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Frog Blog

28.7.06, 16:46 Uhr

Gehen Sie ins Gefängnis. Begeben Sie sich direkt dort hin. Gehen Sie nicht über Los. Zahlen Sie keine Verwarnungsstrafe.

Was schon in Monopoly nicht lustig ist, dürfte im echten Leben auf wenig Verständnis stoßen: Gefängnis für einen kleinen Fehltritt.Nachdem das Urheberrechtsgesetz ja im Rahmen der DADVSI genannten Gesetzesinitiative hier in Frankreich schon von der Regierung zu einem Musikindustrie-Lobbygesetz mit wenigen Alibi-Verbraucherrechts-Punkten hin verunstaltet wurde, kommt es jetzt Dank des Verfassungsrates richtig dicke. Der streicht nämlich auch gleich die Alibipunkte und lässt nur noch Kundenrechtswüste zurück. Hoffen wir, dass dieser Kommentator im Heiseforum recht behält, der schreibt, dass das Gesetz in dieser Form völlig praxisuntauglich sei und somit den Weg zur licence globale nur beschleunigen würde. Diesen verstärkten Druck auf eine Entscheidung zwischen entweder und oder sieht auch der sozialistische Abgeordnete Christian Paul: „Dies zeigt, dass es nie einen dritten Weg gab zwischen Legalisierung und Bestrafung”, sagte er gegenüber Ratiatum (via PC INpact). „Die Downloads werden weitergehen; ohne Entlohnung für die Rechteinhaber”, fügte das Mitglied der Nationalversammlung noch bedauernd hinzu.

Pirates ye be warned! Der zweite Teil des Karibikklassikers ist in Frankreich noch nicht angelaufen, da wimmeln die Straßen schon von echten Piraten. Und die haben nichts anderes als einen kurzen Prozess verdient.Auch das Blog Groupe Reflect (via TF1) begrüßt diese Klarstellung als Basis für eine künftige verbraucherfreundliche Gesetzgebung: „Im Grunde genommen hat der Verfassungsrat nur endlich seinen Job gemacht, soll heißen den um Kritikpunkte herummäandernden Gesetzestext wieder geradegezogen. Schluss mit den Basteleien, um die Fehler des Entwurfes abzuschwächen ohne einen Neubeginn zu wagen, Schluss mit einem DADVSI light, willkommen in Nötigung und Zwang gegenüber den Nutzern digitaler Medien, der technischen Innovation und der gesamten Softwarewelt. [...] Jetzt heißt es die Erklärungen des Kultusministers abzuwarten, was er zu tun gedenkt (meiner Meinung nach nichts) und vor allem sehen wir uns bei den Diskussionen im Vorfeld der kommenden Präsidentschaftswahlen, wo sich eine breite gesellschaftliche Debatte entwickeln wird.” (Übersetzung von mir mit zum erheblichen Umformulierungen, um den Sinn zu erhalten.)

Der Figaro hegt ebenfalls „keinen Zweifel, dass dieses Thema in den anstehenden Präsidentschaftswahlkampf getragen werden wird”, um dort für die Stimmen der jungen Wähler zu sorgen, da diese an ein kostenloses Netz gewöhnt seien. Hoffen wir mal, dass das ungeachtet des Ausgangs dieser Wahlen zu einer Abschwächung der laut Audionautes „härtesten Bestimmungen weltweit” führt. Und wer weiß, vielleicht ist dann ja auch die Licence globale doch noch nicht ganz vom Tisch.

Allerdings wird das Gesetz nun erst einmal direkt im französischen Journal officiel veröffentlicht und ist damit bis auf weiteres in dieser zurechtgestutzten Form rechtskräftig, ohne weitere Runde durchs Parlament. Und die Präsidentschaftswahlen, auf die so gehofft wird, sind auch erst im Mai 2007. Mal sehen, was das bis dahin gibt.

PS: Überschrift raubkopiert von New Dimension FR.

27.7.06, 00:04 Uhr

Unwetter

Was ein Jammer, dass ich keine Fotos machen kann, aber das käme wahrscheinlich eh nicht rüber. Hier hat eben ein Unwetter getobt, das ich so noch nicht erlebt habe. Angefangen hat es mit einem pechschwarzen Himmel, dann kam Wind auf, der so stark war, dass er nicht nur alles mitgerissen hat, was nicht festgewachsen war, sondern auch eine Staubwolke vom Parkplatz vor meinem Fenster aufgewirbelt hat, die immer größer wurde, mir bald die Sicht aufs Nachbarhaus getrübt hat und schließlich biss ich auf Sand. Ich wohne in der vierten Etage! Danach kamen noch tolle Blitze und endlich Regen. Die Temperatur ist innerhalb von 10 Minuten um 5 Grad gefallen. Jetzt hat sich nach über 10 Grad Temperatursturz alles wieder etwas beruhigt. Meine Oma und ich, wir haben uns das tolle Schauspiel vom Küchenfenster aus angeguckt und ich stöpsele jetzt mal meinen Laptop wieder an den Strom.

26.7.06, 23:43 Uhr

Paris Plage und Techsupport

Ein spielendes Kind unter einem Brumisateur. Das Foto habe ich durch Zufall gefunden, nachdem ich mich kurz vorher darüber geärgert habe, dass es keine CC-Bilder zu Paris Plage auf flickr gab. Just-in-time-Uploading quasi. Vielen Dank an Olivier Daaram, der in seinem Stream noch viele weitere Bilder zu Paris Plage hat.
Bild von Olivier Daaram, unter Creative Commons
Ich war heute einen ersten Blick auf Paris Plage werfen. Das klingt zwar mit Absicht wie ein Urlaubsort am Meer namens Paris, ist aber eine relativ neue regelmäßige Sommerveranstaltung der Stadt Paris, wo für einen Monat ein Seineufer für Autos gesperrt wird und Fußgängern geöffnet wird. Gleichzeitig werden Palmen, Grünflächen, Sandstreifen, Brumisateurs (Zerstäuber) und sogar ein Schwimmbad aufgebaut. Gerade die Brumisateurs sind sehr geil. Ich kann zwar nicht direkt darunter hüpfen, aber auch in der Umgebung ist es angenehm kühl und außerdem macht es Spaß, den Leuten beim Erfrischen zuzugucken und den Kindern beim Spielen. Die haben die Erfrischung anscheinend irgendwie nicht so nötig, weil sie an anderer Stelle wie die Irren auf Trampolinen rumgehüpft sind. Bei über 30 Grad und dann standen die noch in praller Sonne. Ich konnte ja von all dem keine Fotos schießen, weswegen ich danach zur Fnac aufgebrochen bin.

Ich hatte nämlich den „Nikon Support” (sic) so verstanden, dass ich die Kamera einfach bei einem zertifizierten Nikonhändler abgeben kann, damit das bekannte Problem mit unter anderem meinem Kameramodell dann repariert wird. Nach einer Warteschlangenodyssee über mehrere Schalter habe ich dann aber rausgefunden, dass die Fnac das sehr wohl reparieren kann, aber nur für einhundertirgendwas Euro. Ja, klar, träumt weiter. Also finde ich jetzt raus, wo ich das Ding abgeben kann oder muss es mal wieder selber auf Reisen schicken.

Apropos teuer, ich wollte in der Fnac dann noch den Tsotsi-Soundtrack kaufen, aber der kostete da wie auch schon bei Amazon angezeigt 20 Euro. Haha, guter Witz. Ich hätte die Hälfte noch überteuert gefunden. Irgendwo gehen da gewisse Vorstellungen auseinander. Ich will jetzt auch nicht behaupten, dass die 15 Euro, die die CD zuviel kostet, komplett in Lobbyarbeit gegen Raubkopierer gehen, aber ich kann mir auch schlecht vorstellen, dass das alles in die Suche und Förderung von Nachwuchskünstlern geht. Dann käme bessere Musik im Radio!

