Die Fête de la Musique
Heute durfte ich hier den Fünftausendsten Besucher dieses Blogs begrüßen! In allen umliegenden Häusern brach auch großer Jubel aus... oder war das wegen des 2:0 gegen Togo? Egal. Zur Feier des Tages versuche ich mal wieder, einen Artikel auf die Beine zu stellen.
Wie schon angekündigt war ich gestern auf Achse, um mir die Fête de la Musique anzugucken. Schon beim Verlassen des unterirdischen Reiches von Les Halles musste ich allerdings frustriert feststellen, dass es zu regnen angefangen (und fast wieder aufgehört hatte), während ich in der Métro war. Echt toll. War ich natürlich auch unheimlich drauf vorbereitet so im Hemd und so. Immerhin war ich nicht der einzige, der damit nicht gerechnet hatte. So ziemlich jeder der Richtung Ausgang ging guckte wie ein Auto beim Anblick der nassen Fußspuren, die von draußen kamen.
Die Stimmung draußen hätte dann auch etwas ausgelassener sein können. Es waren relativ wenige Menschen zu sehen und es spielten zwei vereinzelte Gruppen afrikanische Musik, was aber irgendwie kaum wen interessierte. Ich bin dann auch weiter grob in Richtung Centre Pompidou, wo ich in den kleinen Straßen die erste laute Musik gehört habe. Und lauter Leute, die mitten auf der Straße getanzt haben, also ihr wisst schon, diese Paarsache. Das hatte auf jeden Fall was.
Beim Centre Pompidou selbst war dann erstaunlich wenig los, einzig beim Brunnen hatte sich die kulturell angehauchtere Fraktion versammelt. Zum einen eine geschminkte Cellistin und ein Artist mit drei Glaskugeln dazu und zum anderen ein Trio, das sich mit relativ großem Geräteaufwand der ziemlich abgefahrenen elektrischen bis elektronischen Musik verschrieben hatte. Beide Gruppen haben mir ganz gut gefallen.
Dann bin ich über die Île de la Cité, wo bei Notre-Dame ein paar Leute recht eindrucksvoll, aber entsprechend belagert mit Feuer hantiert haben, zum Boulevard Saint-Michel, wo ungefähr an jeder Ecke eine Rockband ihr Lage aufgeschlagen hatte. Vieles waren anscheinend Schülerbands, aber unglücklicherweise hatten die Bands mit der langweiligsten Musik die meisten Zuschauer.
Vor der Sorbonne war eine Freiluft-Technodisco aufgebaut mit schicken Lichteffekten auf den Springbrunnen dort. Das Publikum war entweder sehr jung oder sehr alt, der Mittelteil war praktisch nicht vorhanden. Müsste mal wer ne soziologische Studie drüber machen.
Vor dem Panthéon spielten die Bands noch dichter als auf dem Boul' Mich', zwei mussten sich quasi gegenseitig übertönen, wobei auch hier die mit der fiesen Liedauswahl das weitaus größere Publikum hatten. Autos waren auch unterwegs. Keine Ahnung, was die sich dabei gedacht haben; die Straße gehörte den Fußgängern.
Meine Oma hatte mir den Tipp gegeben, dass bei La Défense irgendwas Großes abgehen würde, also hab ich mich in den RER gesetzt und bin da hingefahren. Das heißt ich wollte es. Das Große war so groß, dass es förmlich auch noch Platz im Untergrund beanspruchte und die Station La Défense deshalb „aus Sicherheitsgründen” geschlossen war. Ich bin deswegen bis in einen Vorort namens Nanterre gefahren... nicht gut. Ich weiß nicht, ob es da immer so ist, aber die Leute gefielen mir gar nicht. Ich fühlte mich extrem fehl am Platz. Zum Glück war relativ viel Polizei vorhanden. Blöderweise hatte es wieder zu regnen angefangen und der Weg nach La Défense war alles andere als direkt. An so etwas wie Fußgänger hat wohl keiner gedacht, als das Straßennetz von La Défense entworfen wurde. Deswegen ward mir schon reichlich eklig, als ich endlich da war.
