Unbefangener Patriotismus
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Aber ich glaube so übermäßig komplexbeladen war ich nie. Ein bisschen ganz sicher, aber in erster Linie war ich einfach mal deshalb schon froh, Deutscher zu sein, weil dem Deutschen an sich™ eben gerade dieser Patriotismustrieb fehlte. Ich meine bin ich denn dank meiner Abwesenheit während der WM der einzige, der es einfach lächerlich findet, stolz auf Leistungen anderer zu sein, die durch völlig zufällig ausgewürfelte Ländergrenzen Teil desselben abstrakten Dings namens „Nation” wurden wie man selbst?
Ich meine klar, Fußball macht einfach mehr Spaß, wenn man mit einer der Mannschaften mitfiebert und die Mannschaft des eigenen Landes zu nehmen liegt da erstmal nahe. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, geht es hier nicht nur um Fußball. Auch nicht um Tennis oder Autorennen oder Golf. Es geht mit Sicherheit mal wieder um Goethe und Schiller und Wagner. Auf die Gefahr hin, in bereits sehr tiefe Klischeekerben zu hauen, aber was hat denn bitte ein DSDS-Kid mit klassischer Webforenrechtschreibung mit Goethe und Wagner zu tun? Und kommt es davon abgesehen nur mir etwas seltsam vor, dass diese lange toten Persönlichkeiten immer wieder als erste herhalten müssen, wenn es darum geht zu beweisen, wie toll Deutschland ist? Aber bevor ich jetzt gegen den übermäßigen Stellenwert der sogenannten klassischen Bildung tobe, komme ich lieber wieder zurück auf die Neuen Deutschen Fahnenschwinger.
Man kann stolz auf sich sein oder auf Leute, mit denen man zu tun hat. Aber was hab ich denn bitte mit Goethe oder Karl Marx oder Willy Brandt zu tun? Mit Bach, Nietzsche, Einstein oder Gutenberg? Oder gar mit „Unserem Besten” Konrad Adenauer? Nix? Nein, nicht nichts, aber auch nicht viel mehr oder weniger als mit Victor Hugo, David Hume, Isaac Newton, Thomas Edison oder Mahatma Gandhi.
Ich bin tatsächlich manchmal „stolz”, ein Mensch zu sein (gut, und oft genug schäme ich mich auch dafür) und das soll jetzt gar kein ätzender Wir-sind-alle-eine-Welt-Pathos sein. Menschen haben tolle Dinge vollbracht und das ist manchmal einfach ein erhebendes Gefühl, wenn man es sich veranschaulicht oder unter dem Eiffelturm herspaziert. Aber bin ich unter dem Eiffelturm stolz, dass mein Vater ein Franzose ist? Fiele mir doch im Traum nicht ein! Und ich kann auch nicht glauben, dass das wirklich in der Natur des Menschen liegt, so einen Kappes zu fühlen.
Es mag normal sein, weil man es so mitkriegt, aber wir Deutschen hatten das Glück, diesen archaischen Schwachsinn nicht mit der Muttermilch aufzunuckeln und deswegen bin ich so verblüfft und etwas bestürzt ob des „Juhu! Wir jetzt auch endlich!”, das sich momentan in Deutschland abzuspielen scheint. Ich bin nicht erschreckt in diesem „Oh mein Gott, solche Gefühle dürfen wir Judenvergaser uns doch nicht leisten!”-Sinne. Nein, ich bin einfach nur frustriert, dass wir durch einen Zufall, den man schwerlich als glücklich bezeichnen kann, immerhin diese veraltete emotionale Nationalstaatlichkeit über Bord geworfen hatten und sie jetzt gar nicht freudig genug wieder an Deck begrüßen können. Das ist in meinen Augen ein echter Rückschritt.
Aber den Deutschen nachher trotzdem viel Glück gegen die Knäckebrotmampfer!
