mit der Wimper zu zucken. Man fühlt sich wie ins Gesicht geschlagen. "Das kann jetz nich' sein! Das is' nich' dein Ernst, oder? Mach das ja nicht nochmal!" sagt man sich. Aber er macht es nochmal. Und nochmal. Und immer wieder, in einem fort. Dazu kommt, dass mir diese Flachpfeife von einem Autor ziemlich bald auch noch darüber hinaus unsympathisch wurde. Er hört sich unheimlich gerne reden, gewinnt man den Eindruck, von Gott und der Welt und als er hin und wieder denn mal ein Thema erwischte, von dem ich zufällig auch etwas Ahnung hatte, musste ich leider feststellen, dass sein Reden nicht immer ganz fundiert war (geschweige denn vollständig... ich sagte es schon). Ich muss denn auch gestehen, dass meine Kritik in sofern nicht ganz ausgegoren sein kann, als ich es nicht ausgehalten habe, dieses Buch bis zum Ende zu lesen. Ich hatte es fast geschafft, aber dann wurde das Gefühl zu stark, dass ich meine Zeit verschwende und nicht lesen muss, nur um mich aufzuregen. Also glaubt mir einfach trotzdem, wenn ich euch rate: Lest es nicht, dieses Buch! Lasst die Finger davon! Wenn ihr unbedingt ein Beispiel braucht, wie man es nicht machen sollte oder ihr euch mal kurz schütteln wollt oder ihr einfach grade eine masochistische Phase habt, leihe ich es euch gerne aus. Aber lest nicht mehr als ein paar Seiten, wenn man diese Erfahrung einmal gemacht hat (Und man *macht* sich kein Bild, bevor man es nicht erlebt hat!), reicht das völlig, man muss es nicht hundertfach haben.

Schon gelesener Bücherstapel -- passt grade so in meine HandDas nächste Buch war in meinem ganz frischen Bücherregal direkt daneben einsortiert, aber es konnte ja sowieso nur besser werden und da das Cover auch viel ansprechender war, war ich auch guter Dinge, dass es ganz hübsch werden würde. Das Buch war übrigens "Die Naturgeschichte des Ich" von Nicholas Humphrey ("A History of the Mind. Evolution and Birth of the Consciousness" im Original) und ihr erkennt es vielleicht von dem Artikel neulich (mehr oder weniger, der Entwurf dieses Artikels liegt schon etwas länger auf meiner Platte) über die E-Mail, die mir der Autor geschickt hat. Dementsprechend ahnt ihr es dann auch: Das Buch war an sich sehr gut. Humphrey war überzeugt, das Geist-Körper-Problem gelöst zu haben. Nicht gerade tief gestapelt das und dementsprechend habe ich dann auch nicht erwartet, dieses Versprechen wirklich eingelöst zu bekommen. Aber man muss sagen, seine Theorie ist sehr interessant und dementsprechend war es mir dann auch diese Mail wert, wo ich meinen Hauptkritikpunkt formuliert habe. Ich bin schon sehr gespannt, ob in seinem neuen Buch wirklich diese Bedenken ausgeräumt werden können (in dem Ausschnitt, den er mir geschickt hat, jedenfalls noch nicht) und ich habe weiterhin ernsthafte Zweifel. Aber interessant, diese Idee weiter zu verfolgen, finde ich es allemal. Aus einer Bemerkung in etwas Metaliteratur zum Thema "Bewusstsein" habe ich neulich dann zwar gelesen, dass es wohl jede Menge Theorien gibt und da ich so viele nicht kenne, weiß ich nicht, ob auch noch andere dabei sind, bei denen man das Gefühl hat, dass sie in die richtige Richtung weisen könnten. Ich würde dieses Buch deswegen auch nicht als absolutes Muss darstellen, eben weil noch so viel offen ist, aber interessant zu lesen ist es allemal und ich bin gespannt, wie die weitere Diskussion mit dem Autor verläuft. Ich habe ihm jetzt nämlich gesagt, dass mir das alles zu philosophisch ist. Wenn er konkrete Vorhersagen machen würde, hätte man eine Theorie, die man verifizieren oder falsifizieren könnte. Vielleicht kann ich die Konversation ja mal veröffentlichen, wenn sie abgeschlossen ist (und er nichts dagegen hat natürlich). Und wenn sie nicht jetzt schon vorzeitig abgeschlossen ist, weil ich Herrn Humphrey vergrault habe. Er hat sich nämlich seit meiner letzten Mail nicht mehr gemeldet.

Danach habe ich den Bereich der populärwissenschaftlichen Literatur verlassen und mich der fiktivwissenschaftlichen Literatur zugewandt. Mit anderen Worten: Science Fiction. Zuerst habe ich etwas beendet, was ich noch in Deutschland angefangen hatte, und zwar hatte ich mir dort von Steve die Foundation-Trilogie von Isaac Asimov ausgeliehen, zusammen mit dem Nachfolgeband "Foundation's Edge". Hier habe ich mir dann den Abschlussband "Foundation and Earth" zugelegt. Man muss nicht viel dazu sagen, Asimov ist einfach ein Genie. Und "to outbluff" ist das Schlagwort dieser Reihe. Ich fand diesen letzten Band nicht ganz so ehrfurchtserweckend wie die Vorgänger, aber auf dem Niveau macht das nicht viel.

Ich habe mich dann im Rahmen der Science Fiction weiter spezialisiert auf einen Bereich, von dem ich jetzt auch weiß, wie er heißt: Dystopien. Im Gegensatz zu Utopien. 1984 hatte ich schon vor einer Weile gelesen. Muss man nicht viele Worte drüber verlieren. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte das ändern. Muss glaub ich nicht zwangsläufig auf Englisch sein, auch wenn ich nur das englische Buch kenne. Aber es scheint mir nicht so viel mit Sprache gemacht zu werden, dass es nicht eine Übersetzung auch gut überleben würde. Es ist auch nicht besonders dick, sodass es wirklich zumutbar ist. Dafür ist man dann mit großer Wahrscheinlichkeit von Anti-Terror-Paketen kuriert. Also Gesetzespakete, die den "internationalen Terrorismus" eindämmen sollen. Die größte Welle von internationalem Terrorismus sehe ich allerdings momentan im weltumspannenden Schnüren von Anti-Terror-Paketen. Naja, wie gesagt, wenn man 1984 gelesen hat, will man sich gar nicht mehr so sicher fühlen. Lieber ab und an ein Messer zwischen den Rippen als permanent Schily oder Beckstein in der Bude. Naja, mal sehen, was Schäuble jetzt veranstaltet. Außerdem sollte man ein Augenmerk auf die Funktionsweise des politischen Systems in diesem Buch legen und auf den beschriebenen Sinn von Krieg, den Einsatz von Sprache und die Informationspolitik. Und sich dann fragen, ob das völlig aus der Welt ist oder nur überzeichnende Science Fiction.

Aber eigentlich wollte ich ja nur über die Bücher schreiben, die ich hier gelesen habe und nicht meine ganze literarische Lebensgeschichte erzählen. Nur passte Orwell so gut in de Reihe. Ich hab weitergemacht mit dem zweitbekanntesten dieser Dystopie-Bücher, Aldous Huxleys Brave New World. Das ist allerdings vielleicht nicht mehr so bekannt, sodass ich kurz beschreiben will, worum es hier geht: Im Jahr 632 nach Ford gibt es die perfekte Gesellschaft. Jeder ist wunschlos glücklich. Naja, natürlich nicht jeder, denn über wunschlos glückliche Menschen lässt sich – so Huxley – keine Geschichte erzählen. Aber unglücklich sind im Grunde nur zwei Leute, bei denen irgend etwas schief gegangen sein muss. Die nicht wie die anderen ihren festen Platz in der Gesellschaft haben. Denn im 7. Jahrhundert nach Ford will dank genetischer Vorherbestimmung und pränataler und frühkindlicher Konditionierung niemand etwas anderes machen als er machen soll. Und wenn man trotz rechtem Fleck in der Gesellschaft und Geschlechtsverkehr mit wem man will nicht so richtig glücklich ist, gibt es Soma, eine Droge ohne unangenehme Nebenwirkungen. Warum das alles doch nicht so dufte ist, wie es erst klingt, beschreibt dieses Buch.

