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Frog Blog

5.2.06, 23:04 Uhr

Chinesischer Karneval

Heute war ich ja wie angekündigt beim Chinesischen Neujahrsfest. Empfangen wurde ich schon mit einem riesigen Haufen Böllerpapier, sodass ich mich gefragt habe, ob die schon ein paar Tage durchfeiern. Aber ich hab dann bald festgestellt, dass das in China wohl effizienter gemacht wird mit dem Böllern. Noch bevor der Umzug eigentlich los ging, bin ich direkt meinem ersten Drachen begegnet. Naja, eigentlich war es ein Löwe, aber das hab ich erst hinterher erfahren. Ich finde auch, dass die Löwen aussahen wie Fuchur. Ich dachte also, dass es drei Kategorien von Drachen gibt: kleine, weniger kleine und riesige (Der Junge auf dem Bild rechts nimmt sich grade den Kopf eines ganz kleinen Drachen ab. Wahrscheinlich waren das auch Löwen ;). Mein erster Drache war also ein weniger kleiner (und somit ein Löwe), weil er von zwei Menschen „betrieben” wurde. Einer im Kopf und einer als Hinterteil. Sehr genial das. Die, die das machen, sind so geschickt, dass man sofort vergisst, dass es Menschen sind, die da drin stecken. Diese eigentümlichen Bewegungen sind einfach zu überzeugend. Diese Tiere bewegen sich nämlich unheimlich ruckartig (und können sogar mit den Augen klimpern und den Mund bewegen) und richten sich manchmal auf, indem der Vordere dem Hinteren auf die Schultern steigt. Das passiert aber auch völlig flüssig, ohne dass man sähe, dass die groß Akrobatik machten. Es wirkt einfach völlig natürlich; naja, nicht vielleicht im Vergleich mit einem echten Löwen, aber irgendwie haben die chinesisch-mythologischen Fantasylöwen auch mit echten Löwen aus Afrika nicht viel zu tun.

Jedenfalls hat dieser Tanzlöwe schonmal eine kleine Vorabshow abgezogen und plötzlich hat ein Mann das Publikum zurückgedrängt; ich hab dann aber auch sofort verstanden, warum: Da hing eine 2-Meter-Schlange aus richtig dicken Böllern am Baum („Chinaböller” halt, jetzt weiß ich, woher das kommt), die denn auch sofort losging und ein ziemliches Klingeln in den Ohren hinterließ. Aber geil war's :) Ich hab einmal die so oft als sinnlos beschimpfte Videofunktion meiner Kamera genutzt, um euch einen kleinen Eindruck zu verschaffen. Leider nur die letzten drei Sekunden von so einer Kaskade, da meine Speicherkarte voll war (nein, nicht am Anfang, das ist ganz am Ende aufgenommen). Die 512-MB-Karte liegt ja in Deutschland :/ Na also es gibt jedenfalls ordentlich Feuer, Rauch und Krach und am Ende explodiert noch eine große Tonne obendrauf und sorgt für eine richtige Explosion. Ich war voll süchtig nach den Dingern :D Zum Glück wurden davon einige angezündet. Na und jedenfalls war damit auch das Rätsel um den vielen Müll gelöst. Die Teile produzieren den in Rekordzeit. Ein so'n Ding reicht und es sieht in der ganzen Umgebung aus, als hätte Deutschland dreimal Silvester gefeiert. Und dabei verteilen die das auch noch großzügig, einen Fitzel hab ich mal wie ein Geschoss über zehn Meter durch die Luft rasen sehen und auch sonst liefen die Leute zum großen Teil mit rotbraunem Papier auf dem Mantel rum heute :) Oder Konfetti auf dem Hut.

Denn der Umzug war irgendwie ziemlich wie Karneval. Lauter bunt verkleidete Leute, mit Wagen, ohne Wagen, Konfetti, Musik (meist, aber nicht immer besser), alle Zuschauer drängen sich am Rand... Es gab aber auch Unterschiede:

Zum einen waren die Kostüme besser. Von selbstgeschneiderten, aber bereits aufwendig gestalteten Kostümen (Ausnahme: Fahnen- und Drachenträger, ich glaube aber, die sollten schlicht wirken), bis hin zu ganzen Gruppen in reich bestickten Kimonos oder einzelnen Leuten in völlig abgefahrenen Kostümen war es doch durchweg toll anzuschauen.