Nachtrag: Meine Tante war letzte Woche beim Spiel in Köln und berichtete, dass die deutschen Fans nicht nur größtenteils relativ feindlich den Franzosen gegenüber eingestellt waren, sondern vor allem auch so viel Nationalfarben zur Schau trugen, wie sie es selten erlebt hätte. Offenbar sind die Deutschen nicht nur plötzlich unbefangen in ihrem Patriotismus, sie sind sogar unbefangen, obwohl sie es maßlos übertreiben. Naja, ich kann mir ja vielleicht bald selbst ein Bild vom Neuen Deutschland machen.
Dafür hat meine Oma grade am Telefon eine sehr amüsante Bemerkung über Patriotismus gemacht: „Oscar ist jetzt 11 Monate alt, am 14. Juli hat er Geburtstag. ... Jaha, so macht man das bei uns [Ihre Mutter hatte auch am 14. Juli Geburtstag], entweder man ist Patriot oder nicht!” ;)
2. Nachtrag: Bettina Gaus hat sich auch zu dem Thema geäußert und meint, dass man sich keine Illusionen zu machen bräuchte, dass das Fahnengeschwenke was mit Patriotismus zu tun hätte und insbesondere:
Aber bedeutet das nicht wenigstens, dass hierzulande „endlich” alles so „normal” ist wie andernorts in Europa? Na, hoffentlich nicht. Normalität ist nämlich kein Selbstzweck. Wer französischen Chauvinismus und britische Hybris genauer unter die Lupe nimmt, kann es eigentlich nicht für erstrebenswert halten, dem nachzueifern.
17 Comments:
Hallo lieber anonyme Schnellgoogler aus Frankreich! Ich würde nicht so weit gehen, alle „Patrioten” gleich in die Monarchieecke zu stellen. Ich meine Leute, die stolz auf ihr Land sind, sind ja so ähnlich wie Anhänger von Religionen oder Esoterikfreaks: Sie haben zwar Ansichten, die ich nicht nachvollziehen kann, aber sie tun ja erstmal keinem was. Also sollen sie doch.
Hier in Frankreich gibt es die Strömung des unbefangenen Patriotismus' ja schon etwas länger und unter Beachtung der Tatsache, dass bleu-blanc-rouge einfach rein ästhetisch ansprechender ist als schwarz-rot-gold, hat mich das bisher noch nicht gestört. Aber ich nehme es mir halt heraus, so etwas wie Nationalstolz ein wenig zu belächeln. Wobei ich mir bewusst bin, dass hier zwar lange nicht jeder davon befallen ist, aber es sich doch um etwas ganz normales handelt, sodass man die Leute eher verstehen kann. Nur diese anscheinende Massenwanderung hin zum Patriotismus betrübt mich etwas. Ich wäre ja auch nicht gerade begeistert, wenn morgen im Spiegel stünde: „Endlich wieder unbefangener Umgang mit Kreationismus, Tausende verbrennen DNA-Modelle auf den Straßen!”
By mudd1, at 24/6/06 16:10
Hallo Christian,
ich stimme dir zu: Nationalismus ist ein Rückfall.
Wo ich dir nicht zustimme, ist in der Sicht auf das bisherige Nationalgefühl. Es ist da gewesen, immer. Sobald einem Menschen bewusst ist, dass er X ist, sucht er nach einem Weg, mit X Selbstbewusstsein aufzubauen. Das bildet den psychologisch sehr wichtigen Sein-Bestandteil des Selbstbewusstseins - wenn der fehlt, wirst du Manager oder General.
Die Deutschen hatten im letzten Jahrhundert immer präsent, dass sie deutsch sind, und entsprechend muss das Nationalbewusstsein immer da gewesen sein. Nationalbewusstsein ist ein X, also erzeugt es ganz von selbst Nationalstolz. Der kleine Österreicher mit dem Schnauzbart hat es eine Weile geschafft, den Nationalstolz ins Gegenteil zu verkehren und so von der Straße zu verbannen; aber niemand kann ihn dauerhaft eliminieren, ohne das Bewusstsein einer Staatszugehörigkeit zu eliminieren.
