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Frog Blog

31.5.06, 00:29 Uhr

Den letzten beißen die Schlangen

Les chataigniers à Osny von PissarroSonntag habe ich mich mit Florian getroffen, weil der vorschlug, doch in die Ausstellung Cézanne et Pissarro im Musée d'Orsay zu gehen, an der ich vorher schonmal Interesse gezeigt hatte und deren letzter Tag das sein sollte. Er schlug weiterhin vor, sich Vormittags zu treffen, weil es da leerer sei. Alles klar, soweit guter Ansatz, wir sollten nur leider bald feststellen, dass den Gedankengang wohl auch noch andere vollzogen haben. Oder mit anderen Worten: So eine Schlange hab ich glaub ich noch nicht erlebt.

Malen nach Köpfen. Man verbinde alle diese Menschen mit einer einzigen Linie. Hierbei hilft es, genauer hinzugucken, dann kann man sehen, dass die Leute in einzelnen Reihen stehen und immer abwechselnd in dieselbe Richtung blicken. Die Biegungen links sind nicht drauf, ich besitze keinen Weitwinkeladapter.Als wir da ankamen, habe ich mich erst darüber lustig gemacht, dass da so ein ungeordneter Pulk von Menschen stand (neben dem Erschrecken, wie groß dieser Pulk war und ob des Eindrucks, dass die auch alle ins Museum wollten). Aber beim genaueren Hinsehen erschloss sich dann die Struktur (in ihrer ganzen Grausamkeit): Es war in der Tat eine wohlgeordnete Schlange, die demonstrierte, warum die Dinger auf Deutsch so heißen. Sie schlängelte sich nämlich in unzähligen Windungen wieder und wieder über den Platz vor dem Museum. Wir brauchten sogar einige Zeit um die Stelle zu finden, wo sie anfing. Ähnlich wie bei einem Wollknäul. Außerdem war die Schlange so früh am Tage noch nicht sehr durch Sonnenstrahlen aufgeheizt und bewegte sich daher seeehr langsam. Da wir uns selbst für die zu erwartenden tollen Bilder die wahrscheinlich mehrstündige Wartezeit nicht antun wollten, haben wir uns spontan entschlossen, einfach stattdessen in den Grand Palais zu gehen. Was dort für eine Ausstellung sein würde, wussten wir nicht, aber er war direkt um die Ecke und irgendwie hatte das auch was, in eine unbekannte Ausstellung zu gehen. Außerdem fanden wir beide schon immer die Architektur des Grand Palais von außen sehr beeindruckend und wollten die mal von innen sehen.

Der Grand Palais von außen, im Vordergrund die Pont Alexandre III.Dort angekommen konnten wir immerhin schonmal lesen, dass das Ding „La force de l'art” (Die Kraft der Kunst) hieß. Die Schlangen waren im Vergleich sehr klein und wurden noch kleiner, als die Schalter erstmal aufgemacht hatten ;) Wir sind nämlich um kurz vor zwölf gekommen und um zwölf machte das erst auf. Super Timing.

Das imposante Dach des Grand Palais von unten und innen. Natürlich erschließt sich hier nicht die enorme Größe.Ähnlich wie bei McDonald's gab es eine Ermäßigung mit der Carte ImaginR und es kostete dann nur noch 4 €. Dann mussten wir die bisher schärfsten Sicherheitskontrollen über uns ergehen lassen, die wir bisher hier in Paris erlebt haben und durften anschließend in den Grand Palais. Das Glasdach hatte von außen nicht zu viel versprochen, die Architektur ist wirklich atemberaubend.

Die meisten Strukturen sind grün gehalten, hinten wird dies jedoch durch gelb kontrastiert. Die Treppen sind ebenfalls sehr imposant und schön geschwungen.Und groß ist das Ding, jede Menge Ausstellungsfläche, hinten dann noch zwei Cafés und Konzerte finden da wohl auch noch statt.

Wir sind da dann über drei Stunden lang rumgelaufen und haben viele interessante und schöne Dinge gesehen. Es war eine Ausstellung moderner Kunst, aber eben mit vielen tollen Sachen dabei. Es gab zwar auch ein paar Sachen, die wir Krétängs überhaupt nicht zu würdigen wussten, aber der ganz überwiegende Teil hat mir sehr gut gefallen.

Wo mir schon vorgeworfen wurde, ich würde mit meinen Alternativtexten Blinden höchstens den Mund wässerig machen... hier kann mir das nicht passieren: Ein klassisches Beispiel von 'Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.' Drei völlig weiße Leinwände auf einer weißen Wand. Jede Textur auf diesem Bild ist Schmutz auf eurem Monitor ;)Das schönste Beispiel für Kunst, derer ich unwürdig war, ist auch zugleich mit einer kleinen Anekdote verknüpft. Und zwar kamen wir grade um die Ecke, um noch zu sehen, wie einer der Ordner eine Frau verscheuchte, die über den roten Kunstwerkschutzstrich getreten war und daher zu nah an einem der Kunstwerke vorbei ging. Die meisten Kunstwerke hatten gar keinen solchen Strich, aber manche schon. Wahrscheinlich die besonders kostbaren oder die besonders fragilen. Also gucke ich hin, was denn da so schutzbedürftig ist... Drei. Weiße. Leinwände. ... Mit anderen Worten: Nix! Da war nix, die sahen aus wie frisch gekauft und aufgehangen. Ich fand in Anbetracht dessen die Reaktion des Ordners so grotesk, dass ich laut lachen musste. Ich glaube, das fand der dann aber gar nicht witzig.

Eine überdimensionale Rasierklinge. Dies hat nichts mit den nebenstehend genannten Wunderspiegeln zu tun.Aber wie gesagt, das meiste war sehr interessant. Unter anderem gab es auch tolle technische Spielereien wie Spiegel, die trübe waren, wenn man direkt reingeschaut, aber klar, wenn man schräg geguckt hat. Sehr faszinierend :)

Eine andere coole Idee war ein Raum, wo eine Glühbirne das Ende eines großen Pendels unter der Decke war. Dadurch haben sich ständig die Schatten in dem Raum geändert. Woanders gab es eine sich drehende Scheibe mit einer Spirale darauf, die immer schneller wurde und ein dazu gesagter Satz wurde gleichzeitig dazu auch immer schneller. Das war dann irgendwann schon ziemlich abgefahren, wenn man da draufgestarrt hat.