Die Grande Arche war hübsch beleuchtet, aber es nieselte inzwischen wie aus Eimern, also habe ich im Schutze eines Jutebeutels meine Kamera ausgepackt, nachdem ich möglichst wenig Aufmerksamkeit der zwielichtigen Passanten beim Aufbauen meines Statives auf mich zu lenken versucht hatte. Knips, knips, Scheiße, nur noch Tropfen auf der Linse, vorsichtig trocken wischen, bringt nicht viel, schönen Dank, so macht Fotografieren Spaß. Währenddessen war das sporadische Jolen aus Richtung der anderen Seite der Grande Arche ein deutliches Zeichen dafür, dass die Sache da wirklich groß war. Wie groß sollte ich nie sehen, aber nachdem ich zuhause Namen wie Placebo auf der Programmliste gesehen haben würde, würde ich eine Ahnung haben wie groß das war. Und jetzt gibt es auch schon offizielle Zahlen: 65.000 Zuschauer sollen es gewesen sein. Geht schon.
Für mich ging es aber erstmal noch relativ ahnungslos ins Gedränge und auch nicht sehr weit. Ein Durchkommen war da nicht. Von da wo ich stand bekam ich ab und an ein Stückchen Monitor mit einem Kopf drauf zu sehen und einen Blick auf die Menschenmenge konnte ich auch nicht werfen. Das war den Regen denn irgendwie nicht wert. Und dann kamen auch noch die Penner, die ich von den Demos schon kannte und haben mal wieder ihre Mob-in-die-Menge-Nummer abgezogen. Nicht wirklich lustig. Nachdem ich fast über den Haufen gerannt wurde, hab ich mich denn vom Felde gemacht. Und als ich kurz darauf abseits des Trubels ein paar Fotos von einer (überdachten) Brücke gemacht habe, kam auch gleich ein aufgeregt joggender Trupp Polizisten vorbei und ich hörte irgendwelche Funksprüche, dass die Lage wohl nicht gut wäre. War ich froh, da so frühzeitig abgehauen zu sein!
Ich hab mich dann auf die Suche nach der nächsten offenen Métrostation gemacht. (Nachdem ich vorher schon danach gefragt wurde... ich wurde glaub ich noch nie so häufig nach einer Auskunft gefragt wie hier in Frankreich! Zum Glück konnte ich in dem Fall fundiert mutmaßen.) Und Straßennetz die Zweite, yeah! Beim Hinweg konnte ich immerhin irgendwelchen Leuten hinterherrennen. Jetzt aber waren zwar auch welche unterwegs, die schienen aber selbst keinen Plan zu haben. Irgendwo in den recht netten Straßen von Puteaux hab ich dann das Feuerwerk bei der Grande Arche gesehen, das heißt ich habe ab und ein leuchtendes Kügelchen über die Baumwipfel hüpfen sehen und ansonsten nur bunten Lichtschein und knallen erspäht beziehungsweise vernommen. War ich sauer, da so frühzeitig abgehauen zu sein!
Naja, kannste nix machen, wa? Ich musste ja auch erstmal den Weg finden. Dass gelang mir dann auch recht bald, geregnet hat es zu dem Zeitpunkt übrigens nicht mehr und die Gegend war im Gegensatz zu Nanterre wie gesagt außerordentlich nett. Dann war ich auf der Esplanade de la Défense, wo ich hinwollte und hatte einen schönen Blick auf die Grande Arche. Ich bin auf einen komischen Brunnen geklettert, dessen Betreten verboten war, aber von dem aus man den besten Blick hatte und habe einen Haufen Fotos geschossen. Ich war guter Dinge, dass die überall herumstehende Polizei besseres zu tun hatte, denn es ergossen sich Menschenströme entlang der Straßen und über die Brücke über die Seine, es war der Hammer! Irgendwann sprang noch jemand auf meinen Brunnen und schrie förmlich zu seinem Freund: „Komm schnell her! Guck dir das hier an! Nennst du das schnell, Mann?! Guck dir nur die ganzen Menschen an!”