Im Falle der Deutschen kommt noch der verstärkende Mechanismus hinzu, dass der Deutsche an sich dem Ideellen immer Vorrang vor dem Reellen gibt ("Das darf man nicht"). Die Geliebte muss weichen, wenn die Nation nach Opfern ruft, weil die Nation eine Idee ist und die Geliebte real. Diese Tendenz hat Deutschen einst ermöglicht, unheimliche Erfolge in Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Kriegen einzufahren, aber sie heißt auch, dass du den Deutschen vollständig brechen musst, um ihm den Nationalstolz auszutreiben. Da reicht so eine totale Kapitulation nicht.
Aber es war eine schöne Zeit, während der der Nationalismus sich verkrochen hatte, da hast du recht.
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 26/6/06 00:25
Steve meinte:[...] dass der Deutsche an sich dem Ideellen immer Vorrang vor dem Reellen gibt [...]
Sorry, wenn ich eine Formulierung wie 'der xyz an sich' lese, dann werd ich nervös. Bist du zu den Antideutschen (-> google/wikipedia) übergetreten? Wer Nationalismus mit solchen Formulierungen ablehnt ist doch inhaltlich näher am Nationalismus als die meisten derjenigen, die er kritisiert.
By Anonym, at 26/6/06 13:40
Hallo Jan,
Bist du zu den Antideutschen (-> google/wikipedia) übergetreten?
Keineswegs, keine Angst.
Wer Nationalismus mit solchen Formulierungen ablehnt ist doch inhaltlich näher am Nationalismus als die meisten derjenigen, die er kritisiert.
Ich dachte immer, Nationalismus sei das Überheben der eigenen Nation über andere Nationen. Dann gibts noch Antinationalismus als Schlechtmachen. Ich sehe mich selbst auf keiner der beiden Nationen; ich glaube aber doch, dass eine Nation als kulturelle Gemeinschaft strukturelle Unterschiede zu anderen Gemeinschaften hat. Natürlich sind das statistische Phänomene, aber sie sind da. Und in diesem Kontext möchte ich "der Deutsche an sich" verstanden wissen, als die Eigenschaft, die beim Mitteln über alle Deutschen (wie man das auch immer definiert) abzüglich dem Mitteln aller Menschen überbleibt. Wie gesagt, erlaubt keinen Rückschluss auf den Einzelnen und ich will damit auch keinen schlecht oder gut machen.
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 26/6/06 20:07
Meiner Meinung geht es bei dieser Debatte weniger um politische Inhalte oder Einstellungen. Naja, vielleicht könnte ja die momentane Regierung mit dem Herrn Klinsmann einen kleinen Deal (oh Gott eine Verschwörung) ausgemacht haben. Herr Klinsmann mobilisiert die Nationalmannschaft und dafür können wir wieder stolz auf Deutschland sein.
Jetzt mal im Ernst, ich finde es extrem nervig, wenn ständig davon gesprochen wird, dass der momentane Zustand in Deutschland eine Art neuer Nationalismus wäre. Hier feiern nur viele Leute - aus aller Welt - ja auch die schwenken Fahnen und malen sich an und trällern Hymnen - eine riesige Party.
Vielleicht waren die Deutschen nur gegen die französische Nationalmannschaft, da Frankreich schlechten Fußball spielte. Vielleicht lag es auch daran, dass sehr viele der nationalistischen Deutschen mit Togo symphatisierten, mh ;-) Also mal schön den Ball flach halten. Es geht nur um Fußball und viele Menschen haben Spaß dabei.
By Anonym, at 27/6/06 17:00
Auf Steve gehe ich ein andermal ein, erstmal muss ich dringend den mir von golosina unterstellten Inhalt meines Artikels dementieren:
1. Ich höre von deiner Verschwörungstheorie zum ersten Mal.
2. Herr Klinsmann mobilisiert die Nationalmannschaft: Ja, aber was hat das mit meinem Artikel zu tun und warum kannst du deshalb stolz auf Deutschland sein? Warum kannst du überhaupt stolz auf Deutschland sein? Das zu beantworten wäre eine Reaktion auf den Inhalt meines Artikels gewesen.
3. Ohne es zu verifizieren: Ich glaube nicht, dass ich das Wort „Nationalismus” überhaupt nur in den Mund genommen habe.
4. Ich habe nie bestritten, dass andere Länder auch Fahnen schwenken, ich habe lediglich bedauert, dass Deutsche das jetzt auch wieder so gerne tun... und bezog mich dabei primär eben gerade nicht auf Sportereignisse.