Ein sehr lustiges Kunstwerk konnte man dann wieder besser in unbewegte Bilder fassen:

Eine stilistisch mit der Diddl-Maus vergleichbare Katze mit Seitenscheitel und Schnurbart. In der Hand und ins Gitter des Laufstalls eingearbeitet ein Hakenkreuz.Ok sorry, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, zu zeigen, dass ich auch auf tolle Filter klicken kann. Hier ist das Bild in ordentlich.

Aber bevor ich mir den Mund fusselig rede, guckt euch doch einfach die Bilder an. Alles Weitere sage ich dann in den Bildunterschriften (Oh und sorry, dass es diesmal wie Kraut und Rüben aussieht. Alle eventuellen Gegenmaßnahmen waren mir zu viel Arbeit.):

Florian durch eine herumhängende Linse fotografiert.Es gab zwei höhere Aufbauten. Von der einen herunter hatte man diesen schönen Überblick. Vor allem kann man gut erkennen, wie überall Trennwände stehen, um genug Wandfläche zu haben und die einzelnen Bereiche zu trennen. Insgesamt war die Halle ziemlich groß, dies ist nur ein winziger Ausschnitt.Mickey Maus mit einem Riesenständer. Sehr schöne Idee. Ich hätte ja offen gestanden gerne ein Foto von geschockten Eltern gehabt, die ihr dreijähriges Kind von dem Phallus wegzerren, aber die Eltern, die ich gesehen habe, hat das Ding gar nicht gejuckt. Verdammte aufgeklärte Gesellschaft ;)Nee, weiß ich jetzt auch nicht. Aber für meinen Garten kann ich mir sowas ganz gut vorstellen.Selbst die Trennwände von außen waren oft künstlerisch gestaltet. Hier im geometrischen Zebra-Look.Eine Art abgeschlossener gelber Holzbühne stand im rechten Bereich der Halle rum. Darauf mischten sich alte Statuen mit neueren Kunstwerken und einer Sitzecke.Nur eines von vielen beeindruckenden Bildern. Den Blinden kann ich an dieser Stelle nur tröstend sagen, dass ich Musik Bildern immer noch deutlich vorziehe. Den Tauben... ach Herrgott, ich kann's auch nicht allen recht machen! Genießt einfach das Bild und fertig. Wahrscheinlich lässt sich die schönste Kunst eh mit Magnetfeldlinien machen und wir sind alle gekniffen.Damit keiner sagt, ich würde nur Florian aber nicht mich selbst zeigen: Hier bin ich gleich dreimal zu sehen. Makroaufnahme eines Kunstwerkes aus silbernen Perlenketten.Das Ding sah tatsächlich gar nicht so furchtbar aus, wie man vielleicht glauben könnte. Hatte irgendwie was.Könnte vom selben Künstler sein wie die Hitler-Katze. Eine Figur geht durch eine andere. Cool gemacht.Wie gesagt war auch die Architektur des Grand Palais an sich schon einen Besuch wert.Und noch ein geiles Kunstwerk. Eine gut angezogene Herrengestalt sitzt auf einer großen Kugel.Das Dach des Grand Palais über die reflektierende Oberfläche eines gelben Kunstwerkes fotografiert. Im Nachhinein hab ich mir überlegt, dass ich doch hätte croppen sollen rechts. Aber das hab ich mir jetzt gespart. Letztendlich wäre ich eh überrascht, wenn sich das hier jemand anguckte.Sieht für mich aus wie ein Friedhof. Daneben ein paar Leute... bringt Leben in die Komposition ;)Aaaah, dieses Kind war so cool! Das hat in dem Buch rumgeblättert, als würde es wirklich darin lesen. Zu süß :)Dieser Löwe, der aussieht wie schlecht gerendert, stand direkt am Eingang.Wieder die Linse von eben. Viele Menschen waren sehr fasziniert von ihr :)Das Michelinmännchen in schwarz! Wie geil ist denn so eine Idee?

28.5.06, 01:09 Uhr

Aller guten Kritiken sind drei

David Strathairn als Fernsehreporter Edward R. Murrow wünscht seinen Zuschauern eine gute Nacht und viel Glück.Irgendwie habe ich die Grammatik dieses Satzes noch nie zur Gänze begriffen, aber irgendwas musste ich ja dazu sagen, dass ich euch jetzt schon den dritten Filmartikel in Folge um die Ohren kloppe. Und schon wieder ein Film, der schon vor ewigen Zeiten angelaufen und deshalb für die meisten Leser wohl nicht mehr verfüchbar ist. Einer der Vorzüge von Paris, hier ist es fast unmöglich, einen Film zu verpassen. Aber zum Glück ist es diesmal so, dass man sich diesen Film ohne großen Verlust auch auf einem Fernsehbildschirm angucken kann. Denn es geht nicht um eindrucksvolle Bilder. Nein, die Bilder verfügen sogar über etwas nicht, von dem man kaum für möglich gehalten hätte, dass es das in einem modernen Film noch gibt: Ihnen fehlt die Farbe. Dieser Film ist komplett in schwarz-weiß und wenn George Clooney nicht wäre, könnte man ihn für einen uralten Schinken halten.

Er behandelt auch ein uraltes Thema, das aber deswegen nicht weniger aktuell ist: Die Einflussnahme auf die Medien. Nicht durch Schmiergelder oder erschossene Chefredakteure, nein, vor allem einfach durch „das können wir nicht machen”-Empfinden, etwas Druck, Tabuthemen und von allem Diskreditierung von Personen. Früher war es da in westlichen Ländern besonders beliebt, Leuten vorzuwerfen, ein Kommunist zu sein, heute ist es eben der Vorwurf, ein Sozialschwärmer oder sonst eine Sorte unvernünftigen linken Spinners zu sein. Besonders gut in solchen Vorwürfen war der amerikanische Senator Joseph McCarthy; so erfolgreich sogar, dass gleich eine ganze Ära nach ihm benannt wurde. In dieser Ära spielt Good Night, and Good Luck und es geht um die Journalisten, die es als erste wagten, sich gegen den Senator zu stellen.