Die beiden waren dann schnell wieder weg, nachdem der Menschenstrom nicht die geringsten Anstalten machte abzureißen. Dafür kamen dann irgendwann ein paar der Polizisten, die wohl auch auf den Trichter gekommen waren, dass man von hier den besten Blick hatte. Aber die machten zu meiner Freude gar keine Anstalten, wegen des bescheuerten Brunnens rumzumeckern. Im Gegenteil, der eine hat sich noch nett mit mir unterhalten, gefragt, ob ich denn schon schöne Fotos gemacht hätte und ob ich das Feuerwerk drauf hätte (*grrrrr*) und sich entschuldigt, dass er und seine Leute mir jetzt im Weg rumstünden. Ich meinte, das wäre ja nicht so schlimm, ich hätte ja schließlich schon eine Menge Fotos gemacht (was ja auch so war), hab noch schnell ein paar Fotos von Grande Arche mit Flics im Vordergrund gemacht, einen schönen Abend gewünscht und mich zu einem Métroeingang begeben...
Zumindest so nah heran, wie ich nunmal kam. Es hätte mich ja eigentlich nicht sonderlich überraschen müssen, dass der besagte Menschenstrom zu einem großen Teil auch die Idee mit der Métro hatte. Die Eingänge waren abgesperrt, sodass sich eine unbewegte Traube davor bildete. Kurz nachdem ich mich angestellt hatte, kamen ein paar Mädels, die nicht aufhören wollten, mich über Hintergrund, Art und Zweck der Aktion auszufragen, obwohl ich ihnen von Anfang an zu verstehen gab, dass ich wirklich nicht die geringste Ahnung hätte. Wie gesagt, ich muss hier irgendwie unheimlich kompetent wirken. Früher am Abend hat mich einer beim Fotografieren sogar gefragt, ob ich denn wohl ein Journalist wäre. Mit der Kamera? Da wäre es um den Berufsstand aber schlechter bestellt als ich bisher dachte. Und da ich so spontan nicht wusste, was Graswurzeljournalismus auf Französisch heißt, habe ich einfach mal verneint.
Naja, als die Schleusen dann aufgingen, war es natürlich ein riesiges Gedränge und alle waren sicher, die Treppen runtergeschubst zu werden, aber irgendwie wurde es da plötzlich lichter, sodass man bequem nach unten gehen konnte. Fahrkartenkontrollen hat man sich auch geschenkt, dabei war es unten erstaunlich leer. Trotzdem wurden wir quasi am Bahnsteig eingewiesen, dabei war die Métro nicht einmal voll, als alle drin waren. Erstaunlich. Gut, kurz nach mir wurde wieder dicht gemacht, aber trotzdem...
Ich bin dann am Trocadéro ausgestiegen, unter dem Eiffelturm durch bis zu den Invaliden und dann bei den Champs-Elysée in die Métro, denn es war offensichtlich, dass nicht mehr so wirklich viel los war. Etwas wie ein spontanes Rap-Battle am Trocadéro, obendrauf ein bisschen Afrika-Rhythmen, bei den Invaliden hatte wohl jemand eine sehr große Anlage aufgedreht. Aber ich denke die meisten hatten sich in Kneipen und Clubs verzogen. Da hatte ich keine Lust drauf, also hab ich noch ein paar Fotos der Invaliden mit Rasensprengern im Vordergrund gemacht, bis ein plötzliches PFFFFFFFFFFFFFFFFFF in meiner unmittelbaren Nähe das Signal zum Aufbruch gegeben hat.
Auf dem Weg ruft mir dann aus einem vorbeifahrenden Auto jemand etwas zu, das für meine müden Ohren wie „Hey, Prinzessin!” klang. Aber während ich noch irritiert geguckt und mich gefragt habe, was er tatsächlich gesagt haben könnte, kommt der Nachsatz: „Oh nee, du bist ja ein Mann!” Ich hatte meine Haare nach hinten gebunden und die fuhren vorne vorbei. Eigentlich hätte der Typ besser als meine langen Haare noch meinen BART sehen müssen.