5. Was auch immer der Grund für die Ablehnung der Franzosen, Sätze mit „Franzacken” und „Scheiße” rechtfertigen sie nicht (Vorsicht Einzeltäter!)
6. Sind die Deutschen deiner Meinung nach für Togo gewesen, weil sie die grandiose Nation Togo schon immer so gerne mochten, weil sie feige sind und sich einen leichteren Gegner im Finale wünschen oder weil sie vielleicht gute alte antifranzösische Traditionen pflegen?
7. Ich habe den Ball flach gehalten.
8. Es geht mir eben nicht um Fußball, bitte erspar mir das nächste Mal das viele Klarstellen und lies genau, was ich schon geschrieben habe, bevor du antwortest. Ansonsten bin ich natürlich über jeden Kommentar froh! :)
By mudd1, at 28/6/06 02:10
Ich stimme mit dir überein, Steve, dass es offensichtlich ist, dass bei vielen Deutschen die Anlage zum Nationalstolz schon dagewesen sein muss und nur darauf gewartet hat, herausgelassen zu werden. Ich würde nur gerne verstehen, warum.
Denn ob deine Charakterisierung des „Deutschen an sich” nun zutreffend ist oder nicht, wodurch kriegt er deiner Ansicht nach diese Eigentschaften? Durch seine arischen Kindergarten-Gene? Oder durch Erziehung? Ersteres ist Schwachsinn und Letzteres würde ja bedeuten, dass der Nationalstolz schon vorher ausgebrochen war und die meisten ihn nur so geheim gehalten haben wie Sozialismuskritik in der DDR. Oder aber man kann ihn sublim oder gar unbewusst weitergeben.
Letztgenanntes ist wahrscheinlich sogar wahr, trotzdem finde ich dieses Erklärungsmodell unbefriedigend.
Entweder ich habe mich geirrt und es liegt doch in der Natur des Menschen, stolz auf alles zu sein, was sich nicht wehrt. Oder es ist doch das „Was die dürfen will ich auch dürfen!”-Phänomen oder ein anderer spannender soziologischer Prozess, der sich in Deutschland abgespielt hat. Oder aber Golosina und Tom haben doch recht und die deutschen Medien unrecht und es geht hier nur um Fußball. Letztere Theorie gefällt mir zumindest am besten, dann wäre der Spuk nämlich vorbei, wenn ich wieder in Deutschland bin ;)
By mudd1, at 29/6/06 18:11
Hallo Christian,
Denn ob deine Charakterisierung des "Deutschen an sich" nun zutreffend ist oder nicht, wodurch kriegt er deiner Ansicht nach diese Eigentschaften? [...] Oder durch Erziehung? [Das] würde ja bedeuten, dass der Nationalstolz schon vorher ausgebrochen war und die meisten ihn nur so geheim gehalten haben wie Sozialismuskritik in der DDR. Oder aber man kann ihn sublim oder gar unbewusst weitergeben.
Ich glaube nicht, dass man Nationalstolz isoliert haben kann. Dazu braucht man eine ganze Menge an Kontext, an Weltsichten, und das Mindeste ist eine Idee von "Nation" als eine Gruppe von Menschen.
Aber genauso, wie der Nationalstolz nicht ohne seinen Kontext leben kann, kann der Kontext nicht ohne emotionale Verbindung zur Nation leben. Du musst den Nationalstolz gar nicht weitergeben; es reicht vollkommen, das kulturelle Gerüst weiterzugeben, und der Nationalstolz kommt von alleine. Jedenfalls ist das mein bescheidener Gedanke.
Der jetzige Ausbruch erklärt sich nach dieser Theorie dann dadurch, dass die Scham, Deutscher zu sein, weg ist. Ist auch nicht verwunderlich, dass man sich für die Taten des eigenen Groß- oder in meinem Falle gar Urgroßvaters nicht schämt. Die Scham hinterlässt ein Loch, das sich nun ganz natürlich mit Stolz füllt. Wäre ein sehr interessantes Phänomen, ja ;-).