Es ist ein sehr gut geschriebenes Buch, fesselnd, interessant... und doch, für einen solchen Klassiker hat es mich an vielen Stellen enttäuscht. Huxley hat meiner Meinung nach seine damalige Welt (das Buch erschien zuerst 1932) zu platt in seine fiktive Zukunft übertragen. Durch die Industrialisierung geprägt wird jetzt der Mensch zur Massenware. So weit, so gut. Aber warum die dann zur Veranschaulichung gleich als 96-linge rumlaufen müssen... Aber das ist zwar befremdlich, aber nicht allzu schlimm. Auch die Propellorflugzeuge für jedermann und die Filmbänder zur Datenspeicherung sind verzeihlich. Nein, wirklich nervig wird es immer dann, wenn Religion ins Spiel kommt. Selbst die Pyramiden wurden gesprengt, Bücher sind seit Jahrhunderten verboten, warum, fragt ihr euch vielleicht, sollte in dieser Welt, wo Vergnügen aus der Steckdose kommt und sich keiner mehr über irgendwas Gedanken macht, außer mit wem er heute Abend ins Bett geht, Religion überhaupt noch vorkommen? Zumindest habe ich mich das gefragt. Und die Antwort nicht gefunden. Außer in der Biographie des Autors im Anhang. "deeply religious writer preoccupied with the human capacity for spiritual transcendence" liest man da. Ja, so etwas in der Art hatte ich das ganze Buch über befürchtet. Ständig wird in diese ansonsten in sich sehr geschlossene Welt die längst tote Religion wie ein Fremdkörper reingepflanscht. Jedes Mal fällt man als Leser aus allen Wolken, wo Huxley das Thema nun schon wieder herzaubert. Aber anscheinend kann er sich ein Leben ohne Religion nicht einmal vorstellen. Es wird Henry Ford verehrt statt Gott, es gibt sogar Bibelkreise 2.0 inklusive Zeremoniell und man bekreuzigt sich mit einem "T" (für das Modell von Ford). Am schlimmsten wird es dann am Ende in dem Gespräch mit dem Weltführer (einer ansonsten sehr gelungenen Person!). Zum einen, weil es eine der besten Stellen im Buch ist, sodass man tief fallen kann. Zum anderen ist hier die Religionsimplantation auch objektiv gesehen besonders schmerzhaft. Der Weltführer ist das, was man wohl als "krassen Checker" bezeichnen würde. Unheimlich belesen, voller Weisheiten, disst seinen Gesprächspartner in einer Tour. Unter anderem indem er ihm um die Ohren haut, dass man nur an Gott glaubt, weil man darauf konditioniert wird, vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Konditionierung in der schönen neuen Welt ein sehr schöner Gedanke! Gleichzeitig sagt er aber auch, dass er selbst an Gott glaubt. Ja und warum? Auch hier wieder: Keine Antwort.

Aber Religion nervt nicht als einziges. Im selben Gespräch sagt der Weltführer, dass man das als "natürlich" bezeichnet, das einem als natürlich anerzogen wurde. Wieder ein sehr schöner Gedanke. Leider hat Huxley sein Buch irgendwie nicht daraufhin probegelesen (Man muss ihm zugute halten, dass er selbst eingesteht, Fehler gemacht zu haben in dem Buch. Aber solche Fehler kratzen an der Substanz des ganzen Buches!). Ganz am Anfang regt sich einer seiner Protagonisten darüber auf, dass zwei Kollegen über eine Frau, die er mag, wie über ein Stück Fleisch reden. Woher soll er diese Idee haben, wenn er in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem es kein Konzept von sexueller Zurückhaltung gibt? Kommt da die menschliche "Natur" durch? Das würde dieser wundervollen Botschaft, dass Produkt unserer Einflüsse sind, sehr in den Rücken fallen.

Gleichberechtigung scheint der menschlichen Natur aber darüber hinaus noch zuwider zu laufen. So ist die Gesellschaft, die Huxley beschreibt, auf phantastische Weise gleichberechtigt. Es gibt ein Reservat von Hinterwäldlern, die davon aber noch nichts mitbekommen haben. Deswegen sind sie in extremem Maße sexistisch. "Naja," mag man meinen, "ist halt so bei denen. Die bezeichnen eine Frau mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern eben als Hure und hauen sie fast tot dafür, Kreiden die Männer, die ja auch irgendwie involviert waren, aber nicht einmal öffentlich an dafür." Tjo, kann man so sehen. Ist zwar wieder ein Fremdkörper im Buch diese Haltung, aber wenn dem so ist... Aber dass keiner der "zivilisierten" Menschen, der diese Geschichte hört, darüber stolpert und sich wundert, warum dieser Unterschied gemacht wird, der ihm fremd ist, das kann man dem Autor wirklich übel nehmen. Richtig überraschend ist es aber nicht, weil dieser Unterschied in der Wertung auch an anderen Stellen des Buches latent zutage tritt. Und letztendlich kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass das Verhalten der Frauen (nicht der Männer) Teil der Horrorvision sein soll, die die Gesellschaft in diesem Buch darstellt. Überhaupt soll wohl die ganze Offenheit mit der über Sex geredet wird und mit der er ausgeführt wird ebenfalls den Leser schocken. Dieser Gedanke lässt heutige Leser eher schmunzeln, sodass in diesem Sinne Huxleys grausige Vision schon zum Teil Wirklichkeit geworden ist. Ob diese Wirklichkeit aber so grausig ist, ist halt stark die Frage. Und letztendlich ist es hier wieder Huxleys Religiosität, unter der sein Buch leidet. Hätte er nicht so altertümliche christliche Wertvorstellungen, träfe "Brave New World" noch viel mehr ins Schwarze und wäre im negativen Sinne zukunftsweisender.

Was auch etwas platt geraten ist, ist die Gegenüberstellung von Kunst und der schönen neuen Welt. Von "Kultur" und "Nicht-Kultur". Das Vorgehen dabei erinnert mich etwas an eine gewisse E-Musik-Mentalität. Und auch hier sollte, wie bei der Religion, die Ignoranz bei den Menschen der schönen neuen Welt viel größer sein. Warum nennen sie immer noch Namen wie Shakespeare? Es sollte ihnen nicht einmal klar sein, dass Literatur oder Geschichte ein Thema ist, über das es wert ist zu reden. Stattdessen machen sie sich darüber lustig, was mehr Kenntnisnahme ist als glaubwürdig ist und somit als plattes erzählerisches Mittel rüberkommt, die Schlechtigkeit der schönen neuen Welt darzustellen und nebenbei den Leser in die Gegebenheiten einzuführen.

Wie gesagt, Brave New World ist ein sehr gutes Buch, umso bitterer sind die unnötigen Plattitüden und erzählerischen Fremdkörper.

Als nächste Dystopie habe ich mich dann an A Clockwork Orange gemacht.

Auf dem Buchrücken von "A Clockwork Orange" steht dick ein Zitat, das Werbung für das Buch machen soll: "I do not know of any other writer who has done as much with language... a very funny book."