Obwohl es inzwischen zwei Uhr durch war, hab ich mir keine Sorgen wegen der Métro gemacht. Meine Oma meinte nämlich, die Métros führen in dieser Nacht durch. Das gab mir Gelegenheit zu sehen, dass die Beleuchtung des Eiffelturms um zwei Uhr abgeschaltet wird. Er flackert noch ein letztes Mal sein allstündliches Blinken, diesmal auf schwarzem Grund und dann geht zuletzt der Leuchturmstrahl aus. Übrig bleiben dann nur die roten Lichter gegen Flugzeuge, die gar nicht gegen Flugzeuge sein können, weil über Paris ein absolutes Flugverbot herrscht.
Naja, durchfahrende Métros machen's möglich, dass ich das auch mal gesehen habe. Endlich nicht mehr die Wahl zwischen um 1 Uhr nach Hause oder Nachtbustortur. Als ich aber zur Métrostation komme und das Licht des Schildes da aus ist, kommen mir doch erste Zweifel. Zwei andere halten aber auch auf den Eingang zu, also alles in Ordnung... hmm, aber auch die lassen sich durch das abgeschlossene Gatter vor dem Eingang etwas irritieren. Scheiße, also doch Nachtbustortur. Zum Glück ist die Haltestelle gleich nebendran. Nach einem Studium des Plans stelle ich fest, dass alles gar nicht so schlimm ist und dass ich mit einmal umsteigen zum Porte d'Orleans komme. Zwar tun meine Füße schon ziemlich weh, aber den Fußmarsch steh ich dann auch noch durch. Doch dann fällt mein Blick auf ein anderes Papier an der Haltestellenwand, das besagt, dass in der Nacht der Fête de la Musique die Linien N11, N24 usw. nicht führen. Also sprich alle Nachtbuslinien nicht. Die Opfer! Aber zum Glück standen da grade ein paar Leute in neongelber Uniform rum, von denen einer eben in der abgeschlossenen Métrostation verschwunden war. Ich frag also einen von ihnen: „Entschuldigen Sie, wenn keine Métros mehr fahren und auch keine Nachtbusse... wie kommt man dann nach Hause?” Antwort eines Kollegen: „Taxi.” Ich hätte ihm gerne etwas im Stile von „Deine Mutter ist ein Taxi!” gesagt, aber stattdessen fragte ich gelinde gesagt besorgt: „Ist das die einzige Möglichkeit?” Nach ein bisschen Rumdrucksen meinte der, den ich eigentlich gefragt hatte dann: „Einige Linien fahren ja...” Aufkeimende Erleichterung: „Oh wirklich? Welche?” „Keine Ahnung.” Toll! Aber dann fügte er zögerlich hinzu: „Die 1 glaub ich...” „Die 1?” „Ja, die 1.” Wunderbar, es geht doch. Bedankt und ab zur 1. Die fuhr tatsächlich und dann war ich mir auch recht sicher, dass die 4, die zum Porte d'Orleans fährt, auch noch unterwegs sein würde. So war des denn auch, allerdings galt für beide Linien, dass sie nicht mehr alle Stationen anfuhren. Ich fragte mich ernsthaft, wie man wissen sollte, welche Stationen noch offen waren und welche nicht mehr. Und jetzt stellt euch mal vor, ich hätte mir ursprünglich eine Station der 1 rausgepickt, wo sie zufällig nicht mehr gehalten hätte. Ich hatte doch frustriert das Handtuch geschmissen und alle Hoffnung fahren lassen! In der 4 stellte sich dann raus, dass ich nicht der einzige war, der keine Ahnung hatte, woher man wissen sollte, wo das Ding eigentlich hält. Bei Saint-Michel schrie plötzlich eine auf: „JUHU, ICH HAB GEWONNEN, ICH HAB GEWONNEN!” „Naja, wär ja nicht so schlimm gewesen, wären wir halt bei Odéon ausgestiegen...” „ICH HAB GEWONNEN! *aussteig* *weiterfreu*”
Dann also noch ein letztes Mal die Füße in die Hand genommen und ich war zuhause. Endlich. Mann war das ein langer Abend. Aber viel erlebt habe ich :)
Wie schon angekündigt war ich gestern auf Achse, um mir die Fête de la Musique anzugucken. Schon beim Verlassen des unterirdischen Reiches von Les Halles musste ich allerdings frustriert feststellen, dass es zu regnen angefangen (und fast wieder aufgehört hatte), während ich in der Métro war. Echt toll. War ich natürlich auch unheimlich drauf vorbereitet so im Hemd und so. Immerhin war ich nicht der einzige, der damit nicht gerechnet hatte. So ziemlich jeder der Richtung Ausgang ging guckte wie ein Auto beim Anblick der nassen Fußspuren, die von draußen kamen.