Ich hab dann durch einen wundervollen Zufall direkt daneben den Soundtrack zu den Kindern des Monsieur Mathieu gefunden, den ich eh noch auf meiner Liste der zu besorgenden Musik hatte, was ich in dem Moment aber nicht mehr von mir aus gewusst hätte. Sechs Euro und ein paar Zerquetschte. War gekauft :)

PS: Man sagt ja, dass man sich irgendwie beschränken soll, um bessere Fotos zu machen. Zum Beispiel nur eine Brennweite verwenden anstatt dauernd zu zoomen. Seit heute habe ich solche Einschränkungen: 28mm, Hyperfokaldistanz, f10, 1/125 s, ISO 100, 36 Bilder. Es müssen Meisterwerke werden ;)

Le Tour

Trotz allem habe ich euch ja noch den Bericht von der Tour de France versprochen. Nachdem ja meine Hoffnungen enttäuscht wurden, die Tour würde hier direkt um die Ecke vorbeizischen, habe ich mir mit meiner Oma den Start im Fernsehen angeguckt, wo man einen wunderschönen Helikopterblick auf den Parc de Sceaux hatte. Nachdem die Fahrer dann in Gefilde gestrampelt sind, die uns beiden nichts mehr sagten, habe ich mich in die Métro gesetzt und bin zu den Champs-Élysées gefahren. Als ich da wieder an die Oberfläche kam, war die Hölle los. Ich war genau da rausgekommen, wo die Tribünen aufgebaut waren, die die Sicht auf Ziellinie und Podium nur für Auserwählte möglich machen. Zu diesen Auserwählten gehörte ich ja auch einmal, in dem Jahr, in dem Jan Ullrich gewonnen hat.

Dieses Mal musste ich mich aber mit den anderen durch die Menge kämpfen. Schon etliche Wagen der Werbekarawane hatten sich zwischen Grand und Petit Palais aufgebaut und erzeugten eine Volksfestatmosphäre, sodass die Menge, durch die ich musste, ziemlich anstrengend wurde. Ich bin dann erstmal hinter den Tribünen lang, weil ich den Champs-Élysées einfach so lange folgen wollte, bis ich ein guter Platz an mir vorbei käme. Blöderweise war dann aber am anderen Ende der Tribünen alles gesperrt, sodass ich den Weg komplett wieder zurück latschen durfte und dann bis zur Seine runter musste, um an dessen Ufer weiter in Richtung Place de la Concorde zu kommen. Ich hab dann aber nicht die erstbeste Gelegenheit ausgenutzt, mich an diesem Platz aufzubauen, sondern wollte gucken, ob der Jardin des Tuileries, der sich im Inneren des Rundkurses befindet, gesperrt war oder nicht. Ich bin also der Seine weiter gefolgt bis zur Passerelle Solférino, wo es einen Durchgang unter der Straße durch in den Tuileriengarten gibt. Der Garten ist umgeben von erhöhten Promenaden, sodass man dort einen tollen Blick in angenehmer Umgebung auf die achtmalige Umrundung haben würde. Und zu meiner großen Freude waren dort zwar viele Menschen, aber ich konnte mich noch bequem mit in die erste Reihe quetschen.

Dabei habe ich mich nett mit einer Amerikanerin neben mir unterhalten, die ukrainische Eltern hatte, in Deutschland geboren war und dort bis sie acht war gelebt hat und nun in New York City wohnt. Leider konnte sie kein Deutsch mehr, nur noch ein bisschen Ukrainisch, sodass ich wieder mal gezwungen war, festzustellen, wie schlecht mein Englisch geworden ist hier. Sie meinte zwar, es wäre doch sehr gut, but I begged to differ, zumal im Vergleich mit vorher. Sie hat jedoch gemeint, das Vorurteil, dass Amerikaner keine Sprachen sprechen, träfe voll und ganz zu und sie würde ja auch nur Ukrainisch sprechen, weil ihre Eltern sich weiter zuhause mit ihr darauf unterhalten haben. Außerdem meinte sie, die Franzosen würden inzwischen richtig gutes Englisch sprechen, kein Vergleich mit noch vor einigen Jahren.

Wir mussten noch eine Weile warten bis die Fahrer endlich kamen, wobei sie wohl schon vier Stunden länger da stand, weil ihre Bekannten meinten, das währe notwendig. Naja, immerhin hatten sie sich so noch ein paar Stühle ergattern können, die in Pariser Gärten ja häufiger mal zur freien Benutzung herumstehen.

Und dann kamen sie angerast, noch alle in einem Feld und ziemlich viele, sodass sie nicht so schnell wieder vorbei waren, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich hab natürlich nicht vergessen, auch ein paar Fotos zu machen und tatataaa! Hier die Herausforderung an eure Mustererkennung. Wer zuerst die Radfahrer entdeckt, kann sich ganz doll freuen:

Wie Marcel so schön sagte: „Andere Leute bezahlen viel Geld für solche Effekte!” Das musste ich also doch ausnutzen. Das Problem ist nur, die Fahrradfahrer zu finden auf diesem Bild.
Es passierte dann noch einiges, eine kleine Gruppe setzte sich ab und wurde wieder eingeholt, aber wahrscheinlich wissen das diejenigen, die die Tour im Fernsehen verfolgt haben, besser als ich, denn da ich mir kein teures Augmented-Reality-System leisten konnte, das kleine Pfeile über die Fahrer einblendet, war ich zwar nah dran, aber schlecht informiert. Wo ich aus der Métro gestiegen war, stand zwar eine große Leinwand, aber ich war ja schließlich nicht extra hergekommen, um die Tour dann doch im Fernsehen zu gucken. Ich weiß jedoch nicht, ob die armen Schweine im Fernsehen gezeigt wurden, die den Anschluss ans Peleton verloren haben und das so kurz vor dem Ziel. Aber sie wurden trotzdem kräftig angefeuert von allen Zuschauern, das war ganz schön. Die Amerikanerin hat sich dann mit ihren Freunden auf den Weg gemacht, bevor noch alle Umrundungen abgeschlossen waren. Ich hatte dann immerhin wieder ein bisschen Platz, nachdem sich vorher so ein Arschloch ohne zu fragen einfach neben mich in die nicht vorhandene Lücke gedrängt hat, sodass ich meinen linken Arm auf dem ebensowenig vorhandenen Teil des Absperrgitters ablegen durfte. Da ich leider weder an Hauswände pinkele, noch Leuten ins Gesicht sage: „Ich war zuerst hier, du störst, verpiss dich!”, um mein Revier zu markieren und der Typ absolut resistent war gegen jede subtilere Art, ihm zu vermitteln, dass er unerwünscht ist, musste ich halt unbequemer stehen. Andere waren auch dreist indem sie immer laut schrien, wenn ein Polizist eine weggeworfene Wasserflasche eines Fahrers aufsammelte, waren ein paar Leute etwas weiter von mir entfernt, die aber keine einzige Flasche gekriegt haben. Die Polizisten haben die immer kleinen Kindern oder jungen Frauen gegeben, was mit Applaus vom Publikum quittiert wurde. Ich hab zuhause noch eine Mütze von einem Tour-de-France-Fahrer. Die ist auch wenigstens nur durchgeschwitzt und nicht angelüllert ;)

25.7.06, 19:54 Uhr

Anekdote aus dem Supermarkt

Mmmmmh! Ein Schokoladentörtchen mit Schokoladencrème obendrauf. Lecker! :q
Bild von chotda, unter Creative Commons
Ich war grade Wassernachschub kaufen und muss euch von dem sympathischen Mann mit Verhaltensauffälligkeiten erzählen, der mich im Supermarkt an der Kasse angesprochen hat. Zunächst hat er sich nur darüber ausgelassen, dass die doch mal ne neue Kasse aufmachen sollten, aber als ich dann nochmal kurz zum Kühlregal gesprungen bin, um eine Packung Schokoladeneis zu holen, fragte er interessiert: „Oh, ist das gut, das Schokoladeneis? Ich kenn nur das Pistazieneis, das ist sehr lecker.” Ich sagte dann, dass das Schokoladeneis in der Tat auch sehr gut wäre, woraufhin er meinte: „Jaaa, Schokolade ist generell sehr lecker. Ich liebe Schokolade. Früher habe ich immer hier vorne die Tafeln gekauft. Mindestens zwei Euro pro Tag hab ich für Schokolade ausgegeben! Aber ich habe davon Pickel gekriegt, hier an der Hand bis hier rauf, das war wirklich unangenehm... Aber... aufgehört habe ich letztendlich nicht wegen der Hände sondern wegen der Zähne! Von einem Tag auf den anderen waren die voller Löcher!” Ohje, das muss hart gewesen sein, wo er doch Schokolade so mochte. Und beim Rausgehen meinte er dann schließlich noch: „Lassen Sie sich das Eis schmecken... Aber passen Sie auf sich auf!” Ich habe mich bedankt und musste ziemlich grinsen :)

24.7.06, 23:22 Uhr

Der Anruf von dem ich hoffte, er würde nie kommen.