Naja, ich fand das jetzt nicht unbedingt so werbend. Nur weil jemand viel mit einer Sprache anstellt, heißt das ja nicht, dass das auch irgendwie toll ist. Vor allem konkret das erstellen eines eigenen Slangs ist vielleicht irgendwie an sich schonmal bewundernswert, aber wenn es nur den Effekt hat, dass man als Lesen Schwierigkeiten hat, das Buch zu verstehen, ist das eine eher akademische Freude über diese Leistung. Aber jetzt, wo ich das Buch gelesen habe, kann ich mich dem angesprochenen Zitat nur anschließen! Nicht dass Burgess so viel mit Sprache anstellt ist genial, sondern dass es so eine Wirkung hat. Das Buch ist unheimlich lustig. Naja, zu Anfang habe ich wenig gelacht, aber der letzte Teil war wirklich urkomisch. Und das alleine wegen des erfundenen Jargons. Und die ganz eigene Form von Poesie kann man wohl nur nachvollziehen, wenn man das Buch gelesen hat. Man muss die beschriebene Gewalt vertragen können, was häufig alles andere als einfach ist. Es ist wirklich schockierend zum Teil, aber sehr lohnend. Das eigentliche Thema des Buches ist der freie Wille, aber ich will nicht zu viel von der Geschichte erzählen. Obwohl die meisten von euch wahrscheinlich schon den Film gesehen haben werden. Ich hatte ihn noch nicht gesehen und ich dachte ich mache mir diese eigentliche Bildungslücke zum Vorteil, indem ich das Buch vor dem Film lese. Ich lese nur sehr selten ein Buch, nachdem ich den Film gesehen habe. Umgekehrt geht das besser finde ich. Also bin ich gespannt auf den Film, aber auf jeden Fall sehr froh, das Buch vorher gelesen zu haben. Übrigens war ich sehr positiv überrascht, weil es ein Buch von Penguin Press ist, bei dem die Umschlaggestaltung nicht zum Davonlaufen oder Brechen ist. Alle Bücher von Penguin Press, die ich bisher gesehen habe, waren absolute Entwöhnungsbücher. Wie Nikotinpflaster für Leseratten. Man nimmt es in die Hand, wirft einen Blick darauf und hat eigentlich schon keinen Bock mehr, auch nur eine Zeile aus dem Buch zu lesen. Und mag es noch so gut sein. Bei 1984 hab ich mich überwunden, aber schön war's nicht. Und den Poe hier im Regal fass ich wider bessere Vorsätze schon seit Jahren nicht an. Und im Geschäft lass ich die Bücher meistens stehen, weil sie so hässlich und unästhetisch sind. Bücher, denen man ansieht, dass sie für die Schule gemacht wurden. Wo eh niemand das Buch lesen will, wo es egal ist, wo es ohnehin jeder lesen muss und wo es einfach billig sein soll, damit sich jeder eins kaufen kann. Und man meint, wenn man das Buch genau anguckt und ganz nah ans Ohr hält, kann man eine strenge Stimme hören, die sagt: "Schlagt auf, Seite 73 oben, Sven, du liest den Erzähler, Lisa, du die Misses Haringam..." *schauder* Aber nein, nicht so dieses Buch. Im Gegenteil, es hat eine schlichte, aber doch ansprechende Umschlaggestaltung und wenn das der neue Stil von Penguin Press ist, dann freue ich mich darauf, bald mehr von denen kaufen zu können :) Oh und was ich über das Buch selbst noch hervorheben sollte, bevor ich meine Literaturkritikrunde für heute beende: Ich hatte ja nach dem Vorwort erst Angst, weil doch da ein Ausschnitt zerpflückt wurde und ich kein Wort verstanden habe und vor den vielen komischen Ausdrücken gewarnt wurde – wie gesagt, es ist dieser Slang der einen großen Teil zum Buch beisteuert und es ist auch sonst sehr fesselnd geschrieben, sodass ich schwer davon loskam, als ich erst angefangen hatte. Und in dem Fall ist auch jedem nur zu empfehlen, es im Original zu lesen. Ich habe die deutsche Version natürlich nicht gesehen, aber es kann nur unheimlich verlieren, keine Chance da als Übersetzer viel zu retten in meinen Glazzies äh Augen, O my brothers. For thou shalt like viddy Your Humble Narrator's govoreeting real on thy oddy knocky. But fear not, my droogs, for not as hard to understand it will be as it may now seem to you.


PS: Ich habe inzwischen auch Fahrhenheit 451 gelesen. Allerdings kann ich dazu irgendwie nichts Qualifiziertes sagen. War ganz interessant, andererseits musste ich mich manchmal ein bisschen quälen, um weiterzulesen. Vielleicht kann Steve ja in einem Kommentar eine Kritikvorlage liefern, die man dann diskutieren kann. Immerhin hat er das Buch ja auch schonmal für den Ersti-Informanten rezensiert.

PPS: Und ich habe inzwischen herausgefunden, dass es die Penguin-Bücher mit silbernem Rücken sind, die annehmbar bis schön aufgemacht sind. Nicht schwarz und schon gar nicht dieses hellrosamatschfarben.

PPPS: Wie versprochen habe ich ein Foto von meinem gelesene-Bücher-Stapel hinzugefügt – meine aktuellen Projekte findet hier hier.

13.11.05, 14:18 Uhr

Spass für 'ne Mark

Mit den Randalierern vor Ort habe ich wie gesagt ja noch keinen persönlichen Kontakt gehabt. Aber mit den Vandalen des Internets, den Spammern, ist das leichter möglich. So ist einer dieser Spammer Herr Heisig aus Bonn. Den hab ich eben angerufen. Er war irgendwie ziemlich angepinkelt, dass ich ihn da Sonntags vom Mittagstisch weggeholt habe, noch mehr wahrscheinlich, weil ich vorher mit seiner Frau gesprochen habe. Naja, wenn sie mich fragt, was ich von ihrem Mann wolle, erklär ich ihr natürlich die Sachlage. Er war auch nicht ganz vorbereitet auf sowas. Warum ich in diesem Verteiler wäre, hab ich gefragt. Naja, vielleicht hätte mich eine andere Person mit meiner E-Mailadresse angemeldet. Sowas könne passieren, sie hätten schließlich 50.000 Leut... äh, da hat er irgendwie abgebrochen, aber danke für die Information ;) 50.000 arme zugespammte Schweine. Spammer Heisig hat dann aufgelegt als ich grade dabei war, ihn über seine Rechtssituation aufzuklären und warum ich ihm sicher nicht wie er das wünscht eine Mail an seine Firmenadresse schreiben werde um mich austragen zu lassen. Naja, macht nichts, die nächste Spammail von Herrn Heisig kommt bestimmt und ich hab ja jetzt seine Nummer...

PS: Vielen Dank an Florian (den in Bielefeld), mich vor etlicher Zeit auf die Idee gebracht zu haben.

12.11.05, 18:17 Uhr

Wieder daheim (gibt viele Süddeutsche hier...)

So, jetzt sitze ich wieder im Warmen und mir ist aufgefallen, dass ich noch gar nicht von der Party am Mittwoch erzählt habe. Sie war auch nett, aber nicht so gut wie die vom Montag. Das wird an mehreren Faktoren gelegen haben: Es waren weniger Leute da, das Essen war nicht so vielseitig, es ging nicht so lange und wir haben uns nicht über Kopfsteinpflaster unterhalten ;)

Und ich habe wieder denselben armen Menschen mit meiner nächtlichen Anwesenheit belästigt wie zwei Tage zuvor. Für ein eventuelles drittes Mal muss ich mir irgendwas überlegen.