Die Stimmung draußen hätte dann auch etwas ausgelassener sein können. Es waren relativ wenige Menschen zu sehen und es spielten zwei vereinzelte Gruppen afrikanische Musik, was aber irgendwie kaum wen interessierte. Ich bin dann auch weiter grob in Richtung Centre Pompidou, wo ich in den kleinen Straßen die erste laute Musik gehört habe. Und lauter Leute, die mitten auf der Straße getanzt haben, also ihr wisst schon, diese Paarsache. Das hatte auf jeden Fall was.
Beim Centre Pompidou selbst war dann erstaunlich wenig los, einzig beim Brunnen hatte sich die kulturell angehauchtere Fraktion versammelt. Zum einen eine geschminkte Cellistin und ein Artist mit drei Glaskugeln dazu und zum anderen ein Trio, das sich mit relativ großem Geräteaufwand der ziemlich abgefahrenen elektrischen bis elektronischen Musik verschrieben hatte. Beide Gruppen haben mir ganz gut gefallen.
Dann bin ich über die Île de la Cité, wo bei Notre-Dame ein paar Leute recht eindrucksvoll, aber entsprechend belagert mit Feuer hantiert haben, zum Boulevard Saint-Michel, wo ungefähr an jeder Ecke eine Rockband ihr Lage aufgeschlagen hatte. Vieles waren anscheinend Schülerbands, aber unglücklicherweise hatten die Bands mit der langweiligsten Musik die meisten Zuschauer.
Vor der Sorbonne war eine Freiluft-Technodisco aufgebaut mit schicken Lichteffekten auf den Springbrunnen dort. Das Publikum war entweder sehr jung oder sehr alt, der Mittelteil war praktisch nicht vorhanden. Müsste mal wer ne soziologische Studie drüber machen.
Vor dem Panthéon spielten die Bands noch dichter als auf dem Boul' Mich', zwei mussten sich quasi gegenseitig übertönen, wobei auch hier die mit der fiesen Liedauswahl das weitaus größere Publikum hatten. Autos waren auch unterwegs. Keine Ahnung, was die sich dabei gedacht haben; die Straße gehörte den Fußgängern.
Meine Oma hatte mir den Tipp gegeben, dass bei La Défense irgendwas Großes abgehen würde, also hab ich mich in den RER gesetzt und bin da hingefahren. Das heißt ich wollte es. Das Große war so groß, dass es förmlich auch noch Platz im Untergrund beanspruchte und die Station La Défense deshalb „aus Sicherheitsgründen” geschlossen war. Ich bin deswegen bis in einen Vorort namens Nanterre gefahren... nicht gut. Ich weiß nicht, ob es da immer so ist, aber die Leute gefielen mir gar nicht. Ich fühlte mich extrem fehl am Platz. Zum Glück war relativ viel Polizei vorhanden. Blöderweise hatte es wieder zu regnen angefangen und der Weg nach La Défense war alles andere als direkt. An so etwas wie Fußgänger hat wohl keiner gedacht, als das Straßennetz von La Défense entworfen wurde. Deswegen ward mir schon reichlich eklig, als ich endlich da war.