Cooler Typ mit Zigarette vor Fernsehkamera.Das ganze wird wahrscheinlich ziemlich idealisiert und auf jeden Fall sehr patriotisch dargestellt, aber das stört nicht wirklich. Es ist eher Ausdruck eines gewissen Minimalismus' in diesem Film, der sich außerdem an Dingen wie einem sehr klaren Plot und eben der Abwesenheit von Farbe festmachen lässen. Es geht im Grunde um ein paar coole Typen, die in einem Fernsehstudio sitzen, Zigarette rauchen und die Welt dadurch verändern, dass sie die Wahrheit sagen.

Aber es ist eben der heutige Mangel an solchen coolen Typen, von mir aus auch Nichtrauchern, der dem Film diese Brisanz verleiht. Wobei, eigentlich ist es trauriger. Zwar stimmt es, dass es nicht viele von solch aufrechten und investigativen Journalisten gibt, aber vor allem haben die, die es doch gibt, irgendwie keinen Einfluss. Wer guckt schon Monitor? Wer liest schon die taz? Ich erinnere mich, was mich im Film am meisten überrascht und in Erstaunen versetzt hat, war das bombastische Medienecho nach jedem Beitrag. Alle großen Zeitungen haben darüber geschrieben – die einen haben ihn in höchsten Tönen gelobt, die anderen haben „Kommunist!” geschrien, aber alle haben sie reagiert. Was passiert denn heute, wenn Monitor wieder mal einen Skandal aufdeckt? Werden sie als rote Socken denunziert? Findet eine Hexenjagd statt? Wird der Bericht bei Christiansen zerrissen oder in der Bild über ihn gewettert? Nein, es passiert einfach nichts. Und das ist wahrscheinlich das schlimmste überhaupt.

Nachtrag: Wer glaubt, es seien die Zeiten vorbei, in denen man nur mit dem Finger auf jemanden zeigen und „Kommunist!” rufen musste, um ihn in extreme Probleme zu bringen, der hat die Rechnung ohne die neue Generation selbstgerechter Neoliberaler gemacht. Zitat aus dem Artikel:


Kritische Journalisten würden nach der Methode des sog. Blaming als z.B. gewerkschaftsnah oder Attac-Sympathisanten dargestellt, um ihre Glaubwürdigkeit zu unterlaufen. Diese Form der Einflussnahme auf kritische Berichterstattung habe eine neue Qualität bekommen. Betroffen seien vor allem freie Journalisten.


Na dann gute Nacht und vor allem viel Glück.

27.5.06, 19:22 Uhr

As only celluloid can deliver

V ist der verschwommene Mann mit der albernen Maske, Evey die scharfe Frau im Hintergrund.Nach Marie-Antoinette jetzt gleich noch eine Filmkritik und wieder mit einer hübschen Hauptdarstellerin, allerdings liegt dieser Kinobesuch schon länger zurück. In Marie-Antoinette könnt ihr noch nicht gehen, in V for Vendetta wahrscheinlich nicht mehr. Tja, sorry.

Wenn man mich bezüglich der beiden Hauptdarstellerinnen fragte, welche mir besser gefällt, müsste ich nicht lange überlegen. So charmant Kirsten Dunst ist, Natalie Portman ist einfach meine persönliche Nummer 1 (und das schließt schauspielerische Aspekte – man soll es nicht glauben – ganz deutlich mit ein!), noch weit vor Kate Hudson. Aber dass ein Film nicht nur von einer Hauptdarstellerin leben kann, musste ich in der pseudophilosophischen Zumutung The New World schon erfahren (Und als ich später erfahren habe, dass die Protagonistin auch noch in einem Neoterophilie nahelegenden Alter war, hat es das nicht wirklich besser gemacht. Wobei ich nicht finde, dass man ihr das angesehen hat.).

Aber was sprach noch für den Film außer der Hauptdarstellerin? Nunja, es war einfach ein hervorragend gemachter Film. Mit all der Liebe zum Detail, die meiner Ansicht nach wesentlich ist. Ich war erst sehr skeptisch, weil ich eigentlich kein Fan von Typen in albernen Masken bin, aber das Spiel von Hugo „Welcome to Rivendell, Mr. Anderson” Weaving lässt einen schnell vergessen, dass er überhaupt eine Maske trägt. Ich habe schon viele Bedenken gehört, ob das in der deutschen Version so rüberkommt, aber noch von keinem direkten Vergleich.

Vielleicht sollte ich bei dem seltsamen Gerede von Masken kurz erklären, worum es überhaupt geht: Das Großbritannien der Zukunft befindet sich unter einem furchtbaren Regime und ein Mann, der sich selbst als Nachfolger von Guy Fawkes sieht, sich V nennt und eben die besagte Maske trägt, bombt das Land zurück in die Demokratie. Dabei rennt ihm eine Frau namens Evey über den Weg und diesem Namen (E-V) kann V nicht widerstehen. Er packt sie ein und sie leben glücklich zusammen in einem geheimen Kellergewölbe bis dass der Tod sie scheidet. Interessante Nebencharaktere waren auch vertreten. So viel in aller Kürze. Weiter mit den Vorzügen des Films.

Bumm! V schmeißt seit vielen Jahren wieder seinen ersten Turm um.Da wären zuerst die Bilder zu nennen, die einfach von überragender Schönheit sind. Dass sie dabei wie so vieles im Film auch von epochaler Übertriebenheit sind, entschuldigt V im Namen des Film auf sehr selbstironische Weise: Über Vs Lieblingsfilm fragt Evey ihn: „Does it have a happy ending?” Die Antwort ist nicht umsonst die Überschrift dieses Artikels: „As only celluloid can deliver.” Vieles in diesem Film gibt es wohl nur auf Zelluloid, aber dafür liebt man es ja. Umso mehr, als es hier als Waffe gegen tatsächliche Entwicklungen und politische Strömungen eingesetzt wird und voller Seitenhiebe steckt. Am gewichtigsten hier die Tatsache, dass in einer Zeit, wo Terror unablässig als die universale Bedrohung dargestellt wird und damit die ebenso universale Entschuldigung darstellt, die Rechtfertigung von Terror und Gewalt in diesem Film – so strittig diese Frage sein mag – einfach so erfrischend anders ist.