Ich habe es hier angefangen zu erzählen, deswegen hier auch das Ende wie es nicht hätte sein sollen: Mein Cousin ist heute an den Folgen seiner schweren Verbrennungen gestorben. Ich kann es noch immer nicht ganz begreifen. Verdammte Rüstungsfirma, töten nicht nur im Libanon sondern auch meine Familie. Von grundsätzlichen Empfindungen Waffen gegenüber abgesehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass da nicht jemand seine Pflicht zur Aufklärung über die Gefährlichkeit der Stoffe verletzt hat. Aber das wird die Polizei klären und Frédéric bringt auch keine Gefängnisstrafe mehr zurück. So eine Scheiße.

23.7.06, 01:15 Uhr

The Cradle of Humanity

Hauptfigur Tsotsi am Anfang des Films.Endlich kam hier auch Tsotsi in die Kinos, nachdem schon bevor er den Oscar gewann der Trailer gezeigt wurde. Nicht nett das. Jetzt aber konnte ich ihn mir endlich legal angucken und meine lange Vorfreude wurde nicht enttäuscht. Wobei der Film mit Freude eigentlich nur am Rande zu tun hat, er ist zunächst einmal ziemlich schwer verdaulich. Aber es lohnt sich trotzdem.

Dieses Bild bitte großklicken. Tsotsi mit seiner Gang vor seiner rostigen Wellblechhütte, die auf dem Dach eines anderen Hauses gebaut ist und im Hintergrund der Blick über den riesigen Slum. Und dabei wunderschön.Zunächst einmal liebe ich es, wenn ein Film von hässlichen Dingen schöne Bilder zeigt. Und das ist hier absolut gegeben, durch die Ästhetik der Bilder sind die Lebensumstände eindrücklicher als durch jede Kinder-in-Afrika-Doku. Untermalt wird das ganze durch einen tollen Soundtrack (Kostprobe) bestehend aus Kwaito und anderer südafrikanischer Musik. Ein schönes lokales Flair kommt aber vor allem auch durch die Sprache auf. Der Film ist durchgehend untertitelt (ich hoffe auch in Deutschland) und gesprochen werden die Sprachen Afrikaans, Englisch und vor allem Tsotsitaal, dem bizarr zusammengemischten südafrikanischen Straßenslang.

Tsotsi später im Film. Auch als jemand, der den Film nicht gesehen hat, dürfte man schon auf den ersten Blick den Sympathiegewinn erkennen.Wenn man die Geschichte über das Zusammentreffen eines skrupellosen Gangsters und eines kleinen Babys für kitschig hält, kann ich das sogar verstehen. Meine persönliche Kitsch-Schwelle ist jedoch niemals überschritten worden, ich fand die Entwicklung der Charaktere gut motiviert und nachvollziehbar und das Ende weder zu sehr Hollywood noch war es platte E-Kultur-Dramatik auf Protagonist schieß tot. Eine schöne Geschichte vor einem packenden Hintergrund hervorragend umgesetzt... was will man mehr?

22.7.06, 11:52 Uhr

Ah, wat ne Scheiße, nee!

Boh Mann, ich bin ja so sauer! Ich war gestern im Parc départemental de l'Île Saint-Germain (weiß nicht, ob der auch nen benutzbaren Namen hat), was wirklich ein netter Park ist (auf einer Seine-Insel gelegen), aber ich konnte ihn nicht genießen, weil ich bei den obligatorischen Fotos nur Mist herausbekam. Und damit meine ich nicht Mist im üblichen Sinne, dass ich einfach kein guter Photograph bin, sondern Mist im Sinne von... seht selbst:

Hier sollte unter anderem ein Baum erkennbar sein, aber stattdessen sieht man nur einen vertikalen, vielfarbigen Schmier.
Das ist echt grandios. Sieht so aus, als dürfte ich meine Kamera wieder auf Reisen schicken. Hab ich ja auch so Lust zu. Und morgen ist die Tour de France in Paris. Da hätte ich wahrscheinlich eh keine guten Fotos gemacht, weil die viel zu schnell sind, die Mistfahrer, aber wenigstens ein paar Schlieren als Andenken wären nett gewesen. Sieht fast so aus, als bekäme ich jetzt mehr Schlieren, als mir lieb ist. Naja, es gibt noch zwei Hoffnungen: Die eine ist, dass ich plötzlich genial werde und diesen unfreiwilligen Effekt für interessante Fotos nutzen kann (unwahrscheinlich). Die andere ist, dass der Apparat gestern kurzzeitig einen lichten Moment hatte und fast normale Fotos produziert hat. Hatte dann was von Handykamera. Aber leider wüsste ich nicht, wie ich einen solchen lichten Moment provozieren sollte. Naja, es gibt auf jeden Fall einen Bericht in Wort, dann halt nicht Bild.

21.7.06, 14:55 Uhr

Drei Ringe, sie zu trennen

Nur weil ich mir den Davidstern aufs T-Shirt drucken lasse, bin ich noch lange nicht der Fürsprecher des Judentums auf Erden. Gleiches gilt für Staaten und Flaggen.Geht es noch jemandem auf den Zeiger, dass im Drumherum der Berichterstattung um den aktuellen Krieg („Konflikt”-Euphemismen stinken!) im Libanon ständig Israel mit den Juden gleichgesetzt wird? Ja, natürlich weiß ich, dass Israel mehr jüdisch ist als zum Beispiel Deutschland christlich. Dass das Judentum für Israel mehr ist als nur die vorherrschende Religion und dass Israel für das Judentum ein Symbol ist. Und dass das Judentum einen schwereren Stand hatte als das Christentum. Aber wenn ich dann lese, dass auch Juden nicht mehr ihre Meinung über die israelische Politik sagen können, weil es dann gleich dessen Existenzrecht und ihre Religion in Frage stellen würde... Bravo!

Es scheint mir, so wie die Hisbollah menschliche Schilde verwendet, verwendet Israel religiöse Schilde zum Schutz nicht vor Bomben sondern vor Kritik. Und das sowohl aus den Reihen von Juden als auch von anderen Staaten. Israel ist aber, welchem Gott auch immer sei Dank, nicht das Judentum, sondern einfach nur ein Staat und dazu einer, der gewaltige Scheiße baut.

Künstlerische Interpretation des neuen Libanonkrieges. Vielen Dank an „The Boy From Cerrado”, dass er seine Bilder unter die Creative-Commons-Lizenz gestellt hat.
Bild von The Boy From Cerrado, unter Creative Commons
Ich selbst habe einmal jemanden kritisiert, weil er sich die Politik Israels ohne konkreten Anlass als Thema eines Smalltalks rausgesucht hatte. Ich finde dazu ist das Thema zu heikel und man kommt nicht zu unrecht bei so einer Aktion viel zu leicht in den Verdacht, ein Antisemit zu sein. Aber wenn Israel wegen offiziell zwei entführter Soldaten einen Krieg anfängt und ganze Stadtteile in Schutt und Asche legt, dann kann man als Jude genauso wie als Nichtjude, als Deutscher genauso wie als Nichtdeutscher sagen, dass man das dieses Verhalten missbilligt. Und wenn man ein Staats- oder Regierungschef ist, sollte man das sogar.

Oh und eine letzte Bemerkung: Wenn ich „Israel” sage, meine ich natürlich den Staat als abstraktes Subjekt, nicht die Menschen, die darin leben und vielleicht genauso wenig davon halten, mit ihrer Regierung identifiziert zu werden, wie ich mit Merkel.

PS: Und bevor ich wieder mehr Prügel kassiere als nötig: Dieser Artikel hat auch nichts damit zu tun, dass ich Israel als Alleinschuldigen hinstellen möchte.

Nachtrag 8.8.: Na was ein Glück, eine kritische Stimme aus dem Zentralrat. Und hier eine gute Übersicht über die Berichterstattung verschiedener Zeitungen. In der Tat finde ich selbst, dass z. B. die taz vielleicht etwas zu einseitig auf Israel einhaut. Nicht dass darüber in Vergessenheit gerät, dass die Hisbollah ein Verbrecherverein ist, der Zivilisten bombadiert und als Schutzschild benutzt. Nur ist Israels Regierung eben ein Verein, der als Reaktion auch Zivilisten bombardiert und die Gelegenheit nutzt, um eine wirtschaftliche Konkurrenz mit Waffengewalt auszuschalten. Ich denke das kann man getrost auch verbrecherisch nennen.

18.7.06, 16:25 Uhr

It's a bird! It's a plane! It's yet another comic adaption!

Ist es Neo? Ist es eine Actionfigur? Neeeiin, es ist SUPERMAN!Eigentlich wollte ich ja in Fluch der Karibik 2, denn für diesen Film gibt es wie Timo Hetzel richtig sagte mindestens zwei gute Gründe: Keira und Kneightley. Die karibischen Piraten sollten laut IMDB auch schon am 6. Juli in Paris starten, am 2. August dann erst im Rest von Frankreich. Tja, leider scheint die Information zu stimmen, bis auf den Teil mit der Extrawurst für Paris. Mist. Hab ich mir halt Superman angeguckt.