Die Grande Arche war hübsch beleuchtet, aber es nieselte inzwischen wie aus Eimern, also habe ich im Schutze eines Jutebeutels meine Kamera ausgepackt, nachdem ich möglichst wenig Aufmerksamkeit der zwielichtigen Passanten beim Aufbauen meines Statives auf mich zu lenken versucht hatte. Knips, knips, Scheiße, nur noch Tropfen auf der Linse, vorsichtig trocken wischen, bringt nicht viel, schönen Dank, so macht Fotografieren Spaß. Währenddessen war das sporadische Jolen aus Richtung der anderen Seite der Grande Arche ein deutliches Zeichen dafür, dass die Sache da wirklich groß war. Wie groß sollte ich nie sehen, aber nachdem ich zuhause Namen wie Placebo auf der Programmliste gesehen haben würde, würde ich eine Ahnung haben wie groß das war. Und jetzt gibt es auch schon offizielle Zahlen: 65.000 Zuschauer sollen es gewesen sein. Geht schon.
Für mich ging es aber erstmal noch relativ ahnungslos ins Gedränge und auch nicht sehr weit. Ein Durchkommen war da nicht. Von da wo ich stand bekam ich ab und an ein Stückchen Monitor mit einem Kopf drauf zu sehen und einen Blick auf die Menschenmenge konnte ich auch nicht werfen. Das war den Regen denn irgendwie nicht wert. Und dann kamen auch noch die Penner, die ich von den Demos schon kannte und haben mal wieder ihre Mob-in-die-Menge-Nummer abgezogen. Nicht wirklich lustig. Nachdem ich fast über den Haufen gerannt wurde, hab ich mich denn vom Felde gemacht. Und als ich kurz darauf abseits des Trubels ein paar Fotos von einer (überdachten) Brücke gemacht habe, kam auch gleich ein aufgeregt joggender Trupp Polizisten vorbei und ich hörte irgendwelche Funksprüche, dass die Lage wohl nicht gut wäre. War ich froh, da so frühzeitig abgehauen zu sein!
Ich hab mich dann auf die Suche nach der nächsten offenen Métrostation gemacht. (Nachdem ich vorher schon danach gefragt wurde... ich wurde glaub ich noch nie so häufig nach einer Auskunft gefragt wie hier in Frankreich! Zum Glück konnte ich in dem Fall fundiert mutmaßen.) Und Straßennetz die Zweite, yeah! Beim Hinweg konnte ich immerhin irgendwelchen Leuten hinterherrennen. Jetzt aber waren zwar auch welche unterwegs, die schienen aber selbst keinen Plan zu haben. Irgendwo in den recht netten Straßen von Puteaux hab ich dann das Feuerwerk bei der Grande Arche gesehen, das heißt ich habe ab und ein leuchtendes Kügelchen über die Baumwipfel hüpfen sehen und ansonsten nur bunten Lichtschein und knallen erspäht beziehungsweise vernommen. War ich sauer, da so frühzeitig abgehauen zu sein!
Naja, kannste nix machen, wa? Ich musste ja auch erstmal den Weg finden. Dass gelang mir dann auch recht bald, geregnet hat es zu dem Zeitpunkt übrigens nicht mehr und die Gegend war im Gegensatz zu Nanterre wie gesagt außerordentlich nett. Dann war ich auf der Esplanade de la Défense, wo ich hinwollte und hatte einen schönen Blick auf die Grande Arche. Ich bin auf einen komischen Brunnen geklettert, dessen Betreten verboten war, aber von dem aus man den besten Blick hatte und habe einen Haufen Fotos geschossen. Ich war guter Dinge, dass die überall herumstehende Polizei besseres zu tun hatte, denn es ergossen sich Menschenströme entlang der Straßen und über die Brücke über die Seine, es war der Hammer! Irgendwann sprang noch jemand auf meinen Brunnen und schrie förmlich zu seinem Freund: „Komm schnell her! Guck dir das hier an! Nennst du das schnell, Mann?! Guck dir nur die ganzen Menschen an!”