Allerdings ist hier auch gleich mein größter Kritikpunkt am Film: So sehr er tatsächliche Verhältnisse angreift, man muss sich im Grunde schon dieser Missstände bewusst sein, um die Angriffe darauf zu bemerken. Das liegt daran, dass diese feinen Hiebe untergehen in einem Meer aus Horrorszenario, das meiner Ansicht nach völlig unrealistisch ist.

Der Schreckensherrscher redet sich warm. Alle Ähnlichkeiten mit tatsächlich in der Weltgeschichte existierenden Diktatoren sind rein zufällig.Eine unglaubliche Verkettung von unglücklichen Zufällen hat diesen Diktator an die Macht gebracht, dessen große Vorbilder im Leben Adolf Hitler und der Große Bruder gewesen zu sein scheinen. Und genau das ist unrealistisch, es braucht schon so eine aberwitzig unwahrscheinliche Verkettung von Zufällen, damit sich Geschichte so platt wiederholt. Die wahre Gefahr liegt doch in den Entwicklungen, die nicht eines jeden Alarmglocken anspringen lassen. Ich will nicht sagen, dass ein zweiter Hitler unmöglich sei und der Zulauf der NPD ist sicher völlig unabhängig davon ein Problem, aber Hitler II. muss unsere Hauptsorge nicht sein, dazu gibt es viel zu akute und reelle Gefahren. Diese aufzuzeigen würde etwas den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber ich habe ja in der Vergangenheit schon einiges angedeutet und sicher werde ich das auch in Zukunft noch tun. Aber kurz: Es sind viele Szenarien der Zersetzung der Demokratie denkbar und im schleichendsten davon stecken wir längst drin. Aber jetzt Schreckgespenster mit Seitenscheitel an die Wand zu malen, lenkt nur von diesen anderen Szenarien ab, die alle wahrscheinlicher sind als Mr. „Äch bin wieder da!”

Und nicht nur sind sie wahrscheinlicher, sie sind sogar schlimmer! Ein Tyrann, der sein Volk unterjocht, ist ein angenehm böses Feindbild wie aus dem Bilderbuch. Dagegen eine solch hübsch romantische Revolution anzuzetteln ist geradezu ein Kinderspiel im Vergleich zu einem im Kern fauligen System, das aber von allen als das beste aller möglichen akzeptiert wird. Wer hiergegen vorgeht ist eben nicht nur für die Regierung ein Terrorist sondern auch für die Bevölkerung. Kein Mensch wird mehr so blöd sein zu sagen: „Ich bin der Herrscher, ihr seid die Beherrschten. Ich scheiß auf euch, aber ich hab die Armee und ihr keine Chance.” So blöd war ja nichtmal Hitler. Die gefährlichsten Bösen sind die, die erfolgreich die Massen überzeugen können, dass sie die Guten sind. Da es den Leuten trotzdem schlecht geht, muss irgendwer der Sündenbock sein und wer wäre da geeigneter als die Leute, die gegen die Regierung opponieren? In so einem System wäre Vs wundervoller Plan leider kein bisschen zu gebrauchen gewesen.

Und das war dann Celluloid-only-Inhalt, der mir nicht so gefiel. Auch übertrieben wurde dieser Zelluloid-Aspekt in einer ganz seltsamen Schicksalsmystik, von der ich nicht erkennen konnte, das sie zum Funktionieren des Films in irgend einer Form notwendig war.

Aber von diesen Kritikpunkten unabhängig, hat mir der Film sehr gut gefallen und ihr solltet unbedingt versuchen, ihn noch auf einer großen Leinwand zu Gesicht zu bekommen.

26.5.06, 22:04 Uhr

Maria Antonia Josepha Johanna Kristina Dunst

Kirsten Dunst als Marie AntoinetteIch war heute in Marie Antoinette (hier ein Link über die historische Person; ich wollte den Link eigentlich eleganter auf ihren Namen legen und den Link zum Film auf „Verfilmung” setzen, aber das hätte so geklungen, als hätte ich mit Kirsten Dunst geschlafen oder so, also sprach doch einiges für diese Version), einer Hollywood-Verfilmung des Lebens der Frau Ludwig des XVI., die mit diesem zusammen während der Revolution hingerichtet wurde. Vielleicht ist es etwas gemein, euch jetzt schon von diesem Film zu erzählen. Denn in Deutschland läuft er laut Filmstarts.de erst am 4.1.2007 (!) an. Naja, auch elektronisches Papier ist ja geduldig.

Aber lohnt es überhaupt, so lange auf den Film hinzufiebern? Oder sollte man einfach den Verleiher lynchen und den Film dann trotzdem nicht gucken? Nun, diese Frage ist nicht klar zu beantworten. Wenn man auf das wieder modern gewordene Genre des Historienschinkens steht, wird man in diesen Film eh gehen. Und wahrscheinlich nicht enttäuscht werden. In sämtlichen Aspekten mindestens solide, lässt er sicher niemanden frustriert zurück. Anscheinend wurde allerdings versucht, das Genre etwas aufzupeppen, was sich vor allem in Form anachronistischer Musik manifestiert. Während man – solange es Musik zur Untermalung der Szenen bleibt – noch „Aha... interessanter Versuch” denkt, sind die rockigen Schlagzeugklänge als Musik des Maskenballs dann doch irgendwie nur noch albern, zumal die Gäste sich dazu in einer bizarren Kreuzung aus angebrachtem barocken Rumgehopse und modernem Individualtanz verhalten über die Tanzfläche moshen. Wenn das jetzt seltsam klingt, ist es nicht meine Schuld.