Eigentlich wollte ich dann gestern auch noch mit Leuten aus Torcy und/oder Lognes (sprich von da hinten bei die Uni wech) nach Paris fahren. Aber dann haben die Franzosen, mit denen Florian weggehen wollte, abgesagt, sodass er nicht mehr wollte und ich hab dann auch nicht mehr groß rumtelefoniert, weil ich an meinem Projektseminar saß und da den Schmonzes, den wir im vergangenen Semester verzapft hatten, geradebiegen wollte. Das hat denn auch bis zwei Uhr nachts gedauert, ich hoffe, dass dieser verbuggte Mist jetzt endgültig zur Ruhe gekommen ist und nicht wieder aufersteht. Naja, war ja ein Projekt für's Studium, sprich man sollte etwas dabei lernen und ich habe gelernt, dass ich die penible mathematische Vorarbeit das nächste Mal dem Namen gerecht wirklich vorher mache.

Meine Oma hat aus Kairon auf den Anrufbeantworter gesprochen, um mir zum Namenstag zu gratulieren. Ich glaub, sie ist die erste in meinem ganzen Leben, die das tut. Ich wusste nichtmal, dass ich heute Namenstag habe.

Übrigens hat sich der Verdacht bestätigt, den ich nach dem letzten Telefonat mit meiner Oma hatte, dass mein Onkel auch da oben ist. Frage mich, warum ich das nicht wusste. Schade, dachte ich könne den mal so erwischen hier um was zu unternehmen. Naja, dann wenn er wieder da ist.

Gestern wurde ich übrigens von einem komischen Feiertag überrascht, von dem mir keiner was gesagt hat. Dani schrieb in ner SMS, dass da in Frankreich ja einer wäre. Muss mir glaub ich mal einen französischen Kalender schnappen und alle Feiertage übertragen, die von den deutschen abweichen. Musste auch mein Futter voll improvisieren.

Jetzt geh ich aber erstmal einkaufen, heute kann ich das ja. Das ist toll, hier hat sogar der ganz kleine Supermarkt um die Ecke Samstags bis 20 Uhr auf. Die haben zwar keinen Goudakäse, aber Samstags bis acht auf. Kommt mir sehr entgegen, letzteres.

Oh und ich habe heute rausgefunden, dass ich nicht gesponnen habe, als ich die Tage nicht ins Haus kam. Hier haben ja alle Häuser ein Zahlenschloss. Mindestens. Das Wohnheim in Torcy hat sogar so ein Chipsensorhassenichgesehn. Sprich wenn du da Gast bist, haste gar keine Chance. Hier kann man den Besuchern ja wenigstens vorher den Code verraten. Es gibt nämlich keine Klingeln vor dem Zahlenschloss. Ob das wirklich sicherer ist, weiß ich nicht. In der Regel wartet man einfach ab, bis jemand anderes reingeht und flutscht dann mit durch oder guck ihm einfach auf die Finger. Schert sich nämlich keiner drum. Das ist die Kehrseite von zu viel Sicherheitsmaßnahmen, dass dann alle schludern damit und man es sich gleich schenken kann. Jedenfalls musste ich das auch so machen mit dem Durchflutschen, als ich den Code dreimal eingegeben habe und die Tür sich nicht geöffnet hat. Ich dachte erst ich bin einfach etwas dickbefingert, aber dann kam ich zu dem Schluss, dass das Ding entweder kaputt sein oder der Code sich geändert haben müsse, ohne dass ich das aus welchen Gründen auch immer mitgekriegt hätte. Hab dann da etwas rumgegammelt, bis jemand kam und der gab den Code ein und die Tür ging auf. Tolle Wurst, dachte ich, warum geht das jetzt bei ihm? Naja, heute klebte dann ein Zettel an der Tür, dass sie kaputt wäre und man sie deshalb nicht schließen solle. Bin also doch noch nicht ganz gaga. Und dabei war die Tür erst repariert, vorher schloss sie nämlich gar nicht mehr, da konnte man sie einfach aufziehen. Etwas übers Ziel geschossen, die Reparateure. Aber Angst haben muss man jetzt auch nicht, weil die Wohnungstür immer noch aus Stahl ist und das Schloss daran jenseits von Gut und Böse. Da kann man besser durch die Wand daneben brechen.

Was hier übrigens auch alle Häuser haben, ist eine Concierge. Also eine Art Hausmeisterin, die im Haus selbst wohnt und immer den Müll rausbringt, einen reinlässt, wenn die Tür kaputt ist nehme ich an ;), Leute beäugt, die sie nicht kennt und vor allem Pakete für einen annimmt! So muss in Frankreich niemand quer durch die Botanik rennen, um ein Paket abzuholen, das ihm eigentlich nach Hause geliefert werden sollte. Ich frage mich zum Beispiel jedes Mal, wenn ich in Bielefeld so eine Odyssee zum hintersten Ende der Stadtheider Straße unternehme, warum ich mir das Buch nicht einfach im Laden gekauft habe, da hätte ich nicht so weit laufen, fahren und schleppen müssen ;) Hier also muss man das nie, die Concierge stapelt die Pakete bei sich, tut einem nen Zettel in den Kasten und man ist völlig ohne Sorgen, selbst wenn es regnet oder man wenig Zeit hat. Sowas ist toll.

PS: Also wenn es eine Sache gibt, die mich bisher hier wirklich enttäuscht hat, dann dass ich von der Feinschmeckertradition hier bisher noch nichts mitbekommen habe. Und das lag nicht daran, dass ich zu oft bei McDo war. Die Crêpes, die hier auf der Straße verkauft werden, sind nicht lecker, die Mensa ist schlechter als unsere, sogar die Fertiggerichte hier sind schlechter als in Deutschland. Auch sonst habe ich an keiner Stelle gemerkt, dass man in Frankreich gutes Essen als etwas Wertvolles schätzt. Ich bin mir sicher, es gibt sie hier, die Feinschmecker und wahrscheinlich auch viel mehr als in den meisten anderen Ländern. Aber irgendwie dachte ich, dass das ein Breitenphänomen ist, dass der gesamte Anspruch an Essen hier höher wäre, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Das einzige, was ich als Zeichen in diese Richtung deute, ist der erfreuliche Umstand, dass es hier in praktisch jedem Haus einen Gasherd gibt. Da macht das Kochen einfach viel mehr Spaß :)

Kurzer Gruß

Hallo mal wieder aus der Uni. In ner halben Stunde flieg ich raus und außerdem ist es hier so kalt, dass meine Finger langsam steif werden. Vielleicht sollte ich was kompilieren, damit mein Laptop aufheizt ;) Jedenfalls habt ihr so Glück und es wird wirklich nur kurz. Ich hab auch eigentlich nicht zuviel zu erzählen, außer eine Sache, die ich unbedingt loswerden muss, nämlich dass es da, wo mein Bus abfährt, eine unsichtbare Imbissbude gibt. Nee, im Ernst, angefangen hat es damit, dass es die Tage da voll lecker nach Bratwurst roch, wie auffer Kirmes, aber es war nix zu sehen. Dann war es ein oder zwei Tage später Gyros! Oh, ich vermiss Gyros so. Hier kriegt man überall nur Döner und den kann ich nich mehr sehen. Aber was würd ich für nen Gyros geben hier. Bin einmal an nem "griechischen Restaurant" vorbeispaziert, aber hab's nicht wiedergefunden leider, außerdem muss das nix heißen. Woanders war eins, da stand auf der einen Seite des Schildes "griechisch", auf der anderen "türkisch". Na toll. Halt irgendwie Fleisch vom Spieß. Na jedenfalls und heute roch es voll nach Pommes als ich auf den Bus gewartet habe. Aber so richtig wie inner Pommesbude, nicht wie wenn sich jemand so Ekeldinger außer Tüte innen Ofen schiebt. Also entweder jemand, der da wohnt, ist voll der Imbissfan und hat ne Profiausstattung in der Küche (wobei ich auch nach offenen Fenstern gespäht habe, ich hab nix gesehen) oder ich spinne und der Entzug von deutschem Essen macht meinem Hirn zu schaffen oder aber es steht da eine unsichtbare Pommesbude. Das nächste Mal versuche ich den Geruch glaub ich mal zurückzuverfolgen. Sollte mir vielleicht nen Hund dafür leihen. Also dann, bevor ich festfriere, fahr ich mal nach Hause, schönes Wochenende! (Und schickt mir bitte keine Pakete mit Pommes und Gyros drin... is lieb gemeint, aber... nee.)