Die beiden waren dann schnell wieder weg, nachdem der Menschenstrom nicht die geringsten Anstalten machte abzureißen. Dafür kamen dann irgendwann ein paar der Polizisten, die wohl auch auf den Trichter gekommen waren, dass man von hier den besten Blick hatte. Aber die machten zu meiner Freude gar keine Anstalten, wegen des bescheuerten Brunnens rumzumeckern. Im Gegenteil, der eine hat sich noch nett mit mir unterhalten, gefragt, ob ich denn schon schöne Fotos gemacht hätte und ob ich das Feuerwerk drauf hätte (*grrrrr*) und sich entschuldigt, dass er und seine Leute mir jetzt im Weg rumstünden. Ich meinte, das wäre ja nicht so schlimm, ich hätte ja schließlich schon eine Menge Fotos gemacht (was ja auch so war), hab noch schnell ein paar Fotos von Grande Arche mit Flics im Vordergrund gemacht, einen schönen Abend gewünscht und mich zu einem Métroeingang begeben...
Zumindest so nah heran, wie ich nunmal kam. Es hätte mich ja eigentlich nicht sonderlich überraschen müssen, dass der besagte Menschenstrom zu einem großen Teil auch die Idee mit der Métro hatte. Die Eingänge waren abgesperrt, sodass sich eine unbewegte Traube davor bildete. Kurz nachdem ich mich angestellt hatte, kamen ein paar Mädels, die nicht aufhören wollten, mich über Hintergrund, Art und Zweck der Aktion auszufragen, obwohl ich ihnen von Anfang an zu verstehen gab, dass ich wirklich nicht die geringste Ahnung hätte. Wie gesagt, ich muss hier irgendwie unheimlich kompetent wirken. Früher am Abend hat mich einer beim Fotografieren sogar gefragt, ob ich denn wohl ein Journalist wäre. Mit der Kamera? Da wäre es um den Berufsstand aber schlechter bestellt als ich bisher dachte. Und da ich so spontan nicht wusste, was Graswurzeljournalismus auf Französisch heißt, habe ich einfach mal verneint.
Naja, als die Schleusen dann aufgingen, war es natürlich ein riesiges Gedränge und alle waren sicher, die Treppen runtergeschubst zu werden, aber irgendwie wurde es da plötzlich lichter, sodass man bequem nach unten gehen konnte. Fahrkartenkontrollen hat man sich auch geschenkt, dabei war es unten erstaunlich leer. Trotzdem wurden wir quasi am Bahnsteig eingewiesen, dabei war die Métro nicht einmal voll, als alle drin waren. Erstaunlich. Gut, kurz nach mir wurde wieder dicht gemacht, aber trotzdem...
Ich bin dann am Trocadéro ausgestiegen, unter dem Eiffelturm durch bis zu den Invaliden und dann bei den Champs-Elysée in die Métro, denn es war offensichtlich, dass nicht mehr so wirklich viel los war. Etwas wie ein spontanes Rap-Battle am Trocadéro, obendrauf ein bisschen Afrika-Rhythmen, bei den Invaliden hatte wohl jemand eine sehr große Anlage aufgedreht. Aber ich denke die meisten hatten sich in Kneipen und Clubs verzogen. Da hatte ich keine Lust drauf, also hab ich noch ein paar Fotos der Invaliden mit Rasensprengern im Vordergrund gemacht, bis ein plötzliches PFFFFFFFFFFFFFFFFFF in meiner unmittelbaren Nähe das Signal zum Aufbruch gegeben hat.
Auf dem Weg ruft mir dann aus einem vorbeifahrenden Auto jemand etwas zu, das für meine müden Ohren wie „Hey, Prinzessin!” klang. Aber während ich noch irritiert geguckt und mich gefragt habe, was er tatsächlich gesagt haben könnte, kommt der Nachsatz: „Oh nee, du bist ja ein Mann!” Ich hatte meine Haare nach hinten gebunden und die fuhren vorne vorbei. Eigentlich hätte der Typ besser als meine langen Haare noch meinen BART sehen müssen.