Was das Historische angeht kamen mir Anfang und Ende des Lebens Marie Antoinettes etwas zu kurz und auch die französische Revolution wird nur angerissen. Gut dargestellt wird allerdings die Persönlichkeitsentwicklung vom naiven Kind über das dekadente Kind bis hin zur Verantwortung übernehmenden Königin. Auch hier hätte man sich aber mehr Zeit lassen können. Immerhin reicht es aber dafür, dass man sich jederzeit gut in Marie Antoinette hineinversetzen kann. Egal ob sie gerade Torte an ihren Hund verfüttert oder sich aufrichtig aber halbherzig um ihr Volk sorgt – ihr Verhalten wird immer gut motiviert und der Wandel von ihren letztendlich klein erscheinenden Problemen am Hofe, die die weitaus meiste Zeit im Film in Anspruch nehmen, zum plötzlichen Sturz in die Realität ihres Landes stellt einen sehr interessanten Kontrast dar.

Die Kulissen und Kostüme lassen sich nur als beeindruckend beschreiben und Kirsten Dunst ist eine sehr gute Besetzung für die Rolle. Auch der mir noch nie bewusst über die Leinwand gelaufene Jason Schwartzman als selbst im Bett furchtbar unsicherer König macht seinen Job gut (wie die Figur allerdings jahrelang neben seiner hübschen Frau liegen und sie dabei andauernd nur von sich weisen konnte, wird leider nur unzureichend erklärt wie ich finde). Und irgendwer beim Casting hatte ein Auge für hübsche Hofdamen ;)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Film unterhaltsam ist, aber wahrscheinlich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen wird. Wer sich für die Zeit, die interessante Figur Marie Antoinettes oder für Geschichte allgemein interessiert, wird sich den Film trotzdem auf jeden Fall angucken wollen, alle anderen werden in der Hoffnung auf einen unterhaltsamen-aber-auch-nicht-mehr Abend nicht enttäuscht werden.

Nachtrag: Um Himmels Willen, jetzt hab ich doch glatt einen der wichtigsten Nervfaktoren vergessen: Die Sprache. Der Film ist wie gesagt aus den USA, also reden da alle Englisch. Das ist schonmal ziemlich blöd irgendwie, wo es ja in dem Film um Österreicher und Franzosen geht. Aber gut, ist halt übersetzt. Jetzt konnten sich die Verantwortlichen aber wohl nicht verkneifen, doch irgendwie noch Französisch reinzubringen, und zwar gerade das, was ein Durchschnittsamerikaner wahrscheinlich noch versteht. Also nicht viel. Oder das, was grade irgendwie nichts zur Sache tut. Oder was irgendwie mal so eingestreut ist. Also hat man hier ein „Merci”, da ein „À Paris!”, jede Menge „Madame” und „Monsieur”, dann noch ein bisschen französisches Kindergebrabbel, welches dann zu englischem Gebrabbel wird, als das Kind etwas älter ist (WTF?) und so weiter. Die meisten Franzosen hatten einen Akzent im Englischen, aber nicht alle und manche sogar in ihrem Französisch. Die Österreicher hatten keinen Akzent. Und Deutsch habe ich genau ein Mal gehört: „Guten Morgen!” Das hätte man sich irgendwie ganz verkneifen sollen, alles auf Englisch und ich wäre nicht dauernd irritiert gewesen, wo jetzt auf einmal die Fremdsprache herkommt. Oder noch besser hätte ich es gefunden, wenn man es wie bei L'Auberge Espagnole gemacht hätte: Jeder spricht einfach die Sprache, die er grade spricht und der Rest sind Untertitel. Das hätte ganz neue Freiheitsgrade eröffnet, was die anfänglichen Probleme Marie Antoinettes am Hof von Versaille angeht und in den Beziehungen der Figuren untereinander. Aber das ist wahrscheinlich nicht Hollywood-like. Denn bei Filmen aus Hollywood gibt es meiner Erfahrung nach fast durchgängig eine gewisse Höchstdauer an Untertitelung, die man den Leuten zumuten darf. Danach fangen die Russen oder Araber einfach unmotiviert an, Englisch zu sprechen oder irgendwer beschwert sich, dass des anderen Russisch/Arabisch zu schlecht ist und er doch lieber Englisch sprechen soll. Aber mich nervt sowas, entweder man verkneift es sich ganz oder – und das finde ich viiiiiiel besser – man lässt die Sprachen, wie sie sind. Untertitel müssen dann halt sein.

25.5.06, 23:28 Uhr

I can see clearly now!

The grain is gone... Ich weiß, ich bin spät dran mit der Erkenntnis, aber: Paris hat endlich einen Plan! Also bei Google Maps jetzt. Und der Hybrid-Modus ist ja sowas von geil! Ich will genau sowas auch für meine Augen! Außerdem ist wie schon angedeutet die Auflösung deutlich besser geworden. Zumindest habe ich glaube ich den Place Saint-Michel noch nie so detailliert gesehen... zumindest nicht von oben ;)

Und Bielefeld? Angeblich soll Deutschland ja auch hochauflösend sein jetzt. Tja, die Kartendaten sind da, aber die Auflösung nur teilweise. Aber vor allem diese Gewichtung! Siehe dieses Bild von Bielefeld hier. Linke Seite Pampa, rechte Seite Pixel. Kann mir jemand erklären, warum ich in Hoberge den Mäusen beim Pinkeln zugucken kann und Bielefeld selbst nur aus Lego besteht? Bestenfalls? Im Historischen Museum gibt es so einen riesiges Foto von Bielefeld zum Draufrumlatschen. Vielleicht sollte man mal anregen, dass die Stadt einen Scan davon an Google schickt ;)

23.5.06, 18:07 Uhr

Ach, was euch vielleicht interessiert...