9.11.05, 11:06 Uhr

Lebenszeichen... und wie ;)

Präscriptum: Vorsicht, dieser Artikel enthält einiges an Bildern. Ich entschuldige mich bei allen, die eine langsame Internetverbindung haben. Und selbst die anderen dürften eventuell etwas angenervt sein. Die Chance das zu verhindern hat für alle, die den Firefox als Browser benutzen, eine Extension namens Fasterfox. Die sollte (ich hab die selbst erst ein paar Tage, macht aber einen guten Eindruck) alle Bilder, die auf dieser Seite verlinkt sind, schonmal in den Browsercache laden, solange ihr noch gemütlich den bildarmen Anfang des Artikels lest und später sollte es dann schnell gehen. Also vielleicht erst installieren und dann weiterlesen. Wenn ihr Opera benutzt, kann ich mich nur entschuldigen und um eure Geduld bitten (und vorschlagen, ihr guckt euch einfach nur an, was ihr glaubt, was toll sein könnte, die Bildnamen verraten manchmal auch ein bisschen was, wenn es der Text nicht tut). Und wo ich schon beim Entschuldigen bin: Entschuldigt, dass das hier schon wieder so ein Mammutartikel ist wie der letzte. Ich versuche in Zukunft mehrere kleine zu basteln. Aber immerhin ist dieser durch Bildchen aufgelockert, sodass das einen nicht so erschlagen sollte, wie es erst erscheint. Also dann, jetzt zum wirklichen Anfang des Artikels:

Nein, keine Angst, es gibt mich noch. Ich habe immer noch nichts von den Krawallen hier mitgekriegt. Nicht einmal ein ausgebranntes Autowrack oder so. Im Ausland schieben die Leute irgendwie mehr Panik als irgendwer hier. Naja, dass ich nicht in einem richtigen Problemviertel wohne, da bin ich schon froh.

Montag war ich auf einer Party in Torcy, wo immerhin eine Schule angezündet worden war. In Torcy steht eins der Studentenwohnheime, wo es von Erasmusstudenten, die an meiner Uni sind, nur so wimmelt. Dementsprechend war es auch eine super Party, mit ganz vielen interessanten Leuten. Und endlich eine Gelegenheit, mal ganz viel Französisch zu reden und es nicht immer nur zu konsumieren. Ich habe auch endlich den Eindruck, dass es mit meinem Französisch etwas voran geht. Die Gesprächsthemen variierten auch vom Passé simple über Mac OS X bis hin zu Kopfsteinpflaster und S-Bahnen (nach steigendem Sex-Appeal geordnet ;), letzteres aber dann doch auf Deutsch, ich hab keine Ahnung, was Kopfsteinpflaster auf Französisch heißt.

Apropos "passé simple": Ich hab mich jetzt leichtsinnigerweise doch an einem französichen Buch versucht. Dachte bei einem Krimi kann nicht viel schief gehen. Aber die benutzen das wirklich beim Schreiben! Und außerdem hab ich auf der ersten Seite (16 Zeilen) 22 Wörter nicht verstanden. Da is mit Kontext nicht viel zu machen. Ich glaub das überleg ich mir noch mal. Oder warte zumindest, bis ich Leo zuhause habe. Mit Nachschlagen in einem richtigen Wörterbuch kommt man da schnell neben die Kappe.

Die Party war übrigens als "deutscher Abend" deklariert. Es soll nämlich jedes vertretene Land eine Party organisieren und landestypische Speisen und Getränke beitragen. Die meisten habe ich wohl schon verpasst, was recht ärgerlich ist. Wobei jemand meinte, dass das der leckerste Abend bisher gewesen wäre. Und das bei der unrühmlichen deutschen Küche! Kann ich mir aber nicht ganz vorstellen. Aber die Spätzle, die es gab, waren wirklich lecker. Und ansonsten gab es halt das schöne Party-Standard-Programm: Kartoffel- und Nudelsalat, Hackfleischbällchen und Nürnberger. Oh und echtes Importbier! Also es war tatsächlich auch ein sehr leckerer Abend. Aber vor allem war es schön, endlich mal unter Leute zu kommen. Und nette noch dazu, ich konnte da ohne Probleme auch schlafen. Nicht nur wäre die Heimfahrt etwas langwierig geworden mit den Nachtbussen (immerhin fahren hier Nachtbusse auch unter der Woche), sondern sind Busse in diesen Tagen nicht unbedingt das sicherste Verkehrsmittel.

Wobei, was endlich feiern angeht, war Samstag sozusagen der Auftakt. Da war nämlich eine Party von Esto. Ihr erinnert euch vielleicht, das waren die Leute, die das Tandemprogramm organisieren. Es kamen aber kaum Franzosen zu dem Abend, also sollen wir diese Woche noch ne Mail diesbezüglich bekommen. Es war trotzdem ganz nett, nur leider viel zu kurz. Die meisten waren am Vorabend auf einer Party, die sehr lang ging, weswegen um neun Uhr schon quasi keiner mehr da war. Vincent, der Hauptestomensch, hat dann die verbliebenen eingepackt, um mit uns noch zu einem Gratiskonzert zu fahren. Das Esto-Treffen war in einer Kneipe nahe dem Place de la Bastille (Und es gibt in derselben Straße ein "Boca Chica"!), aber das Konzert war dann irgendwie j.w.d. wie ich feststellen musste (La Varenne um genau zu sein), als Vincent über irgendwelche kleinen Ortschaften kurvte. Die Band solle wirklich gut sein, meinte er, einer der besten Sänger von Paris. Leider sollte ich das wohl nie erfahren, weil sich herausstellte, dass der Laden, wo das "Konzert" war, ein Restaurant war und die ganzen Tische mit Blick auf die Bühne entweder besetzt oder reserviert waren. Tja, also nix mit Musik an dem Abend. Zum Glück waren wir 200m von der nächsten RER-Station entfernt, sodass der Heimweg für mich kein Problem war. Vincent hätte mich sogar gefahren, aber das wär ein echter Umweg gewesen. Aber machte ja nix, RERs kann man nur mit Steinen bewerfen, nicht anhalten und abbrennen wie Busse.