Nein, das ist keine Zwischensequenz aus dem neuen Final Fantasy sondern der CGIern schimmernde Nacken von Brandon Routh.Für Superman, so dachte ich, gäbe es immerhin 260 Millionen Gründe und zwar in Form kleiner grüner Scheine mit Illuminatensymbolen drauf. Ich weiß nicht, wo die ganzen Dollars hin sind, vielleicht in diverse Think Tanks, wie man aus so einer mal ganz ehrlich beschissenen Vorlage wie Superman noch einen halbwegs passablen Film machen soll. In die Spezialeffekte jedenfalls kann die ganze Kohle nicht geflossen sein, die waren nämlich überraschend schlecht. Ich meine nicht schlecht wie in total grottig, aber schlecht wie in für einen so teuren Hollywoodstreifen aus dem Jahr 2006 ein schlechter Scherz. Aber immerhin waren sie nicht blöd und die neue Kutte von Superman sieht auch in echt aus wie schlecht gerendert. So fällt nicht so sehr auf, wenn sie gerade wirklich nur schlecht gerendert ist.

Schnell wie eine Gewehrkugel, pünktlich wie eine Atomuhr: Superman hält nie jemanden davon ab, wertvolle Nahtoderfahrungen so lange wie möglich auszukosten.Inhaltlich muss man zugeben, dass dafür, dass es quasi unmöglich ist, einen so gut wie allmächtigen Charakter in eine spannende Geschichte zu packen, dieses recht gut gelungen ist. Allerdings ist das ewige Gerette in allerletzter Sekunde schon nach der Hälfte des Films gehörig ausgelutscht... und der Film ist verdammt lang! Kann Superman nicht einfach mal eine Minute vor dem Exitus da sein anstatt Millisekunden davor? „Oho, wir werden alle sterben!” Ta tadaaaa tata tatatatataaaa! Superman! (Und das „Tatatadaaa” ist keine rhetorische Überzeichnung von mir, das ist so nah wie ich dem Film ohne Blechbläser kommen kann.) *gähn*

Der freundliche Superheld von nebenan. Schwiegermamas Liebling hat einen kreativen Beruf und rettet in seiner Freizeit die Welt.Der Kontrast zwischen Supermans Tarnidentität und seiner Rolle als Retter der Menschheit ist hingegen noch ein recht interessantes Element, wenn auch ziemlich ernüchternd, weil natürlich die Trophäeweibliche Hauptrolle dem sympatischen Trottel kaum Beachtung schenkt und derselben Person in dessen Superheldenrolle wegschmilzt wie Kryptonit im Hitzestrahl. Trotzdem ist hier das Moment zu finden, das mich auch positive Worte über den Film verlieren lässt. Clark Kent alias Superman zeigt hier menschliche Schwäche und wird so sympatisch, auch wenn er letztlich, wie es sich bei einem Superhelden sein sollte, die Gerechtigkeit über persönliche Motive stellt. Inwieweit er letzteren Anspruch sogar zu wenig erfüllt, wenn er mittels Supergehör und Röntgenblick seine Angebetete in ihrem Haus ausspioniert, mag man im Gegenteil sogar debattieren. Aber vielleicht ist das nur ein Zeichen der Zeit, in der ausspioniert werden einen nicht mehr groß zu stören hat. Und in der Tat achtet Superman natürlich die guten Sitten, indem er Lois Lane nur durch ihre Wände guckt (und auch das nur solange sie angezogen ist) oder gleich auf die inneren Organe. Überwachung an sich ist also wohl nicht Kategorie Pfui.

Klischee? Hat jemand Klischee gesagt? Ja, der Film hat solche Stellen, aber eigentlich hätte das auch schlimmer sein können. Immerhin ist sie der deutlich bessere Journalist.Aber egal, jedenfalls kann man letztlich mit gutem Willen vielleicht sogar den Machern des Films kein grundlegend mittelalterliches Geschlechterbild unterstellen, sondern Lois' Faible für Superhelden einfach auch als natürliche Schwäche auffassen. Denn allemal begrüßenswert ist, dass sie ACHTUNG SPOILER! zum einen inzwischen trotz ihrer Liebe zu Superman inzwischen anderweitig verheiratet ist, trotzdem aber mit Clark Kent ein Kind hat, was ihr Mann aber nicht weiß. SPOILER ENDE. Das ist ein Element, was nicht in das übliche Hollywood-Familien-Pfannekuchen-Klischee passt.

Peinlich: Der Bösewicht hat den deutlich besseraussehenden Mantel.Der Bösewicht Lex Luthor ist immerhin auch ambivalent – allerdings zu platt ambivalent – gestaltet, indem er gerne klassische Musik mag, gebildet und kultiviert ist und über einen geistesgestört angehauchten Humor verfügt. Das hat man schon etwas zu häufig gesehen, irgendwie ist das genauso arm wie ein einfach nur eindimensional böser Gegenspieler. Ein nettes Detail ist hingegen, dass einer seiner Handlangergorillas plötzlich auch in die Tasten des Flügels greift. Das räumt zwar nicht mit dem „Kultur=Das Gute”-Stereotyp auf, aber immerhin ist es innerhalb dessen ein netter Gag.

Ich habe mich bemüht, das Positive herauszuarbeiten und in der Tat langweilt man sich eher nicht in diesem Film, aber so richtige Begeisterung will auch nicht aufkommen. Da es schon fast eine Woche her ist, dass ich drin war, fällt es mir schon recht schwer, etwas darüber zu schreiben, weil ich das meiste wieder vergessen habe. Kein Film, der hängen bleibt. An was ich mich erinnere ist der Kinoangestellte, der nach der Vorstellung beim Müllsammeln das Pärchen neben mir angequatscht hat, um sich darüber auszulassen, wie sehr ihn der Film enttäuscht hatte. Mich hat er nicht so sehr enttäuscht, ich hatte von Superman nicht übermäßig viel erwartet.

PS: Im Wikipediaartikel zu Superman habe ich gelesen, dass Superman in letzter Zeit nicht mehr so albern war wie früher und wohl etwas mehr Substanz hatte als in seiner Anfangszeit:

1986 modernisierte Comicautor John Byrne den Mann aus Stahl, indem er ihn gleichsam neu erschuf. Superman wurde vieler Kräfte beraubt und menschlicher gemacht. [...] Seit dieser „Byrne-Revamp” genannten, tiefgreifenden Veränderung Supermans durch John Byrne wird Clark [...] als der eigentliche Charakter angesehen, Superman dagegen als seine Geheimidentität: „Clark ist das, was ich bin – Superman ist das, was ich sein kann” (TV-Serie „Lois & Clark”). Byrne ging es darum, den Helden zu vermenschlichen und so für den Leser greifbarer zu machen. Durch den Film Superman Returns wird man aber wohl auch in den Comics wieder zur engelshaften Darstellung der Figur übergehen.

Na bravo, denn dieses „Byrne-Revamp” klang ja ganz und gar nicht verkehrt. Insofern muss ich mein bisschen Lob am Film vielleicht relativieren.

Hier stößt Superman mit Lois gerade durch die Wolkendecke hinauf zu den Sternen. Szene aus der Kabel-1-Ausstrahlung der alten Fernsehserie.Nachtrag: Ja waren die Effekte denn in der Serie so viel schlechter? ;) Aber ok, zugegeben, die Armhaltung beim Fliegen war noch peinlicher. Das fand ich schon ein unwürdiges Ende für Matrix 1.