Ich bemühe mich, die meisten meiner Fotos, für die das relevant ist, mit Bilderunterschriften zu versehen. „Was, wie, wo? Vielleicht mal ohne style="color:#FFFFFF;" probieren?” Nee, nee, die sind schon da, ich hab sie nur in den alt-Attributen der Bilder versteckt. Die werden laut offiziellem Internet-Explorer-Standard angezeigt, wenn man mit der Maus über das Bild fährt. Beim Firefox ham irgendwelche Leute beschlossen, dass das nicht die reine Lehre ist und man doch bitteschön die alt-Attribute für Informationen für Blinde benutzen soll und title-Attribute für solche Tooltips. Zum Glück kann man ihm diesen realitätsfernen Fundamentalismus austreiben, dessen einziger Daseinszweck zu sein scheint, mir unnötig mehr Arbeit zu machen. Also, Firefoxbenutzer sollten sich diese Extension installieren. Warum mir das so spät einfällt? Wahrscheinlich eine Mischung aus Easteregg-Idee, „Blinde sollen auch einen Vorteil haben, wenn ich die Tags schon trotzdem nicht nur für sie schreibe”-Ansatz und der mir eingebrannten Selbst-Schuld-Philosophie übertragen auf Leute, die ihren Rechner nicht perfektionsnah konfiguriert haben. Keine Ahnung. Zum Glück ist mir eben auf Nachfrage Steves hin aufgefallen, dass ich euch das vielleicht besser einfach mal mitteilen sollte.

Zu den Blinden (sicher, es kann bezweifelt werden, ob jemals ein solcher hier aufschlagen wird, aber je mehr Leute den Barrierefreiheits-Ansatz unterstützen, desto besser): Ich versuche immer einigermaßen, dass sowohl Blinde als auch Sehende etwas von diesen Alternativtexten haben, damit das alt-Attribut nicht einfach nur zweckentfremdet wird. Falls mir das nicht immer gelingen sollte, bitte ich um Entschuldigung und Hinweis.

So, und jetzt haben wahrscheinlich viele von euch etwas für regnerische Tage, an denen ich nicht bloggen sollte: Zurücklesen ;)

PS: Für die IE-Benutzer, die immer schon in den Genuss des alt-Attributs hätten kommen können, habe ich gestern immerhin die Anzeige mit dem neuen, grünen Turm in der Seitenleiste repariert. Also... sollte. Danke an Jan für den Hinweis. Die PNG-Transparenz tut beim IE anscheinend immer noch komische Sachen, aber das ist denn nur wirklich persönliches Pech. Der Browser ist eh kagge.

PPS: Ich habe keine Ahnung, wie sich Opera, Konqueror, Safari und andere Browser verhalten. Könnt ihr ja vielleicht mal mitteilen oder sogar Hinweise auf ähnliche Funktionserweiterungen geben, falls das IE-Verhalten nicht eh schon gegeben ist.

Die Parade Solidarité SIDA

Ich kann nicht behaupten zu 100% verstanden zu haben, was die Aktion jetzt AIDS-Kranken gebracht hat. Die Künstler haben häufiger AIDS erwähnt und beschimpft und es wurde allerorten gefordert, dass alle Menschen Medikamente kriegen, auch die, die sie sich momentan nicht leisten können. Aber es ging kein Klingelbeutel rum. Wahrscheinlich musste man das ganze eher als Demo verstehen.Woah, diese Stadt ist einfach zu geil! Ich habe letzte Woche ein unscheinbares Riesenplakat in der Métro gesehen, wo eine AIDS-Veranstaltung angekündigt wurde. Es ist uns nicht egal hieß das Ding und hat vor allem deshalb meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil das Kommen von ein paar Musikern angekündigt wurde, die mir etwas sagten. Und das will ja schon ein bisschen was heißen, weil ich mich ja so dicke nicht grade auskenne hier. Die Namen, die ich kannte, waren Debout sur le zinc (von hier), Les Wampas (von meinem Onkel), Saïan Supa Crew (noch aus Deutschland, von Simon, bekannte Beatboxer) und Têtes Raides (auch von meinem Onkel). Also hab ich beschlossen, da mal vorbeizuschauen. Ich hab dann noch Florian gefragt, und zu meiner Freude hatte der auch Lust. Heute war das denn, Flo hatte aber noch keine Zeit als das losging. Boh Scheiße, das Foto war gefährlich. Da ging's tiiieef runter. Aber ich hab's überlebt. Das... avantgardistische Gebäude ist die neue Oper.Also bin ich schonmal vor, sollte am Place de la Bastille anfangen. Da wird man sich schon irgendwie finden ;)

Bushaltestellen und Toilettenhäuschen waren fast überall von Tanzenden, Fotografen oder einfach nur so Leuten bevölkert.Die Métro war voll, aber es ging noch, allerdings ist mir da schon aufgefallen, dass der Altersdurchschnitt irgendwie deutlich unter meinem Lebensalter lag. Blödes Gefühl. Dann hat es eine Ewigkeit gedauert, es bis zum Ausgang der Métro zu schaffen denn da wurd's dann plötzlich richtig voll. Und der Place de la Bastille war auch ein Anblick!

Normalerweise fahren hier viele Autos und es sind viele Touristen unterwegs, wenn man das beim Betrachten dieser Bilder 'viel' nennen kann. Touristen hatten's an diesem Tag echt schwer in Paris, überall kamen ihnen Menschenmassen entgegen. Frage mich, ob ihnen jemand erklärt hat, was da abging oder ob die sich gefragt haben, ob das in Paris normal ist ;)

Einer von vielen Freaks. Er hing die ganze Zeit an dieser Ampel und hat so gut es ging zur Musik getanzt.Die riesige Masse von Menschen war ein Anblick, aber vor allem auch die ganzen Spezis, die rumrannten :)

Im Hintergrund sieht man den Eingang zur neuen Oper. Ich sag ja, ich stand gut ;)Ich hab dann sogar noch nen richtig guten Platz gefunden, quasi am Eingang zum Platz, wo die ganzen Wagen ankamen, direkt vor der Oper und direkt auf der Straße in der ersten Reihe. Es gab zehn Wagen und die 40 Bands verteilten sich zeitlich und räumlich darauf. Die ersten zwei oder drei Wagen hab ich verpasst, aber die anderen haben mich musikalisch sofort überzeugt. Damit ihr euch vielleicht ein bisschen besser vorstellen könnt, wie das so aussah: Es gingen immer ein paar Ordner mit Seilen vor den Wagen her, dann kam ein Auto, dann der Wagen selbst und dahinter eine Menge Fans. Hier sieht man die einen der Wagen, wie er sich durch die Menge kämpft.Die Wagen waren eben fahrende Bühnen mit riesigen Stahlaufbauten, wo unter anderem die ansehnlichen Boxen untergebracht waren. Mischpulte und Verstärker mussten neben den Musikern und deren Instrumenten auch noch auf den Wagen, alles in allem eine beachtenswerte Leistung, das da so unterzubringen. Wenn ihr euch das noch immer nicht so ganz vorstellen könnt, dann guckst du hier.