Was ist sonst noch so passiert in der langen langen Zeit, in der ich euch nicht geschrieben habe? Seit Freitag bin ich alleine hier, meine Oma ist mit Marie-Anne und Oscar nach Kairon gefahren. Am selben Tag ist endlich meine Kamera angekommen! So konnte ich den Tag damit verbringen, die ganzen tollen Spielereien auszuprobieren, die man da so machen kann. Viele tolle Fotos sind dabei allerdings nicht herausgekommen ;) Das liegt aber vor allem daran, dass es bei mir nicht viel zu fotographieren gibt. Vor meinem Fenster ist nur ein furchtbar hässliches Haus . Nur nachts macht das ein bisschen was her, vor allem, wenn man fast nur Lichter sieht ;) Tagsüber bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf die Bäume zu konzentrieren oder die Vorhänge zuzuziehen, aber das ist auch nicht sehr lustig. Um also nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen, muss ich regelmäßig raus. Sonntag hab ich mir dann meine tolle neue Kamera geschnappt und bin nochmal in den Parc de Sceaux, wo ich kurz zuvor schon war und sehr bedauert habe, dass meine Kamera da noch nicht angekommen war. Hab denn auch 225 Fotos geschossen, allerdings ging ne Menge Material drauf beim Versuch, Vögel im Flug zu fotographieren. Die sind vielleicht schnell die Biester! Und hören nicht. Es lebe an der Stelle die Digitalfotographie, da war das Material immerhin weitestgehened regenerativ und nicht so teuer. Also dann auf zur virtuellen Diashow, macht's euch bequem, greift zu den Chips... *dunkel*:

ParkplanWie gesagt ist schon Sceaux selbst ein sehr schöner Ort mit vielen Alléen *KLACK* und sogar recht hübschen Kreisverkehren *KLACK*. Zum Park muss man sich dann erstmal durch eine furchtbare Autolawine kämpfen (ich lass die Audiountermalung jetzt mal...), weil ganz viele Leute bei schönem Wetter zu diesem Park wollen. Und um den ganzen Park verteilt sind noch viel mehr Parkplätze! Im Park selbst gibt es natürlich ein hübsches Schloss und dahinter eine riesige weite Fläche mit lauter Fontänen, die von nahem gar nicht so klein sind, wie sie auf dem Foto erst erscheinen. Links erstreckt sich dann nochmal eine immense Wasserfläche, in der man sogar fischen darf und deren Größe sich auf Fotos auch erst von nahmen erahnen lässt wie auf diesen beiden Fotos, die von der Mitte des Bassins zu beiden Seiten hin aufgenommen wurden. Angler hab ich aber keine gesehen, nur Leute, die ihre Modellsegelbote haben schwimmen lassen. Den besten Überblick über die Aufteilung kriegt man übrigens wohl auf dem Plan (Der erwähnte Eingang beim Schloss ist ganz oben rechts), nicht dass ihr die Übersicht verliert, wenn ich jetzt ständig links gehe. Denn wie man sieht, geht von dem großen Becken nochmal eine Wasserfläche links ab, die in der Mitte noch eine riesige Fontäne hat. Es gibt da also ganz schön viele Fontänen, was ich toll finde, weil ich Springbrunnen voll mag. Deswegen fand ich auch sehr schade, dass die Kaskaden aus waren. Die gehen nochmal links von dem kleinen Bassin mit der großen Fontäne ab und haben normalerweise auf jeder Stufe zwei kleine Fontänen, was natürlich total schön aussieht. Jetzt floss da einfach nur etwas Wasser herunter, sodass die Stufen ganz mit Moos und Algen bewachsen sind. Eines der herausragenden Dinge am Parc de Sceaux finde ich allerdings, dass er nicht nur diese klassischen und sehr geometrischen Strukturen beinhaltet, sondern man hier auch geradezu verwilderte Ecken findet mit kleinen Wanderwegen darin.

Aber ich glaube das sind jetzt erstmal genug Parktourismus-Fotos. Kommen wir zu ein paar Fotos, die ich wirklich schön finde. Zuallererst mein Lieblingsfoto von diesem Tag, das von dem grauen Schwan, dem grade ein Wassertropfen vom Schnabel perlt. Dem hab ich in iPhoto zwar auch nur drei von fünf Sternen gegeben, aber ich übe ja auch noch :) Und selbst Schwäne bewegen sich viel, glaubt man gar nicht, so ruhig und elegant wie die immer umher schwimmen. Aber immerhin sind die nur geschwommen. Wie gesagt, Vögel im Flug sind die Hölle. Ich habe denn auch kein einziges Foto hingekriegt, so wie ich es gerne gehabt hätte, aber das eine oder andere brauchbare ist dabei. So wie diese Möwe (Ja, es gibt in Paris im Winter Möwen! Sogar hier zuhause kann man die manchmal hören, wenn sie sich in der Nachbarschaft um Futter kloppen.). Oder dieser Rabe, der grade auf dem Kai landet. Tauben sind meiner Erfahrung nach die einfachsten Vögel, gerade, wenn sie grade was zu beißen haben. Wie diese weiße Taube, die mich ganz nah rangelassen hat. Naja, die is ja auch nicht rumgeflogen, dann wär die sicher auch nicht mehr so ein einfaches Ziel gewesen. Das hier ist ein ganz hübsches Foto von dem Seitenarm, der zur großen Fontäne führt. Dann noch zwei Fotos, die schon hart an der Grenze zum Kitsch sind: Eine Ente, die auf silbrig-blauem Wasser schwimmt und ein Ehepaar, das das Bassin betrachtet... dass die Sonne nicht untergeht ist alles. Und zuletzt noch ein paar Demonstrationen, wie der "Enhance"-Zauberstab von iPhoto auch völlig misslungenen Fotos noch etwas abgewinnen kann: 1, 2, 3, 4, 5.

1.11.05, 01:13 Uhr

Endlich wieder Fischbacken

Am Sonntag war schönes Wetter. Da hatte ich Lust, in einen Park zu gehen. Speziell dachte ich an den Parc de Sceaux, der ziemlich groß und sehr schön ist. Zwei Dumme ein Gedanke, meine Oma schlug unabhängig davon vor, mich dahin zu karren, weil sie eh ihre Freundin besuchen wollte, die direkt da nebendran wohnt. Ist ein wirklich toller Park, mit einem riesigen Bassin und Bänken an dessen Ufer und einer riesigen freien Fläche vor dem Schloss. Und es war ein schöner, sonniger Herbsttag, sodass die bunten Blätter an den Bäumen überall geleuchtet haben. Bevor ich da spazieren gehen konnte, habe ich aber noch der Freundin Hallo sagen müssen, was sich zu einer längeren Diskussion über Politik entwickelte: Für und Wider der großen Koalition in Deutschland, Aussichten des Arbeitsmarktes, politische Kultur in Europa etc. War nicht wirklich leicht auf Französisch, aber naja, immerhin hatte ich den Eindruck, dadurch auch ein kleines bisschen gelernt zu haben. Wirklich interessant war allerdings der blinde Glauben in die Politiker, besser gesagt in deren Ausbildung. Anscheinend ist es hier so, dass jeder, der in der Politik was werden will, eine bestimmte Grande Ecole besucht haben muss. Wenn man da runter käme, könne eigentlich nicht mehr viel passieren, weil man alle Fehler der Vergangenheit kennt und die nicht wiederholen würde. Und das wären überhaupt großartige Menschen, die da abgingen und nur solche könnten ein Land führen. Nun denn. Mir bleibt dieses französische Elitesystem sehr suspekt.