Obwohl es inzwischen zwei Uhr durch war, hab ich mir keine Sorgen wegen der Métro gemacht. Meine Oma meinte nämlich, die Métros führen in dieser Nacht durch. Das gab mir Gelegenheit zu sehen, dass die Beleuchtung des Eiffelturms um zwei Uhr abgeschaltet wird. Er flackert noch ein letztes Mal sein allstündliches Blinken, diesmal auf schwarzem Grund und dann geht zuletzt der Leuchturmstrahl aus. Übrig bleiben dann nur die roten Lichter gegen Flugzeuge, die gar nicht gegen Flugzeuge sein können, weil über Paris ein absolutes Flugverbot herrscht.
Naja, durchfahrende Métros machen's möglich, dass ich das auch mal gesehen habe. Endlich nicht mehr die Wahl zwischen um 1 Uhr nach Hause oder Nachtbustortur. Als ich aber zur Métrostation komme und das Licht des Schildes da aus ist, kommen mir doch erste Zweifel. Zwei andere halten aber auch auf den Eingang zu, also alles in Ordnung... hmm, aber auch die lassen sich durch das abgeschlossene Gatter vor dem Eingang etwas irritieren. Scheiße, also doch Nachtbustortur. Zum Glück ist die Haltestelle gleich nebendran. Nach einem Studium des Plans stelle ich fest, dass alles gar nicht so schlimm ist und dass ich mit einmal umsteigen zum Porte d'Orleans komme. Zwar tun meine Füße schon ziemlich weh, aber den Fußmarsch steh ich dann auch noch durch. Doch dann fällt mein Blick auf ein anderes Papier an der Haltestellenwand, das besagt, dass in der Nacht der Fête de la Musique die Linien N11, N24 usw. nicht führen. Also sprich alle Nachtbuslinien nicht. Die Opfer! Aber zum Glück standen da grade ein paar Leute in neongelber Uniform rum, von denen einer eben in der abgeschlossenen Métrostation verschwunden war. Ich frag also einen von ihnen: „Entschuldigen Sie, wenn keine Métros mehr fahren und auch keine Nachtbusse... wie kommt man dann nach Hause?” Antwort eines Kollegen: „Taxi.” Ich hätte ihm gerne etwas im Stile von „Deine Mutter ist ein Taxi!” gesagt, aber stattdessen fragte ich gelinde gesagt besorgt: „Ist das die einzige Möglichkeit?” Nach ein bisschen Rumdrucksen meinte der, den ich eigentlich gefragt hatte dann: „Einige Linien fahren ja...” Aufkeimende Erleichterung: „Oh wirklich? Welche?” „Keine Ahnung.” Toll! Aber dann fügte er zögerlich hinzu: „Die 1 glaub ich...” „Die 1?” „Ja, die 1.” Wunderbar, es geht doch. Bedankt und ab zur 1. Die fuhr tatsächlich und dann war ich mir auch recht sicher, dass die 4, die zum Porte d'Orleans fährt, auch noch unterwegs sein würde. So war des denn auch, allerdings galt für beide Linien, dass sie nicht mehr alle Stationen anfuhren. Ich fragte mich ernsthaft, wie man wissen sollte, welche Stationen noch offen waren und welche nicht mehr. Und jetzt stellt euch mal vor, ich hätte mir ursprünglich eine Station der 1 rausgepickt, wo sie zufällig nicht mehr gehalten hätte. Ich hatte doch frustriert das Handtuch geschmissen und alle Hoffnung fahren lassen! In der 4 stellte sich dann raus, dass ich nicht der einzige war, der keine Ahnung hatte, woher man wissen sollte, wo das Ding eigentlich hält. Bei Saint-Michel schrie plötzlich eine auf: „JUHU, ICH HAB GEWONNEN, ICH HAB GEWONNEN!” „Naja, wär ja nicht so schlimm gewesen, wären wir halt bei Odéon ausgestiegen...” „ICH HAB GEWONNEN! *aussteig* *weiterfreu*”
Dann also noch ein letztes Mal die Füße in die Hand genommen und ich war zuhause. Endlich. Mann war das ein langer Abend. Aber viel erlebt habe ich :)
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