Die Musik war sehr divers, aber durchweg gut und die Stimmung bei den Hörern folgerichtigerweise ebenso.

Die Säule auf dem Place de la Bastille wird wohl gerne von Leuten bestiegen. Naja, zumindest das Fundament. Feuerspucker waren auch wieder am Werk.Wieder einmal habe ich bereut, meinen H320 immer noch nur auf der Wunschliste zu haben, so musste ich mit kleinen Filmchen in meiner Kamera kompensieren (*kompensier* *kompensier*), was ich mangels iriver nicht in richtig aufnehmen konnte.

Ich stand wie gesagt auf der Straße, was normalerweise kein Problem war, da die Wagen nicht so breit waren, selbst mit den sie umgebenden „Seilschaften” nicht. Nur die letzten beiden Wagen waren ein Problem, was daran lag, dass sie von dermaßen vielen Leuten umlagert waren, dass diese nicht nur dahinter hergelaufen sind sondern auch nebenher. Bei Wagen 9, der Hip Hop gespielt hat, wurde ich schon arg an den Rand gedrängt, aber Wagen 10 war der Hardrockwagen und das war eine einzige Meute. Ein kleines Video illustriert ganz gut, wie ich da von den Anrückenden überrannt und an die Absperrung gedrängt wurde. War übrigens das erste Mal, dass ich Leute gesehen habe, die im Gehen gepogt haben. Punkrock macht mobil.

Viele Leuten haben es sich einfach am Rand der Strecke bequem gemacht. Man achte bei dem Kind auf den Mund :)Nachdem dieser letzte Wagen weg war, hab ich mich hinterher gemacht und mich mit ihnen durch die kleinen (oder klein wirkenden) Straßen geschlagen, denn der Umzug hat sich auf den ganzen weiten Weg bis zu den Esplanades des Invalides begeben. Eine der Kunstkühe ist hier in der Menschenmenge versteckt. Wer sie zuerst entdeckt... darf sich freuen.Das Hauptproblem jetzt lässt sich als Textaufgabe formulieren: Hans hat 10 Wagen mit Musik und stellt 1 Person dar. Wie verteilt man Hans am besten auf die 10 Wagen, damit er alle Musik zu hören kriegt?

Die bunten Pünktchen im Hintergrund sind Menschen auf der Pont NeufVerschärft wurde dieses Problem noch dadurch, dass vor allem direkt bei den Wagen einfach kein Durchkommen war. Ein furchtbares Gedrängel. Und mitten in diesem Gedrängel und vor allem direkt neben den Boxen ruft mich Florian an. Es war nicht das Problem, dass der eine den jeweils anderen nicht verstanden hätte. Er hat einfach nicht gehört, dass der andere überhaupt redet.

Ich hatte beim Warten viel Zeit für Fotos.Wir haben es dann per SMS geschafft, uns am Place du Châtelet zu treffen. Das war auch knapp genug, wie ich hinterher erfahren habe, weil Florians Akku kurz vor dem Exitus stand. Er konnte ihn noch einmal wiederbeleben, um meine SMS zu empfangen, wo er hin soll und dann war endgültig Feierabend. Zum Glück hatte ich nicht großartig auf Diskussion gesetzt.

Wir haben dann erstmal die nächsten Ailes d'Or angesteuert, mit Blick auf die Parade, und haben uns dann fröhlich ziellos durch die Menge geschlagen. Der mutmaßliche Wampas-Sänger in seinem heißen Leopardenoutfit.Dabei sind wir auf eine Band gestoßen, die glaub ich die Wampas waren und deren Sänger die absolut krankeste Performance abgezogen hat, die ich je gesehen habe. Aber geil :) Allein sein Outfit war schon zum Fürchten. Hier ist er ganz oben auf den Wagen geklettert.Dann ist er an dem Gerüst des Bühnenwagens rumgekraxelt, das war schon wenig heilig und hat oben auch noch halbe Striptease gemacht. Zum Glück hat er es beim Ausziehen der Jacke und des Gürtels belassen, die Hose blieb an. Die Pont Neuf. Hier sind uns besonders viele Touristen entgegen gekommen. Und dabei kam man eh schon nicht durch. Aber naja, die haben ja auch ein Recht auf Paris :)Auf der Pont Neuf war er wieder unten und hat sich dann durch die Menge stagediven lassen. Dabei kam ein Krankenwagen an, der sich langsam durch die Massen gekämpft hat und was macht er? Er lässt sich auf das Dach des Krankenwagens treiben und performt von da weiter. Ein paar von den Zuschauern haben den Krankenwagen einfach nur benutzt, um endlich mal etwas vonran zu kommen und sind auf die Stoßstange oder auch gleich aufs Dach gesprungen. Also es war auf jeden Fall ordentlich was los und dabei gehören die Wampas wohl nicht gerade zu den jüngeren Semestern. Das hat man dem Publikum aber kaum angesehen und der Show auch nicht.