17.7.06, 23:34 Uhr

Kattors Jjj... jjii... jwijä

Links die Kuppel des Invalidendoms, in der Mitte das Feuerwerk über dem Marsfeld, rechts ein gottverdammter Baukran. Ach ja, dahinter kann man noch den Eiffelturm erkennen. Sodom und Gomorrha.Allons enfaaants de laaa patriiiiii-iiee, le jour de fête eeeeeeeeees....t arrivééé! À travers la zone interdiii-te, leees avioons militaires se sont levééés! Okok, ich hör ja schon auf so falsch zu singen. Aber es ist schon komisch, das ganze Jahr über herrscht über Paris strengstes Flugverbot und am 14. Juli hetzen sie jährlich einen ganzen Haufen von Militärmaschinen in enger Formation über die historische Achse. Egal, die Militärparade haben Dani und ich uns bis auf ein paar Hubschrauber, die quasi hier am Haus vorbeigeflogen sind, eh nicht angeguckt. Wenn man nur nah genug rangeht, sieht man keine störenden Kräne mehr. Das Feuerwerk war schön und hatte ein paar Elemente, die ich noch nicht kannte, aber zu weit weg ist nicht gut und ich glaube die anderen Feuerwerke zum 14. Juli waren auch unabhängig davon irgendwie besser. Außerdem war es da oben auch nicht gerade menschenleer, wenn auch kein Vergleich mit dem Champ de Mars.Dafür haben wir aber das Feuerwerk mitgenommen, das am Abend des Nationalfeiertags auf dem Marsfeld veranstaltet wurde. Das Feuerwerk in Montrouge (ähnlich wie wohl in vielen anderen Vororten) am Abend davor hatten wir vom Wohnzimmerfenster aus geguckt. Das über Paris haben wir uns vom Dach des Maison de l'air in Belleville aus angeguckt. Ich glaube das nächste Mal quetsche ich mich aber lieber wieder in die fürchterliche Menschenmasse unter dem Eiffelturm, weil es einfach eindrucksvoller ist, wenn die Raketen den ganzen Himmel ausfüllen als einen kleinen Fleck weit weg. Und es gibt keine verdammten Baukräne im Weg, auch wenn das Ding nicht das Feuerwerk sondern nur den Eiffelturm verdeckt hat. Aber für Fotos trotzdem tödlich. Warum tun Menschen so etwas?

Das Ende der WM

Nach dem Halbfinale feiernde Leute im Prinzenparkstadion in Paris.Ich weiß nicht, ob man in Deutschland das Thema WM noch hören kann, aber da ich nach dem Spiel Frankreich–Brasilien abrupt die Berichterstattung abgebrochen habe, fehlen nun ja noch die wichtigen Spiele Frankreich–Portugal, Deutschland–Italien, Deutschland–Portugal und Frankreich–Italien. Die Niederlage Deutschlands habe ich vor dem heimischen Fernseher verfolgt, sodass ich da wenig zu erzählen brauche. Für das erfolgreichere Halbfinale Frankreichs wurde das zweitgrößte Stadion von Paris geöffnet, der Parc des Princes. Allerdings wurde der nur ungefähr zur Hälfte voll, sodass es rein optisch kein Vergleich mit dem Stade Charléty war. Die Atmosphäre war allerdings trotzdem gigantisch. Und es waren gleich drei Bildschirme aufgebaut. Allerdings war alles voller Sicherheitsleute, man durfte nicht auf den Rasen und es gab Eintrittskarten, die einem sagten, in welchen Teil der Tribüne man gehörte. Alles etwas weniger entspannt als im Stade Charléty und das obwohl man Flaschenverschlüsse mit reinbringen durfte. Oh, kleines Detail am Rande: Als am Ende Villepin sich zum Spiel geäußert hat, hat man deutlich gemerkt, dass er immer noch nicht sehr beliebt ist vor allem bei der jüngeren Bevölkerung ;)

Direkt nach dem Spiel habe ich mich auf den Weg zur Feier auf den Champs-Élysées gemacht. Die Métrostationen in unmittelbarer Nähe des Stadions waren gesperrt, also musste ich einige Zeit laufen, um dann in eine brechend volle Métro zu steigen, nicht ohne vorher bemerkt zu haben, dass sogar die Anzeigemonitore in der Station nur ein „Allez les bleus” auf blauem Grund zeigten anstelle von Statusmeldungen zum Métroverkehr. Dass es so voll war machte aber ausnahmsweise einmal nichts, weil die feiernde Masse von Menschen hüpfend und grölend die ganze Métro zum Wippen gebracht hat und sogar diejenigen, die sichtlich wenig von der Fußballeuphorie hielten, konnten nicht umhin, das ganze ebenso sichtlich irgendwo doch gut zu finden. Schön waren auch die Gesichter der Leute, die die vollgepackte Partymétro in ihrer Station haben einfahren sehen und sich entscheiden mussten, ob sie sich da noch reinquetschen wollten. Die einzigen, die schlecht gelaunt waren, war eine Familie englischsprachiger Touristen, die wohl einfach ihr Kind ins Bett kriegen wollten und keinen Bock auf Party hatten. Haben dann die Leute an der Tür angepampt anstatt landesüblich einfach so lange zu schieben, bis man einsteigen kann.

Photomontage einer Aufnahme des Triumphbogens mit Feuerwerk im Hintergrund und eines seperat aufgenommenen Feuerwerkskörpers von derselben Feier auf den Champs-Élysées im „Vordergrund”. Ich war es leid, an einer Laterne gelehnt und um meine Kamera fürchtend (viel Volk unterwegs und sicher nicht alle mit großem Respekt vor der gesellschaftlichen Konvention des Privateigentums) zu warten, bis eine Rakete rechts oben explodieren würde, wo ich sie für die Komposition brauchte.Ich bin dann unter dem Place de l'Étoile ausgestiegen, wo sich ein paar andere schlecht gelaunte Leute daran machten, einander zu verprügeln. Einen Bogen zu machen erschien mir eine gute Idee und so kam ich wohlbehalten auf die auf ihren ganzen 2 km Länge mit Menschen überschwemmte Prachtstraße, wo unablässig Raketen abgeschossen und die typischen roten Leuchtfackeln geschwungen wurden.

Ich habe mich dann rechtzeitig vom Acker gemacht (no pun intended), um noch eine der letzten Métros zu kriegen und nicht in Auseinandersetzungen mit der Polizei zu geraten, die ungefähr eine Stunde später anfingen.

Feuerwerk aus Prinzip im Hintergrund, lange Gesichter im Vordergrund. Aber es waren auch Stimmen wie „War doch trotzdem ein netter Abend” zu hören, so richtig schlecht hat es niemand aufgenommen, den ich gesehen habe. Nur eben die Leute, die schon auf die Gelegenheit gewartet haben, um Ärger zu machen.Das Spiel um den dritten Platz habe ich dann wieder im Stade Charléty geguckt, das Finale wollte ich wieder im Parc des Princes gucken, nachdem feststand, dass das neuere und fast doppelt so große Stade de France nicht aufgemacht würde. Blöderweise war ich zu spät dran, habe von den beiden einzigen Tore vor dem Elfmeterschießen von in den sich erst nach einer Viertelstunde zur Haltestelle bequemenden Bus zusteigenden Fahrgästen erfahren und stand dann auch noch vor verschlossenen Toren im anscheinend diesmal randvollen Prinzenparkstadion. Spitzenklasse. Zum Glück war gleich nebenan direkt das nächste (und damit dritte und letzte) Stadion mit Gruppengucken.

Paris aime les bleus - Paris mag die Blauen. Auch im Parc des Princes hat sich das Rathaus, das die Veranstaltung finanziert hat, gut in Szene gesetzt und zum textlich fragwürdigen aber stimmungsmäßig bombastischen „I will survive” einen „Die Stadt Paris heißt Sie willkommen im Parc des Princes”-Schriftzug mit Logo eingeblendet, nachdem in einem kurzen Film die Erfolgsgeschichte von Zinédine Zidane gefeiert wurde. RTL ist auf den Zug aufgesprungen und ließ nach der WM überall optisch an das hier abgebildete Plakat angelehnte Anzeigen aufhängen, die sich einfach nur „Merci” lesen.Das Stadion hieß Jean Bouin und war etwas kleiner als das Stade Charléty und vom Publikum her unangenehmer. Alkohol und Flaschenverschlüsse waren auch hier verboten, dafür durfte man wieder auf den Rasen. Allerdings war es schwierig ein paar Vollpflaumen weiter vorne klarzumachen, dass es eine in hohem Maße asoziale Idee ist, während der besonders spannenden Stellen im Spiel vor lauter Aufregung aufzuspringen, sodass ich eine Reihe Torchancen nur als „ooooOOOOH... aaaah” hörte und nicht selber gesehen habe. Irgendwann hatten sie es dann begriffen, dafür fing ein völlig Zugedröhnter hinter mir an, in sein wahrscheinlich nur ein Freizeichen von sich gebendes Handy zu tiradieren: „Ich ficke deine Mutter du Hurensohn! Ja, Zizou ist der Beste, ich ficke dich, komm doch her! Deine Mutter ist eine Hure, ich ficke die gleich. Du bist ein Hurensohn und ich ficke deinen Arsch! Jaja, komm her, nach dem Spiel ficke ich deine Mutter!” Keine Ahnung, eine Viertelstunde lang mindestens. Das ging einem ziemlich schnell gehörig auf die Nüsse, zumal er wie schon zu erahnen nicht gerade kreativ war was seine Beleidigungen anging und mir ab und an seine unkoordinierten Gliedmaßen in den Rücken bohrte. Zur Verlängerung hin hab ich mich deswegen aus dem Staub gemacht und einen Platz auf der Tribüne ergattert, nachdem ich vorher noch die komplett unbeleuchtete Herrentoilette aufgesucht hatte, wo Leute verzweifelt im Stockfinstern mit Handys und Feuerzeugen die Pissoirs gesucht haben.