Apropos suspekt: Froschschenkel hab ich hier noch nie zu Gesicht bekommen, Name dieses Blogs hin oder her. Das einzig wirklich eklige, waren die Fischbacken, die ich vor etlichen Jahren mal zu essen gekriegt habe. Mit lauter Knorpeln und Schleim dran und der essbare Teil war auch nicht besser als der Rest des Fisches. Zumindest für einen Kretäng wie mich nicht. Und letzte Woche war es denn mal wieder so weit. Ich hab meine Tante besucht und meine Oma hatte Fischbacken mitgebracht. Meine Tante fragte mich aber netterweise, ob ich die denn essen wolle oder lieber ein paar Nudeln. Ich guckte mir die nochmal an, Schleim hab ich diesmal keinen gesehen, aber dafür rochen sie komisch und überhaupt war ich von den Dingern kuriert. Musste also so lange nicht überlegen und hab sehr leckere Nudeln mit einer Vier-Käse-Mikrowellensoße gekriegt, was eine sehr gute Entscheidung war, wie sich schnell rausstellen sollte. Meine Oma war die erste, die genüsslich in eine Fischbacke biss, meinte dann aber: "Hmm, die hier schmeckt etwas komisch. Mal eine andere probieren, ob die besser ist." Meine Tante war denn auch sofort alamiert: "Na also wenn du schon sagst, dass es 'etwas komisch' schmeckt, muss es wirklich widerlich sein." Meine Oma ist ansonsten nämlich total schmerzfrei, was essen angeht. Muss noch aus Kriegszeiten kommen die Macke. Sie isst sonst alles, sogar wenn's schon etwas schimmelig ist, was ich denn auch ziemlich widerwärtig finde. Und solange sie Brot noch irgendwie klein kriegt, isst sie es auch noch. Und Brot ist nicht teuer hier. Nur Nudeln, die isst sie nicht. Von allen Dingen der Welt, ausgerechnet Nudeln nicht. In egal welcher Variation. Das versteh wer will. Für mich natürlich ziemlich schlimm, weil 90% meiner Kochkunst aus Nudeln besteht und ich so immer den kulinarischen Eigenbrödler spielen muss. Jedenfalls biss meine Tante dann auch in eine ihrer Fischbacken und spuckte die umgehend wieder aus. "BAH! Ekelhaft, die schmecken ja voll nach Ammoniak!" Selbst meine Oma hatte nach ihrer dritten Backe genug. Ich hab meiner Tante dann von meinen Nudeln angeboten, aber sie wollte nicht und die beiden haben sich dann mit ihren Beilagen begnügt. Mann, war ich froh, mich nicht für die Fischbacken entschieden zu haben!

Am Montag war ich dann auch endlich mal wieder im Netz (Neinnein, das Netz zuhause ist immer noch nicht da. Vielleicht ist Tele2 so mit der Einführung von DSL in Deutschland beschäftigt, dass sie ihren guten alten Markt in Frankreich vernachlässigen). Da hab ich eine freudige Überraschung erlebt, als mir der Autor von einem Buch geantwortet hat, dem ich vor Wochen eine Mail geschrieben habe bezüglich seiner Theorie. Hatte aber schon den Glauben verloren. Dachte, dass sich so ein Ex-Cambridge-Prof vielleicht zu schick, mir zu antworten. Umso mehr war ich aus dem Häuschen, als er mir doch eine sehr nette Antwortmail geschickt hat. Von wegen er könne meine Bedenken verstehen, ich sei damit nicht alleine und er teile sie inzwischen sogar, sodass er ein neues Buch geschrieben habe, aus dem er mir dann auch noch einen Auszug geschickt hat. Sehr cool das. Hab den Auszug gelesen und ihm eine Antwortmail geschickt. Mal sehen. Der hat übrigens auch mal am ZiF gearbeitet, witzig das :) Auf jeden Fall schon eine dolle Sache das mit diesen E-Mails. Bin immer noch fasziniert von solchen Sachen. Früher hat man irgendwas in einem Buch gelesen, was einen gestört hat und hat sich geärgert und es gut sein lassen. Heute kann man mit dem Autor darüber diskutieren. Wow. Das nenn ich wirklich mal schöne neue Welt.

Was nicht so schön ist in der Welt hier, ist der Kriegszustand in Clichy-sous-Bois. Meine Oma ist der Meinung, dass das Nachahmen der Ausschreitungen dort der Grund dafür war, dass sie einer Freundin von ihr in Marseille das Auto abgebrannt haben! Wahnsinn, verrückt die Welt. Und weil in Marseille nach den Korsikaschiffern nun der ÖPNV schon seit Wochen streikt, konnte sie nicht mal zur Polizei, um eine Anzeige zu erstatten.

Gestern war dann wieder mal schönes Wetter, sodass ich beschlossen habe, den Kanal Saint-Martin zu besuchen, den ich noch nie gesehen habe, obwohl ich ja schon ein paarmal in Paris war. Und ich weiß wirklich nicht, warum die Pariser so ein Aufhebens darum machen, ob man in der Banlieue wohnt oder in Paris. Es gibt in Paris genauso fiese Ecken wie in den Vororten und umgekehrt gibt es Vororte, die den absoluten Luxus ausstrahlen. Wie Sceaux (das mit dem Park oben): Breite Alleen, Plätze mit Brunnen überall, Blumen und Grün, schöne Häuser, Ruhe und zwitschernde Vögel. Total das Paradies. Und um den Kanal Saint-Martin sind lauter hässliche Häuser und die Leute sind viel vorortiger und überhaupt ist es keine schöne Gegend. Zumindest was den oberen Teil angeht. Hab nur den gesehen, muss an einem anderen Tag noch zum unteren Teil gehen. Naja, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm wie Clichy-sous-bois (da war ich noch nicht und momentan ist wohl auch ein schlechter Zeitpunkt), aber angenehm war's nicht da. Der Kanal wäre aber ganz hübsch, wenn es nicht so stänke. Oben, wo er gestaut wird, ist fast ein bisschen Atmosphäre wie in einem Hafen, nur das Salz in der Luft fehlt. Aber es war sogar ein Segelboot da und man kann sich an den Kai in die Sonne setzen und den Wellen lauschen, die gegen das Ufer plätschern.

Hab dann ein Café gesucht. Bin einfach irgendwo aus der Métro gehüpft (Quatre Septembre) und dachte, es kann ja nicht so schwer sein in Paris ein Café zu finden (bin dann die halbe Linie 3 wieder zurückspaziert bis "République"). Naja, ist es auch nicht. Nur was mich schockiert hat ist, dass die allermeisten so einen gewissen Autobahnraststättencharme ausstrahlen. Also nicht wirklich viel Charme at all. Naja, hab dann doch noch was gefunden, was mehr Kneipe als Café war, aber ganz nett. Hatten leider nix Heißes mehr, also bin ich gleich zum Bier übergegangen. Das war mit 1,60 Euro auch ganz human bepreist. Dann brauchte ich was zu essen. Mit dem Vorsatz, nicht wieder zu McDo zu gehen, hab ich mir die Speisekarte eines nicht zu teuer aussehenden Restaurants angeguckt. Als ich die dicke "10" neben der Pizza gesehen habe, hab ich schnurstracks auf das Burgerparadies zugehalten. Ich meine ich musste ja eh noch ausprobieren, ob man tatsächlich mit der Carte ImaginR (dem "Semesterticket" hier) billiger an sein Menü kommt. Kommt man tatsächlich (Schlag das mal wer dem AStA in Bielefeld vor...). Aber irgendwie muss ich noch bezahlbare Nahrungsquellen hier ausmachen, die nicht BigMac heißen und auch nicht Crêpe, denn die Crêpes hier schmecken nicht wirklich gut. Vielleicht in einem Restaurant, aber dann zahlt man sich wieder doof. Ich will wieder Hirschragout für knapp 5 Euro im Westend futtern!