Letztere Theorie gefällt mir zumindest am besten, dann wäre der Spuk nämlich vorbei, wenn ich wieder in Deutschland bin ;)
Ich bin ja seit wenigen Tagen wieder hier, und ich glaube nicht im Geringsten dran. Die Menge an Fahnen, die man sieht, spottet jeder Beschreibung: In Amerika habe ich weniger Fahnen gesehen als hier. Ich war schwer in Versuchung, Menschen mit "Heil Merkel!" zu grüßen, um Fauxpaxs zu vermeiden. Das mottet man nach der WM nicht wieder ein.
Ich hoffe trotzdem, dass du recht hast.
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 29/6/06 19:12
Hallo Mudd,
ich beziehe mich auf Deinen Eintrag bei Wolff von Rechenberg, da Du mich dort angeschrieben hast.
Es ist ein schwieriges Thema - der Deutsche und seine Fahne bzw. seine Geschichte. Man kann wahrscheinlich auch heute noch nicht sensibel genug damit umgehen. Generell ist Miesmachen nicht meine Art. Der Deutsche hat das Problem stolz auf sein Land zu sein. Kein Wunder! Hat aber auch seine Vorteile; wir würden nie einen Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin in den Himmel heben, wie z.B. die Amerikaner es mit ihren Präsidenten tun. Dazu hat uns unsere Vergangenheit zu stark beprägt.
Mit Patriotismus kann ich ebenfalls nichts anfangen. Zufällig bin ich in Deutschland geboren, meine Eltern hätten auch auswandern können nach Australien (wie der Torwart der Australier), dann würde ich für Australien fiebern (fußballtechnisch gesehen). Klingt vielleicht alles sehr einfach und naiv; ich bin bloß ein Kind dieser Welt, und dabei kommt es nicht darauf an welche Hautfarbe und in welchem Kontinent ich geboren bin.
By Senf dazu!, at 30/6/06 03:17
Hallo Torsten!
Das klingt ja ganz so, als wären wir uns weitestgehend einig :) Wie gesagt, beim Fußball habe ich vollstes Verständnis, wenn man sich zum Bejubeln die Mannschaft herauspickt, die aus dem eigenen Land kommt. Ob „Stolz” das richtige Wort ist für das Gefühl, das man über die Leistungen dieser Mannschaft empfinden kann, wage ich zu bezweifeln, schließlich kennt man die Leute, die da über den Platz gerannt sind ja nicht einmal persönlich.
Generellen Patriotismus finde ich dann eher albern und dass es den meisten Deutschen daran mangelte empfand ich eher als Vorteil.
Dabei muss ich noch eine Ergänzung machen: Was ich auch bei uns Deutschen festgestellt habe (und ich wähle das mich einschließende „uns” bewusst), ist die Tendenz, im Ausland erstmal zu gucken, was denn bei „den anderen” doof ist („Guck mal wie die hier parken!”). Eine Grundhaltung, die bei Obelix noch lustig ist, mir bei mir und meinen Mitdeutschen aber gehörig auf den Keks ging. Wo ich so drüber nachdenke, könnte das der verborgene Keim des Nationalstolzes gewesen sein, der jetzt ausgebrochen zu sein scheint („Die Deutschen sind die besten Parker vonne Welt!”) oder zumindest ein Teil oder Anzeichen davon.
Was mich interessieren würde: Wird in den deutschen (Nichtgraswurzel-)Medien eigentlich der Sinn von Nationalstolz an sich in Frage gezogen? Oder bleibt es bei dem „Hurra, wir wählen die Freiheit!”-versus-„Bedenkenträger”-Abtausch, der keinen wirklich weiterbringt?
By mudd1, at 30/6/06 11:34
Ob in Deutschlands Medien die Frage des Nationalstolzes erwähnt wird? Ich bin kein Dauerfernseher, die Berichte, die ich darüber gesehen habe lassen sich an einer Hand abzählen. Gefallen hat mir darunter eine Kurzreportage bzw. Umfrage bei jungen Mädels und Jungs, warum die schwarz rot gold-Manie? Beste Aussage hier, man möchte mit den Fanutensilien ein Teil dieser WM sein. Das geht doch in Ordnung. Inwieweit das Fernsehen so eine Befragung verschönert mag ich natürlich nicht beurteilen.