Kapuze auf dem Kopf mitten im Sommer? Eher kein Fall von Schüttelfrost.Nach der Aufregung um Zidanes Kopfstoß und dem nicht sehr aufheiternden Ende des Spiels verdrückten sich dann alle aus dem Stadion und ein paar Leute fingen schon an, sich Tücher ums Gesicht zu binden, Kapuzen aufzusetzen und oben genannte Leuchtfackeln anzuzünden. Gut dass die keine Flaschenverschlüsse hatten, du. Auch auf dem Weg zur Métro waren ein paar Typen, die hasserfüllt Zerbrechlichen gegen Hauswände gepfeffert haben und ein anderer hat einen Sonnenschirm von einer Imbissbude mitgehen lassen. Und auch wenn auf den Champs-Élysées wohl trotzdem etwas gefeiert wurde, hab ich mich lieber nach Hause gemacht und die nächsten Tage die Diskussion um Zizous Motive verfolgt. Erst haben ihm viele aus Frust die Schuld am verlorenen Finale gegeben, aber inzwischen ist gemeinhin Konsens, dass Materazzi die Hauptsau ist, Zizou einen tragischen Aussetzer hatte und trotzdem der Held der Nation sein darf.

6.7.06, 22:13 Uhr

Einschneidende Nachricht

Eigentlich wollte ich euch vom Spiel gestern erzählen und von der Party hinterher und einen Nachtrag zum letzten Artikel hatte ich auch noch, aber mir ist nicht danach, weil mein Cousin Frédéric einen sehr schweren Unfall hatte. Ich bin ziemlich durch den Wind deswegen.

4.7.06, 00:21 Uhr

Philosophischer Rundumschlag

Der Einband des im Artikel beschriebenen Buches. Russell wirkt etwas elitär-abgehoben, so pfeiferauchend wie er sich dort abbilden lässt und in der Tat wurde ihm von seinen Kritikern Nähe zur Aristokratie vorgeworfen. Auch wenn er das nie abstritt, ist seine Philosophie alles andere als aristokratiefreundlich (siehe auch „The Praise of Idleness”).Man mag es meinem Blog ob der Vielzahl der Filmkritiken nicht ansehen, aber gelegentlich lese ich auch noch Bücher. Also diese zusammengehefteten Papierstapel mit den kleinen schwarzen Zeichen darin. Und einen besonders großen dieser Stapel habe ich vor ein paar Wochen endlich zu Ende gelesen: Die Philosophie des Abendlandes von Bertrand Russell. Bevor die Ersten ihren Mauscursor richtung X bewegen, möchte ich etwas über die Gründe dafür spekulieren: Obwohl es Aufgabe der Philosopen sein sollte, sich systematisch mit gewissen Fragen zu beschäftigen, argumentieren viele (natürlich bei weitem nicht alle) völlig am gesunden Menschenverstand vorbei (sei es der heutige gesunde Menschenverstand oder auch schon der gesunde Menschenverstand der damaligen Zeit). Meistens sucht man in der Philosophie jedoch Antworten auf Fragen, die einem der gesunde Menschenverstand oder die eigene Logik nicht beantworten können. Was man in der Regel nicht sucht, ist eine komplizierte Theorie, die einem im Wesentlichen erklärt, dass der eigene gesunde Menschenverstand überhaupt nichts mit der Realität (oder etwas anderem Wichtigen) zu tun haben kann. Das schafft Frustration und mag manche davon überzeugt haben, dass Philosophie nichts ist, was sie zu interessieren bräuchte.

Bertrand Russell ist nun so erfrischend, weil er zwar nicht mit dem gesunden Menschenverstand argumentiert und ihn auch nur sehr selten überhaupt erwähnt, aber es fehlt die Schere, die zwischen dem eigenen common sense und dem, was man liest, auseinandergeht. Dass er dabei hervorragend beobachtet, argumentiert und sehr schöne Ideen entwickelt, macht es nur umso erfreulicher, sich durch seine Texte zu lesen.

Wer sich nicht gleich durch das 850 Seiten starke Buch arbeiten will, kann sich ja einen kürzeren Aufsatz wie Why I am not a Christian, The Praise of Idleness, das etwas längere The Elements of Ethics oder einen anderen hier verlinkten Text durchlesen oder überfliegen. Wer wegen der atheistischen Haltung des ersten Textes in einen Abwehrreflex gerät, dem sei gesagt, dass ich bis weit über die Hälfte des Buches hinaus nicht sicher war, ob Russell religiös wäre oder nicht. Zwar konnte ich es mir wegen seiner sehr stark vernunftgeprägten Denkweise schlecht vorstellen, aber man weiß ja nie (was übrigens nicht heißt, dass er die Emotion verteufelt).

Aber ich werde mal zum Buch selbst kommen. Es ist eine „Geschichte des philosophischen Denkens”, wie Russell es selbst an einer Stelle nennt. Dabei wird die Idee umgesetzt, die Russell vertritt, dass Philosophie beziehungsweise Geisteshaltung einer Zeit und politische und soziale Umstände sich gegenseitig Beeinflussen. Um wirklich zu verstehen, warum eine Philosophie aufkam, muss man das Umfeld und die Zeit des Philosophen betrachten und viele politische Strömungen wurden nicht zuletzt durch gedankliche Vorarbeit in Form einer bestimmten Philosophie ermöglicht oder befördert. Oder um es mit seinen eigenen Worten aus dem Vorwort zu sagen:


In den meisten philosophischen Geschichtswerken steht jeder Philosoph gleichsam im luftleeren Raum, seine Ansichten werden zusammenhanglos dargestellt, bestenfalls wird eine Beziehung zu früheren Philosophen zugestanden. Ich hingegen habe versucht, jeden Philosophen, soweit mit der Wahrheit vereinbar, als Ergebnis seines Milieus, seiner Zeit- und Lebensumstände zu zeigen, als Menschen, in dem sich Gedanken und Empfindungen kristallisierten und verdichteten, die, wenn auch unklar und unkonzentriert, der menschlichen Gemeinschaft eigen waren, der er angehörte.


Dabei geht Russell nicht davon aus, dass sein Leser bereits über umfassendes geschichtliches Wissen verfügt und er geht natürlich auch nicht davon aus, dass man bereits großes philosophisches Vorwissen hat. In einer angenehmen Mischung aus geschichtlichen und philosophischen Erläuterungen wird dann die Geschichte Europas von seinen Anfängen im antiken Griechenland bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben.

Der Stil ist Interesse erweckend und nicht selten sogar lustig und man merkt insbesondere, dass hier jemand schreibt, der selbst etwas zu sagen hat und nicht mechanisch die Erkenntnisse der letzten Jahrtausende wiedergibt. Dabei wird aber stets zwischen Vorstellung der Theorien und den Kommentaren dazu klar getrennt (wenn auch glücklicherweise nicht immer nach einem starren Schema wie „Vorstellung, Kommentar, Vorstellung, Kommentar...”). Die Kritik der philosophischen Modelle ist dabei messerscharf und gerne sehr pointiert. Und weil Russell Vertreter der „Philosophie der logischen Analyse”, wie er es nannte, war, sind sie immer sehr angenehm zu lesen und vor allem schwafelfrei. Es kam schon einmal vor, dass ich gerne über ein Argument diskutiert hätte, aber das war die Ausnahme, bei der Dicke des Buches nicht anders zu erwarten und Russell wäre wahrscheinlich der letzte gewesen, der behauptet hätte, dass seine Meinungen absolut und der Weisheit letzter Schluss seien. Und genau das macht sie brauchbarer als die Meinung derjenigen, die ihre Auffassungen für die ewige Wahrheit schlechthin halten.