Naja, jedenfalls bin ich dann zu meiner Jazzkneipe aufgebrochen. Wollte früh da sein, da ich befürchtete, dass bei Live-Musik und so der Laden gerammelt voll sein könnte, wenn ich just in time ankomme. Naja, Pustekuchen, in Paris war heute Abend irgendwie nix los. Aber machte ja nix. Nur wurd mir etwas komisch, als auf dem Schild des Mojito Habana neben vielen anderen Titeln auch "Club privé" stand. "Lassen die mich rein?" fragte ich mich. "Und wenn, muss ich dann halbnackten Frauen Geld in den Ausschnitt stopfen?" Hab also noch eine Runde um den Block gedreht und mich dann reingetraut. "privé" hieß, so dachte ich mir dann zuerst, dass die sich alle kennen hier. Aber da man sehr nett zu mir war, machte mir das nichts. Das einzige, was komisch war, war, dass die ständig die Musik geändert haben. So als würden sich zwei an der Stereoanlage kloppen. Und vom Ambiente konnte es unmöglich mit dem Blue Tomato in Wien mithalten, das ich während der dortigen KIF das Glück hatte kennenzulernen. Hab erst an der Theke gesessen und noch ein bisschen "A Clockwork Orange" gelesen, von dem ich nicht lassen kann momentan. Dann wurd mir mein Rücken aua und ich hab mich mir's auf den Ledergarnituren da bequem gemacht. Mir gegenüber saß ein Mann, der sich schon vorher als sehr kommunikativ erwiesen hat, als er über alles mögliche mit der Wirtin sprach. Die schien nicht so erquickt, aber als er mich in ein Gespräch verwickelt hat, war ich eigentlich ganz froh, weil sowas immer eine gute Gelegenheit ist, mein Französisch zu trainieren und außerdem fand ich es auch so ganz interessant, auch wenn er mich in Deutschland wahrscheinlich ziemlich genervt hätte nach kurzer Zeit. Jedenfalls war das irgendwie ein Autobahnbaumaschinenhändler, der auch Deutschland ganz gut kannte, weil er da immer die Maschinen kauft, weil die Deutschen wohl die besten Autobahnbaumaschinen herstellen. Aber die Italiener wären inzwischen die einzigen, die noch Lager hätten, weswegen die viel schneller wären als Deutsche und Franzosen und das obwohl sie eine südliche Arbeitseinstellung hätten und was wäre eigentlich mit der deutschen Jugend los, er wolle ja mein Land nicht beleidigen und ich wäre sowieso anders, aber die wären nicht mehr wie die älteren Deutschen. Naja, ihr könnt euch ungefähr vorstellen, wie das abgelaufen ist. Ich hab gesagt, dass ich da noch nicht so drauf geachtet hätte, es aber sein könne, aber sicher nicht nur schlecht wäre, weil so mancher ältere, typisch Deutsche... nun ja. Da gab er mir Recht und das ganze ging ein bisschen so weiter bis die Musik anfing und die Kommunikation noch schwieriger wurde (er hatte vorher immer eine Zigarre im Mund, ich hab kaum ein Wort verstanden und musste immer nachfragen, woraufhin er seine Zigarre aus dem Mund nahm (meistens zumindest) und ich dann verstehen konnte was er wollte). Aber auch er hat mein Französisch gelobt, was mich trotzdem nicht tröstet irgendwie. Immer wieder guck ich in meine französische Grammatik, die ich mir glücklicherweise in Deutschland noch gekauft habe und bin jedes Mal voll frustriert von wegen "Das kann ich doch NIE alles lernen und noch weniger live auf die Reihe kriegen, buhuhuuu!". Und das nur nach ein paar Seiten und das Ding ist nicht gerade dünn. Oh übrigens hat er mir auch noch ein Bier ausgetan, was mich erst sehr gefreut hat und dann ziemlich besorgt hat, weil ich schon von zwei Schwulen eingeladen (also so eingeladen) wurde in meinem Leben (was leider Gottes deutlich mehr ist als von Frauen, ich weiß ihr teilt meine Trauer), sodass ich mich dann unweigerlich fragen musste, ob der mich auch nur ins Bett kriegen wollte. Zum Glück war dem nicht so. Er ist also gegangen, als die Musik kam. Und was für Musik. Ich hatte ja erst ein bisschen Bedenken, weil die nicht so vertrauenserweckend aussahen die Musiker (Maxim Saury und die Hot Papaz... ich dachte erst, das spielt auf "Peppers" an, aber "Papas" passt wohl tatsächlich besser...) und überhaupt schien sich kaum jemand für sie zu interessieren, so leer wie der Laden war. Aber die waren wirklich gut! Und hatten Spaß an ihrer Musik. Und die paar Leute, die da waren, auch, mich eingeschlossen. Haben richtig schöne Stimmung gemacht, nach Solos applaudiert und alles. Der Schlagzeuger saß erst nur dabei, sodass ich ihn für einen Zuschauer hielt, der etwas viel getrunken hatte, so wie er sich in den Mittelpunkt gedrängt hat und abgegangen ist, aber anscheinend gehörte er dazu und hatte sich nur einen Finger verletzt, was ihm dann aber irgendwann egal war und es hat ihn nichts mehr gehalten und er hat mitgespielt. Der war auch klasse, vor allem weil ich sowas vorher noch nicht gesehen hatte: Er hat sich auf jeden seiner Finger eine Art Fingerhut gepflanscht und hat damit dann Töne gemacht auf verschiedensten Oberflächen und Instrumenten. War toll, zuzugucken. Ich musste dann leider gehen, weil ich die letzte Métro noch kriegen wollte (obwohl ich jetzt auch endlich einen Nachtbusfahrplan habe), während der Keyboarder grade den anderen ein neues Stück beigebracht hat. Das sah so aus, dass er angefangen hat es zu spielen (mit "Ist nicht ganz leicht, naja, irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht."-Kommentaren) und die anderen dann irrsinnig schnell mitspielen konnten. Absolut bewundernswert. Ach was noch fehlt: Ich hab noch ein zweites Getränk bestellt und wollte dafür die Karte. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es etwas teurer werden könnte. Wollte trotzdem mal gucken, was so ein Cocktail kostet. Bei "13 Euro" hab ich mir dann aber doch gedacht "Nnnnnope, ich glaub es darf noch ein Bier sein." Guck also zu den Bieren rüber... und hab dann doch den Mojito genommen (Der war übrigens ganz gut gemischt, aber auch wieder mit rumschwimmenden Minzblättern. Igitt. Der neue Barmixer im Sausalitos (Gibt's denn noch? Gibt's den noch? Oder schmecken die Cocktails da schon wieder so scheiße wie früher und er war nur ne Aushilfe?) ist der einzige außer meinem Vater, der nen Mojito richtig macht, ohne Grün zwischen den Zähnen.), weil die 3 Euro den Kohl auch nicht mehr fett gemacht haben, hab ich mir gedacht. Mein lieber Herr Gesangsverein. Naja, irgendwie war die Karte dann doch nicht ganz akkurat, weil mein belgisches Bier hat dann doch nur 6 Euro gekostet und keine 10, aber mit 20 Euro (inklusive Trinkgeld) war das denn doch ein Abend, den ich nicht zu häufig machen kann glaub ich.

Wovon ich noch nicht erzählt habe, sind die Häuser, die ich in der Gegend gesehen habe. Der Laden war in einer Straße, die einen konzentrischen Kreis um den Kreisverkehr des Triumphbogens darstellt und da laufen ja neben den Champs-Elysée noch ganz viele andere Avenuen lang. Und in einer von denen war ich und das ist ja nun wirklich mitten in der Stadt, sodass man, wenn man zum Eiffelturm guckt, Angst hat, dass er einen erschlägt, wenn er mal umkippt, und die Avenue war auch ziemlich groß, aber umschlossen noch von einem breiten Grünstreifen, sodass die Häuser da alle völlig ruhig lagen, mit einer eigenen kleinen Straße vor der Tür, auf der nix los ist schätz ich, aber was viel wichtiger ist: Die Häuser sahen aus! Der Wahnsinn! Eins schöner als das andere, alle kleine Paläste, mit Entrées wie Hotelfoyers zum Teil, aber alle anders und kleinen Gärten und alt und fast zum Weinen schön. Eins am anderen und ich denke, wenn ich den Preis gesehen hätte, hätte ich wirklich weinen müssen. Aber das ging wirklich gar nicht, da lang zu laufen. Und ich dachte, meine Tante wohnt in nem Luxushaus. Aber auch wenn da Marcel Proust geboren wurde, kein Vergleich mit diesen Häusern in der... ich hab vergessen, zu gucken, wie die Straße heißt. Aber der Karte nach könnte es die Avenue d'Iéna gewesen sein, auch wenn die mit viel Grün am Rand die Avenue Foch ist. Muss ich wohl nochmal hingehen.