Der Deutsche und sein Auto und alles was damit zusammenhängt, vom Parken bis zum allgemeinen Verhalten im Verkehr ist doch auch albern. Es ist eben sein liebstes Kind. Wie sang einst Herbert Grönemeier: Wascht ihr nur eure Autos!
Ok, muss dazu sagen, dass ich bei diesem Thema der absolut falsche Ansprechpartner bin, da ich seit ewigen Zeiten einen Firmenwagen fahre und es mir im Grunde egal ist. Diese Einstellung wird sich auch nicht mehr ändern, wenn ich irgendwann mal einen Privatwagen besitzen werde.
Hey, und jetzt auch Daumen drücken für Frankreich und Deutschland! Lasst uns die Südamerikaner aus der WM kicken; den Cup für die Europäer (nicht so eng sehen, bloß ein Scherz).
By Senf dazu!, at 30/6/06 12:57
Ja, ich geh jedenfalls gleich ins Stadion und gucke mir das ganze auf ner großen Leinwand an. Vielleicht haben wir danach schon die Gelegenheit, zu beobachten, wie die Ruhe nach dem Sturm aussieht ;)
By mudd1, at 30/6/06 13:30
Hi,
ist die Tendenz, im Ausland erstmal zu gucken, was denn bei „den anderen” doof ist
Wobei das unter den Deutschen in Irland erheblich weniger ausgeprägt ist als unter Polen, Spaniern, Italienern und Briten.
Und in diesem Feld verlieren sie alle gegen Franzosen, die definitiv und nach einhelliger Meinung am meisten mäkeln.
Ehre geben muss ich auf diesem Feld Nigerianern, Holländern, Norwegern und Finnen.
Ich würde also sagen, bzgl. dieser Verhaltensweise liegen wir fein im internationalen Mittelfeld ;-).
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 30/6/06 21:24
Du musst ja beachtliche Studien gemacht haben, wenn du über so viele Länder signifikante Aussagen treffen kannst, Steve ;) Aber egal wo Deutschland landet, ist das ja gar nicht die Frage gewesen, ob wir da schlimmer oder harmloser sind als andere.
Und dass die Holländer sich mit der Integrationsministerin nicht grade das Maul über andere zerreißen können, ist kein Wunder ;)
By mudd1, at 1/7/06 13:26
Ha, lustiger Zufall, ich wollte grade bei deinem Artikel grob zum Thema kommentieren. Wie ich ja hier schon schrieb, geht es mir nicht darum, Begeisterung für die eigene Mannschaft in irgend einer Weise anzugreifen. Es geht mir grundlegender um den Patriotismus an sich, den ich einfach für nicht erstrebenswert halte. Womit übrigens die ganze Dürfen-wir-oder-dürfen-wir-nicht-Diskussion hinfällig wird.
Auf der anderen Seite kann ich aber durchaus nachempfinden, dass Leute Probleme damit haben, „DEU-TSCHLAND! *klatsch* *klatsch* *klatsch*” zu brüllen. Denn witzigerweise glaube ich nicht einmal, dass sie Probleme damit hätten, ihre Mannschaft anzufeuern. Es fehlt der Nationalmannschaft im Speziellen einfach an schönen Fangesängen, die nicht das Wort „Deutschland” enthalten. Und das ist relativ unglücklich, weil es natürlich gleich die Assoziation weckt, dass es hier gar nicht um die deutsche Mannschaft sondern eben um Deutschland ginge. Ich will jetzt keine literarische Analyse von Fangesängen machen, ich will einfach nur mal aufzeigen, dass dies ein Problem für viele sein könnte und dazu eins, das man nachvollziehen kann, auch wenn man es natürlich nicht nachempfinden muss.