Bei seiner Kritik anderer Philosophen verliert er nie aus den Augen, dass er es hier mit großen Köpfen zu tun hat, so sehr ihre Ansichten aus heutiger Sicht auch unhaltbar wirken mögen. Oder wie ich vor einer Weile in einem Gespräch mit Steve die Kritiken Russells kommentierte: „Es gab glaub ich noch keinen Philosophen, den er nicht in der Luft zerrissen hätte – allerdings oftmals mit sehr viel Hochachtung ;)” Um Russell wieder selbst zu Wort kommen zu lassen:


Will man einen Philosophen studieren, so ist die richtige Einstellung ihm gegenüber weder Ehrfurcht noch Geringschätzung, sondern zunächst eine Art hypothetischer Sympathie, bis man in der Lage ist, nachzuempfinden, was der Glaube an seine Theorien bedeutet; erst dann darf man ihn kritisch betrachten, und das möglichst in der geistigen Bereitschaft eines Menschen, der von seinen bisher vertretenen Ansichten unbelastet ist. Geringschätzung würden den ersten und Ehrfurcht den zweiten Teil dieses Vorganges beeinträchtigen. Zweierlei ist stets zu bedenken: dass man bei einem Mann, dessen Anschauungen und Theorien des Studiums wert sind, schon eine gewisse Intelligenz voraussetzen darf, dass es aber andererseits wahrscheinlich keinem Menschen gegeben ist, über irgendeinen Gegenstand die vollkommene und letzte Wahrheit erkennen zu können. Wenn ein intelligenter Mensch eine Ansicht vertritt, die uns offensichtlich unsinnig erscheint, sollten wir nicht zu beweisen suchen, dass doch etwas Wahres daran sei, uns vielmehr um die Einsicht bemühen, warum diese Anschauung jemals richtig erscheinen konnte. Diese Übung in historischer und psychologischer Einfühlung erweitert den Bereich unseres Denkens; außerdem können wir uns dann leichter vorstellen, wie töricht viele unserer eigenen, uns liebgewordenen Vorurteile einem Zeitalter von anderer geistiger Veranlagung erscheinen mögen.


Ich möchte einfach ein Beispiel anführen, knappe 600 Seiten später, wo Russell selbst so nett ist, uns ein Beispiel für eine potentiell törichte Haltung zu nennen, die momentan aber niemand auch nur in Zweifel zieht. Es geht grade um die Lehre von der erblichen Macht mit ein paar Auszügen eines Mannes namens Sir Robert Filmer, die einem modernen Leser sehr archaisch vorkommen müssen und bei denen man Probleme hat sich vorzustellen, wie tatsächlich jemand daran glauben konnte. In diesem Kontext bemerkt Russell:


Es ist merkwürdig, dass die Ablehnung des Erblichkeitsprinzips auf politischem Gebiet in demokratischen Ländern fast ohne Wirkung auf die wirtschaftliche Sphäre geblieben ist. [...] Wir halten es noch für natürlich, dass man seinen Besitz seinen Kindern hinterlässt; das heißt, wir erkennen im Prinzip Erblichkeit an, wo es sich um wirtschaftliche Macht handelt, lehnen es aber auf dem Gebiet der politischen Macht ab. Politische Dynastien sind verschwunden, wirtschaftliche jedoch existieren weiter. Ich spreche im Augenblick weder für noch gegen diese uneinheitliche Behandlung der beiden Machtformen; ich mache nur darauf aufmerksam, dass sie existiert und dass sich die meisten Menschen ihrer gar nicht bewusst sind.


Dass das Buch über den erhellenden Inhalt hinaus auch angenehm zu lesen ist, ist vor allem auch deshalb nicht anders zu erwarten gewesen, weil Bertrand Russell immerhin 1950 den Literaturnobelpreis erhalten hat.

Insgesamt also ein Buch, das ich jedem, der nicht bereits über eine umfassende Allgemeinbildung im philosophischen Bereich verfügt, nur dringend empfehlen kann, auch wenn ich sehr wohl weiß, dass es kein Buch ist, das man sich mal gerade so als Klolektüre zwischen zwei Fußballspielen reinpfeift. Aber wenn ihr die Zeit gefunden haben werdet, werdet ihr es nicht bereuen, da bin ich sehr sicher.

Leichter Tobak ist es aber oftmals nicht und deswegen empfehle ich jedem, seine Gehirnkapazitäten möglichst frei zu halten, indem er das Buch in seiner Muttersprache liest. Die Übersetzung, die ich hatte, ist leider nicht perfekt und vor allem schlecht korrekturgelesen, aber ich denke nicht, dass durch eine Übersetzung an sich groß Information verloren gehen (immerhin ist es kein literarisches Werk in dem Sinne) und wo es um Feinheiten der englischen Sprache geht, sind entsprechende Übersetzerkommentare vorhanden und es wurde auf eine Übersetzung der speziellen Begriffe verzichtet.

3.7.06, 16:19 Uhr

Frankreich gegen Brasilien

Einer der beiden Saxophonisten.Am Samstag habe ich mir das Spiel Frankreich-Brasilien anguguckt, aber vorher bin ich endlich zum Paris Jazz Festival, in dessen Rahmen schon seit ein paar Wochen jeden Samstag und Sonntag Jazz-Konzerte im Parc Floral stattfinden. Die Konzerte selbst sind umsonst, allerdings kostet der Park zwei Euro Eintritt (vier unermäßigt), so viel allerdings nur, wenn irgendwelche Veranstaltungen sind. Eintritt also hintenrum. Aber bei zwei Euro kann man trotzdem nicht meckern und außerdem, so dachte ich mir, kann ich mir bei der Gelegenheit auch noch ein bisschen den Park angucken. Ich bin allerdings zum einen bei der beeindruckenden Burganlage Château de Vincennes hängengeblieben, zum anderen habe ich auch nicht damit gerechnet, über eine halbe Stunde anstehen zu müssen, um überhaupt in den Park zu kommen. Und dabei gab es schon vier Schlangen, allerdings war keine davon nennenswert im Schatten gelegen. Und selbst in dem wären es ja schon über 30 Grad gewesen. Danach war mir irgendwie komisch und ich hab mir möglichst schnell ein schattiges Plätzchen gesucht, wo ich den Beginn des Konzerts abgewartet habe. Sitzplätze gab es natürlich keine mehr, also das ganze im Stehen. Angeblich sollte der wohl bekannte Trompeter Roy Hargrove spielen und kurz vor dem Konzert schwärmte auch noch einer davon, das sei das Konzert des ganzen Festivals, aber nachdem ich nachher meine Fotos mit welchen von Roy Hargrove verglichen habe, konnte ich nicht bestätigen, dass er da war. Naja, ich kannte ihn eh nicht und ich fand das Konzert gut und das ist ja die Hauptsache.

Der Schlagzeuger während eines sehr geilen (und sehr langen) Solos.Jazz macht im Stehen aber deutlich weniger Spaß und wenn ich mir noch ein Konzert angucke, dann erscheine ich definitiv früh genug, dass ich noch einen Sitzplatz kriege. Ich habe auch kurz überlegt, ob ich hoch pokere und auf mein mutmaßliches journalistisches Aussehen setze, um mir einen Platz in der ersten Reihe zu sichern, wo die ganzen Profifotografen rumsprangen, aber ich glaube die weißen Kärtchen trugen sie nicht nur als Schmuck. Wer Genaueres über das Konzert wissen will und Französisch spricht, wird sicherlich in diesem fachkundigeren Artikel fündig.

Daraus, den Park zu besichtigen wurde auch nach dem Konzert nichts, weil ich zum einen durch das lange Stehen in der Hitze mal wieder keinen Nerv darauf hatte und weil ich zum anderen auch langsam in die Puschen kommen musste, um noch einen netten Platz im Stadion zu bekommen. Denn ich hatte schon so eine Ahnung, dass es voll werden würde.
Panoramaaufnahme des Hexenkessels Charléty. Unter Abwesenheit der Mannschaften feuerten unzählige Fans diese an.War auch genau richtig, meine Vermutung. Ich kam noch rechtzeitig, um meinen Wunschplatz mit dem schönsten Blick auf die Menge zu kriegen, aber das Stadion füllte sich sehr schnell, bis schließlich jeder einzelne Platz mit Blick auf die Leinwand besetzt war. Die Stimmung war atemberaubend und die Zeitungen gaben die Besucherzahl mit „mehrere Zehntausend” an. Und dabei weiß ich noch von einem anderen Stadion in Paris, dass das Spiel übertragen hat.