Über die Pont Neuf drüberzukommen, war nicht selbstverständlich weil sie schmaler war als die Straßen vorher, aber da es etwas zu tröpfeln anfing, war das eigentlich gar nicht so schlecht, da wurde man nicht so nass. Das Institut de France. Man stelle sich diese ganzen Menschen auf dem Fleck zwischen den Säulen vor.Wir sind dann weiter bis zum Institut de France, das ist dieses Gebäude an der Seine, das sich um den halbkreisförmigen Platz vor sich schmiegt (zugegeben, wer noch nie da war, dem hilft das jetzt auch nichts). Auf der Brücke davor haben wir uns kurz auf eine Bank gesetzt, aber wirklich nur kurz, weil das Tröpfeln, das kurz nachgelassen hatte, da wieder stärker wurde. Ich weiß nicht wohin, aber da hatte es jemand verständlicherweise eilig.„Oh, jetzt fängt es wohl richtig an. Wohin?” meinte Florian. „In die Menge.” erwiderte ich noch, aber im selben Moment stob die besagte Menge auseinander als hätte jemand Tränengas geworfen und alle rannten wie der Teufel unter das winzige Vordächelchen des Institut de France, um sich vor dem Inferno, das gerade vom Himmel zu fallen begonnen hatte, zu schützen.

Nichtmal richtig Fotos machen konnte man, so nass war das überall. Einen Fotografen hab ich gesehen, der seine Spiegelreflex mit Riesenobjektiv ohne Regenschutz gemütlich durch den Wolkenbruch getragen hat. Vielleicht zahlt sein Arbeitgeber das Equipment.Gut, alle ist übertrieben, es gab tatsächlich verhältnismäßig viele, denen die Sintflut einfach mal nichts ausmachte und die dann halt im Regen weitergetanzt haben. Wir gehörten aber nicht zu dieser Gruppe der Hartgesottenen und so standen wir dicht gedrängt mit den zahlreichen anderen Weicheiern unter dem kleinen Sims und warteten darauf, dass der Regen aufhörte.

Das hat zwar ziemlich gedauert, sodass wieder die ganzen Wagen an uns vorbei sind, die wir vorher mühsam überholt hatten, aber beim letzten Wagen haben wir uns dann einfach dazu durchgerissen, doch hinterher zu tapern. Da spielte grade eine Band der etwas düstereren Sorte. Ihr wisst schon, wo der Sänger immer klingt wie Satan: „IN DEN STAUB!” Also dieser Hammer-Bass in der Stimme und immer am schreien und so, ich hoffe, ihr könnt es euch vorstellen. Sonst versteht ihr nämlich nicht, warum wir uns so wegschmeißen mussten, als der Sänger nach einem Lied das Publikum anfeuernd fragte: „ÇAAA VA BIIIIIIIEEEEEEEEN?!” Oder nein, ich sollte besser sagen: 'Ça va bien?!' in Frakturschrift. Idee von Asterix und die Goten geklaut ;)

Was soll man dazu noch sagen? Wie gesagt, wir haben uns bald bepisst :) Bald darauf hat uns auch der Himmel wieder ordentlich bepisst, sodass wir diesmal im Eingang eines Hotels Zuflucht gesucht haben.

Ich könnt jetzt was Kitschiges zum Regenbogen sagen, aber ich spar's mir.Irgendwann riss dann aber glücklicherweise doch der Himmel auf und es hat sogar richtig Sonne geschienen. Diesen Hunden sieht man irgendwie schon an, dass sie gleich etwas Dummes tun.Wir wollten uns das Gedränge aber nicht nochmal antun und haben über die andere Seineseite überholt. Dort haben wir am Ufer zwei Hunde gesehen, die sich sehr für einen im Wasser treibenden Ball interessiert haben. Zu spät. Als die Besitzer kommen, ist der Hund schon weit draußen. Wobei er noch viel weiter draußener sein wird, weil ihm der Ball immer abhaut.Das haben auch die Herrchen gesehen, die unheimlich eilig angeflitzt kamen, leider nicht mehr rechtzeitig, um den einen Hund am Reinspringen zu hindern. Der hat dann versucht, den Ball in die Schnauze zu nehmen, was aber bei einem ausgewachsenen Fußball oder etwas in der Größe... schwierig war. Dafür jagte er dem Ball immer weiter vom Ufer weg nach und ich hab ihn schon in der Schraube eines Bateau-mouche gesehen, aber zum Glück hat er dann doch irgendwann abgelassen vom Ball und ist zum Ufer zurückgeschwommen, wo er dann mit Herrchens Hilfe (aber auch nur mit der oder: Warum es einen Evolutionsdruck auf die Entwicklung eines größeren Gehirns gab) wieder zurück an Land kam.

Der letzte Wagen, den wir nach unserer Rückkehr auf die Rive gauche begleitet haben, war einer, der eher traditionell französische Musik gespielt hat. Ich fand das gut, Florians Fall war es wohl eher nicht so. Ich aber fand es unbeschreiblich, mit dieser Musik auf die Esplanades des Invalides einzubiegen, dieses weite Feld vor sich zu haben mit Blick auf Eiffelturm, Invalidendom, Grand Palais und Pont Alexandre III... göttlich :)

Florian auf unserem Beobachtungsposten. Ja, der war noch etwas nass, aber das war dann auch irgendwie egal. War trotzdem unbeschreiblich toll da! :)Und wo man sonst vor Autos Reißaus nehmen muss, war jetzt alles voll mit feiernden Leuten und nach und nach trafen die ganzen Wagen ein und die Bands spielten dabei ihr Abschiedsstück. Wir haben uns auf das Geländer vor dem Air-France-Gebäube gesetzt, ruhig den Tag ausklingen lassen und dabei all das noch auf uns wirken lassen:

Der ständige Wechsel von schlechtem und gutem Wetter hatte ein Gutes: Regenbögen.Da waren überall Leute, die diese Dinger rumgewirbelt haben, sogar passend zur Musik, jongliert oder sich sonstwie artistisch betätigt haben. Hat toll zur Atmosphäre beigetragen.Mann, war der breit. Aber wir haben uns köstlich amüsiert, ihm zuzugucken.Die Moves müsste man eigentlich mal für den nächsten bescheuerten Sommer-Macarena-Tanz nehmen ;)Plötzlich kam diese Gruppe von Jungs an und hat sich simultan ins Gras geschmissen. Spaß für ne Mark :)Ein kleines Mädel und ich vermute mal ihre Schwester. Die beiden haben echt toll getanzt, hat Spaß gemacht, zuzugucken. Die Kleine hat nachher auch noch diese Wirbeldinger geschwungen wie so viele andere da. Wow.