Aber weil Deutschland hier so ein schwieriges Feld ist, nehmen wir doch einfach mal Frankreich, da kann man vielleicht unbefangener durch „Wir wollen aber auch endlich dürfen!”-Empfindungen diskutieren. Ich habe hier munter mit den französischen Fans mitgefeiert und auch „Allez les bleus !” gerufen. Auch mit „Et un, et deux, et trois zero !”, „On est en demi/en finale/les champions !” und anderen Rufen habe ich kein Problem. Aber mit „Qui ne saute pas n'est pas français, hé !” (Wer nicht hüpft ist kein Franzose) sehr wohl. Warum? Weil es in einem aggressiven Ton gerufen wird zum einen und weil es mit Fußball verhältnismäßig wenig zu tun hat zum anderen. Auch die von Jochen angesprochene Nationalhymne finde ich zwar melodisch ganz hübsch (und damit leider zu anspruchsvoll für die meisten Fans), aber die Tatsache, dass es die Nationalhymne ist und eben der „Aux armes, citoyens !”-Text stören dann doch etwas. Ich sage nicht, dass die französischen Fans deshalb alle Nationalisten sind, Quatsch. Aber meiner Ansicht nach muss es einfach nicht sein. Und es ist insbesondere nicht nacheifernswert, und darum geht es ja in der Deutschland-Debatte.
Und dass nun ausgerechnet Deutschland (und ich sage „ausgerechnet Deutschland”, weil für Ideen 70 Jahre keine lange Zeit sind und völlige Geschichtsvergessenheit die komplementäre Seite des Extremismus' zu NS-Zeit als eigenes Schulfach ist) dann quasi so gar keine Sprüche hat, die sich nicht irgendwie ummünzen ließen, ist wie gesagt einfach ziemlich unglücklich. „Deeeuuuutschlaaaaaand, Deeeuuuutschlaaaaaand” ist mir da irgendwie noch am sympathischsten, zusammen mit „Auf geht's Deutschland schieß ein Toooooooor, schieß ein Tooooor, schieß ein Toooo-ooooo-ooooor!” Da kommt zwar „Deutschland” drin vor, aber es klingt noch nett. Nur mal ehrlich, dieses *Deu*-*Tschland*-Stakkato klingt doch nun wirklich, als wäre man geradewegs in einer No-go-Area gelandet, oder?
By mudd1, at 9/7/06 14:25
hab kurz deinen beitrag überflogen... also: du brauchst dich nicht darüber wundern was in deutschland los ist, auch bestürzung wäre völlig fehl am platz. und zu denken es hat während der WM irgendwer an kanz oder einstein gedacht ist auch falsch. Die WM war einfach nur ein riesiger Spass. In den Städten gab es riesige Fanfeste - 2 Millionen leute haben unter freiem Himmel gemeinsam Fussball geschaut - und zu einer Mannschaft gehalten die überaschenderweise den schönsten fussball spielte, wie man ihn nicht erwartete. PUNKT mehr gibts da nichts zu sagen - wenn du zurückkommst wirst (egal wann es nun ist) wirst du davon nichts mehr erleben - aber deine freunde können dir dann geschichten erzählen wie deutschland für einen monat spürbar das zentrum der welt war und wie stolz und fröhlich es uns machte ausländer in hunderttausender gruppen da zu haben, die auch alle sehr glücklich waren.
und falls dir das von aussen betrachtet zu lächerlich ist oder du irgendwelche hacken und ösen suchst an denen du dahergesponnene gedanken damit verknüpfen kannst - fehlanzeige! gibt es nicht und keiner denkt mehr drüber nach.
für die die dabei waren ist es eine der schönsten gemeinschaftserinnerungen und es war von anfang an klar das es nicht mehr wird. in diesem monat hat man die vergangenheiten und die zukunft vergessen deswegen war es grade so schön!
(das du mein bild ausgesucht hast freut mich ;-))
By Anonym, at 19/7/06 13:03
Aus den deutschen Medien konnte man zum Teil ein anderes Bild bekommen, aber wenn du recht behältst und es nur um Fußball ging, dann ist das ja umso besser und in der Tat sind meine Überlegungen dann wohl zu einem großen Teil obsolet. Von daher hoffe ich einfach mal, dass dem so ist :)
By mudd1, at 19/7/06 13:08
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