Das beste an der Sache war, dass keine störenden Sportler Platz im Stadion beansprucht haben, sodass der gesamte Rasen auch voller Leute war. Als La-Ola-Wellen (möge mir niemand Silbenverschwendung vorwerfen) durchs Stadion liefen, erreichten diese auch das Publikum auf dem Spielfeld und das war ein absolut umwerfender Anblick. Wie ein riesiger, menschlicher Domino Day. Man sollte La Ola nur noch auf großen Flächen machen, nicht auf engen Bahnen von Menschen :)

Diesmal war ich echt ne harte Sau. Ich habe einfach diesen Plastikdeckel ins Stadion geschmuggelt, wohl wissend, dass sie verboten sind. Krass illegaler Flaschenpirat, ich.Die Sicherheitsleute habe ich diesmal ausgetrickst. Ich habe zwar vorbildlich getan und den Deckel meiner zweiten Wasserflasche vor ihren Augen in den Mülleimer geschmissen. Was sie aber nicht wussten war, dass ich vorher schon eine Flasche Wasser getrunken hatte und dessen Deckel vorsichtig in einem kleinen Fach meines Rucksacks versteckt habe. Ha! Das traurige ist, dass es mit einem Klappmesser genauso gut funktioniert hätte. Obwohl ich mir bei dem vollen Stadion durchaus vorstellen konnte, dass man mit einer zugeschraubten Wasserflasche Mist bauen kann, wenn man sie nach Leuten schmeißt. Die Mülltheorie wurde gleichzeitig unwahrscheinlicher, weil der Rasen hinterher aussah, als wären die Vandalen eingefallen. Spitze, echt. Gut, dass Paris offenbar genug Geld hat und die Sache noch dazu von Coca Cola gesponsort wird.

Nach dem Siegestreffer flammten Tribüne und Spielfeld rot auf.Ich weiß nicht, ob überhaupt der Versuch unternommen wurde, Feuerwerkskörper aus dem Stadion fernzuhalten, aber ich bin so oder so froh, dass etliche vorhanden waren. Von Fackeln bis hin zu Raketen war alles da, um Tore gebührend zu feiern. Naja, das eine in dem Fall. Und nach dem Spiel wurde dieses Mal auch nicht direkt der Saft der Leinwand abgedreht. Pfui, Ungleichbehandlung. Die Feier verlagerte sich trotzdem relativ schnell auf die Straße. Um halbwegs in vernünftigem Tempo nach hause zu kommen, musste ich an der sehr breiten Straße vorbei abkürzen und natürlich war überall Hupen und Jubeln.

Unglücklicherweise können sich einige offenbar nicht freuen, ohne etwas kaputt zu machen. Schon im Stadion hat einer vor lauter Freude mit aller Wucht auf eine Stange des Geländers eingetreten, bis diese völlig verbogen war, an der Porte d'Orléans waren schon nach dem letzten Spiel ein halbes Dutzend großer Scheiben einer Bushaltestelle zertrümmert worden, nach diesem Spiel habe ich dort jemanden einen Autofahrer prügeln sehen und in der Nähe der Champs-Elysée hat wieder ein Auto gebrannt. In den Medien findet man darüber aber wohl so gut wie nichts. Soll ja eine lustige WM sein!

1.7.06, 00:46 Uhr

Deutschland gegen Argentinien

In dem großen Stadion hat es sich schon etwas verloren, aber es war doch eine hübsche Anzahl von Menschen da. Die Leinwand hatte ich mir größer vorgestellt, aber bei der popeligen Fernsehauflösung wär mehr wahrscheinlich Verschwendung gewesen und man konnte gut gucken.Nachdem ich beim Achtelfinale versucht habe, es mir irgendwie auf meinen Rechner streamen zu lassen, was der FIFA sei Dank nicht einmal als Radioübertragung so recht gelingen wollte (irgendwann schafft die FIFA es noch ihr Endziel zu erreichen, dass niemand mehr Fußball gucken kann glaub ich), habe ich mich zum heutigen Viertelfinale auf den Weg in ein Pariser Stadion gemacht, das Stade Charléty, um das Spiel dort mit anderen zusammen auf einer großen Leinwand zu gucken. Tatsächlich waren auch etliche Exildeutsche und -argentinier gekommen aber auch viele Franzosen, um etwas Stadionatmosphäre auch ohne Karten zu tanken. Damit man sich ein bisschen wie bei der echten WM fühlte, gab es aber natürlich Sicherheitskontrollen und auch ich habe brav meinen Rucksackinhalt vorgezeigt. Der Security-Typ wühlte dann kurz herum, griff meine Wasserflasche heraus, drehte sie auf, woraufhin ich schon große Augen machte, schmiss den Deckel weg und reichte mir die Flasche. Ich guckte baff und fragte, ob ich jetzt davon trinken solle (um zu beweisen, dass das kein Gift ist oder so), aber der meinte nur in typisch unfreundlichem Security-Ton: „Nein. Die Flasche können Sie behalten, der Deckel bleibt hier. Ob sie die jetzt gleich austrinken oder später ist mir egal.” „Warum behalten Sie die Deckel?” wollte ich erstaunt wissen, aber die Antwort hätte ich mir schon denken können: „Das ist so Vorschrift!” Alles klar, Meister. Ich überlege also hin und her, inwiefern ein Plastikdeckel wohl eine Gefahr für die innere Sicherheit Frankreichs darstellt oder wie ich damit Menschen töten kann oder wie ich das gleiche zumindest mit einer zugeschraubten Plastikwasserflasche möglich ist. Bis mir dann irgendwann der Geistesblitz kam: Es ging überhaupt nicht um eine Bedrohung der Fortexistenz unserer abendländischen Zivilisation oder den Diebstahl moderner westlicher Drehverschlusstechnologie durch arabische Terroristen, sondern darum, dass man leer auf dem Spielfeld zurückgelassene Flaschen leicht aufsammeln kann, in den Rasen getretene kleine Plastikdeckelchen aber potentiell gar nicht. Aber hätte er mir das nicht sagen können?

Es war genug Platz für alle da, sodass man es sich schön bequem machen konnte, ob nun im Schatten oder in der Sonne. Ich hatte meine eine Wasserflasche schon nach einer Halbzeit aufgebraucht und hatte etwas Schiss, dass mir die pralle Sonne nicht bekommen würde, aber dann ging es, bis der Schatten zu mir kam. Nach dem Ende der regulären Spielzeit war dann ein Teil des Wassers einmal durch und ich musste fast ums ganze Stadion rumlaufen, um eine offene Toilette zu finden. Stress beim Pinkeln, denn das Spiel hatte schon wieder angefangen.Die Stimmung während des Spiels war zwar lange nicht so gut wie bei einem richtigen Spiel, wobei wahrscheinlich morgen beim Spiel Frankreichs einfach durch die deutlich größere Menschenmenge auch die Stimmung noch hexenkesseliger sein dürfte, aber sie war auf jeden Fall gut. Wenn auch phasenweise ziemlich angespannt, aber das muss ich wohl keinem erklären. Beim Elfmeterschießen sind die meisten aufgestanden und nach vorne gerannt, weil sie es chillig auf dem Rasen wohl nicht mehr ausgehalten haben (oder sie einfach nichts mehr gesehen haben, weil die vor ihnen schon aufgesprungen waren ;). Davor war aber so eine Art Picknickatmosphäre, nur dass man halt seine Getränke geschickt auf dem Rasen ausbalancieren musste. Gut, man hätte auch auf die Tribünen gehen können, aber da war es eher leer.

An Fahnen und kreativen Bemalungen mangelte es auch im Exil-Fanblock nicht. Groß rumgesungen hat aber nur eine kleine Gruppe Besoffener, der Rest hat sich's eher bequem gemacht. „Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!”-Vorstöße gab es immer wieder von verschiedensten Seiten, aber keiner hat funktioniert. Die besten Outfits hatten aber die Argentinier, vor allem diese Hüte mit den vier türkis-weißen Zipfeln... der Hammer. Die Zipfel wurden aber am Ende ziemlich hängen gelassen.Vor dem Spiel hab ich übrigens schon einen Deutschen im Bus getroffen, aber der hatte sowas von keine Lust sich mit mir zu unterhalten, dass ich es dann aufgegeben habe. Auf der Rückfahrt konnte ich erstaunlicherweise gleich den ersten Bus nehmen und es war nichtmal besonders gequetscht. Ein Franzose vor mir hat schon ein Endspiel Deutschland-Frankreich prophezeiht. Naja, mal abwarten. Dann wüsste ich nicht mehr, für wen ich sein soll, das wär ja blöd.

Die Party im Stadion war ziemlich schnell vorbei, weil die Schweine einfach den Bildschirm abgedreht haben kurz nach dem Schlusspfiff. Kein Ahnung, warum, aber danach haben sich die meisten verdünnisiert.Nach dem Spiel wurde ich dann schon wieder gefragt, ob ich wohl Journalist wäre. Dass ist schon das zweite Mal hier in Frankreich und das dritte Mal überhaupt. Sehe ich irgendwie journalistisch aus? Naja, euch hab ich jetzt berichtet, ob ich morgen zum Spiel Frankreich-Brasilien gehe, muss ich mir noch überlegen.