Dann haben die meisten Gruppen Showeinlagen gemacht, weswegen der Zug auch unheimlich langsam voran ging. Aber da ist der Weg ja wirklich mal das Ziel. Jedenfalls gab es Kampfsporteinlagen, Tai Chi, wie rechts zu sehen, natürlich die Drachen- und Löwentänze und andere Tänze von Musikgruppen.

Die Drachen und Löwen, die immer zusammen gegangen sind und auch zusammen getanzt haben, fand ich dabei am faszinierendsten. Es gab wie gesagt neben den kleinen, wo nur ein Kind dringesteckt hat, die größeren, wo meistens zwei Jugendliche drin waren, aber links auf dem Bild im silbernen Löwen steckte zumindest vorne ein kleines Mädchen, die aber auch schon verdammt gut war. Überhaupt war das meine Lieblingsgruppe! Es gab einige Drachengruppen, aber die hatten es wirklich raus. Das hat man am meisten bei dem großen Schlangendrachen (also den einzigen echten Drachen...) gesehen. Die werden nämlich von ganz vielen Leuten an Stangen gehalten und die können dann damit unheimlich viele Bewegungsmuster machen. Und diese Gruppe konnte besonders viele und vor allem sah es besonders gut aus. Völlig flüssig, bei den anderen Gruppen sah man oft noch, dass der Drache aus verschiedenen Elementen bestand, dieser aber hat sich immer als vollkommene Einheit bewegt, was dann ungleich beeindruckender wirkte. Dieses Riesenteil, das wie ein echtes Tier durch die Luft wirbelt... unbeschreiblich. Und die haben den dann eben nicht nur einfach so herumgewirbelt, sondern sie sind durcheinandergerannt, haben ihn hoch über ihre Köpfe gehalten, haben sich flach auf den Boden gelegt und meine Lieblingstechnik war eine seitliche Wellenbewegung, die man auf diesem Foto erahnen kann. Außerdem konnte man gut sehen, dass die alle richtig Spaß dabei hatten und haben nicht so verkrampft gewirkt haben wie viele andere Gruppen. Ein enormes Durchhaltevermögen hatten allerdings alle, das ganze hat so seine drei Stunden gedauert und die haben die ganze Zeit über voll die Action gemacht, gerannt, geschwenkt, angefeuert. Wahnsinn.

Übrigens nennt sich die Veranstaltung tatsächlich „Chinesischer Karneval zum neuen Jahr”. Es wird allerdings wie zu erwarten weder „Helau” noch „Alaaf” gerufen sondern einfach spontan laut gebrüllt. Ein weiterer Unterschied ist, dass es viel mehr Musik gibt. Fast keine Gruppe kommt ohne aus und die viele machen sie auch gleich selbst. Besonders cool fand ich eine Trommlergruppe, wo einer mit einer richtig dicken Trommel auf einem Wagen vor den anderen herfuhr und ordentlich Rabatz gemacht hat (gut, die anderen natürlich auch). Außerdem hatte der auf dem Wagen dahinfahrend eine Wahnsinnsausstrahlung.

Ansonsten sind die Wagen selbst auch noch eine Erwähnung wert. Da gab es echt aufwendige Exemplare. Zum Beispiel einen fahrenden Altar, mit einer goldenen Buddha-Statue und Räucherstäbchen, wo wirklich Leute vor gebetet haben. Oder den eben erwähnten Trommelwagen, der hinten noch mit goldenen Drachen verziert war. Oder ein Wagen, der über und über mit Lampions behangen war.

Und man sollte auch nicht meinen, nur weil es keine richtigen „Themen” gab wie beim deutschen Karneval, dass es keine große Variabilität unter den Kostümen gab.

Ebenso auch unter den Leuten übrigens. Die sahen nämlich keineswegs alle so aus, wie man sich Chinesen gemeinhin vorstellt. Da waren durchaus auch einige bei, die eher afrikanische oder europäische Wurzeln zu haben schienen.

Also um zu resumieren: Alles in allem würde ich im Vergleich sagen, dass der deutsche Karneval leider ziemlich abstinkt sich noch ordentlich ins Zeug legen muss, bis er dieses Niveau erreicht. Oh, es wurde auch weniger gesoffen und die Musik war größtenteils besser zu ertragen (es gab allerdings auch richtig grausame Musik). Auf der anderen Seite hat das chinesische Fest da ja etliche Jahrhunderte Vorsprung. Ich freu mich jedenfalls trotzdem auf den Karneval demnächst :)

Auf jeden Fall war das Fest hier ein echtes Erlebnis. Ich war am Ende völlig durchgefroren, aber es hat sich gelohnt!

1 Comments:

  • Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

    By Anonymous Anonym, at 23/12/10 14:52  

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