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Frog Blog

11.3.06, 21:21 Uhr

Ich aber sage euch: Ihr sollt stehen bleiben und euren Nächsten küssen, so wie er euch einst küssen wird

Gestern war also die Beerdigung meiner Uroma. Und da sie gläubig war, hat sie sich auch eine Messe gewünscht, was sogar so ziemlich ihr einziger Wille war. Außerdem war sie wie die meisten französischen Christen katholisch, also wollte sie eine Messe, wo man viel stehen muss. Mein Onkel meinte, in Synagogen wäre es wenigstens halbwegs warm, was mich hat wünschen lassen, meine Uroma wäre jüdisch gewesen. War sie aber nicht und so haben wir stehend gefroren. Die Kirche ist glaub ich die hässlichste Kirche der Welt, zumindest von außen. Ein einziger Betonklotz. Von innen macht sie aber richtig was her, weil sie tolle bunte Glasfenster hat. Fotos werden nachgereicht. Die Messe selbst kann ich nicht großartig beurteilen, weil ich noch nicht viele Messen gesehen habe und ich außerdem auch nicht viel verstanden habe. Ich hab's dann ziemlich schnell auch gar nicht mehr versucht, weil das zu viel Anstrengung für ein paar Wortfetzen schwülstiger Sprache war. Ich hab verstanden, wenn der Pfarrer wollte, dass man sich setzt oder aufsteht und das reicht. Dachte ich. Plötzlich aber, ich weiß nicht auf welche Worte hin, fangen auf einmal alle an, sich zu ihren Nachbarn umzudrehen, sie anzugrinsen und – und hier wird's wirklich regionaltypisch – sie zu küssen. Naja, ihr wisst schon, nicht auf den Mund, das wär mal ne Konfession, nein, wie man das hier so macht bei der Begrüßung. Boh, so schnell bin ich noch nie aus ner Trance aufgewacht. Links und rechts waren meine Tante respektive mein Onkel, ok. Aber wer waren die Leute vor und hinter mir? Ich fand das ja schon vor der Kirche ätzend. So viele Leute und ich kenne keine Sau. Hälfte davon auch noch Familie. Und das gleiche jetzt nochmal auf Kommando? „Wer bist du? Kenn ich dich? Soll ich dich jetzt umarmen?” Himmel, das war für mein westfälisches Gemüt ja gar nichts. Und dann musste ich mir auch noch ne tolle Geste für den Sarg ausdenken, weil ich kein Kreuz schlagen wollte... also ich hatte mir das irgendwie stressärmer vorgestellt.

Dann sind wir zweihundert Meter zum Friedhof gefahren, wo es durch einen fiesen Wind und Regen noch viel schweinekälter war und eigentlich wollten alle nur schnell wieder weg hatte ich den Eindruck. Die Weihwasserkreuzgeschichte hat sich da wiederholt und irgendwann zwischendrin hat es ganz lange laut geklingelt irgendwo. Später hab ich dann erfahren, dass das das Zeichen war, dass der Friedhof geschlossen wurde. Netterweise hatten sie uns jemanden dagelassen, der uns das Tor noch aufgemacht hat.

Die Stimmung war eigentlich die ganze Zeit über nicht sonderlich bedrückt, was sicher vor allem daran lag, dass alle sich schon lange darauf einstellen konnten. Außerdem haben sich die meisten glaub ich gefreut, dass die Familie mal wieder so beisammen ist und es gab viel zu erzählen.

Kleine Anekdote noch: Als wir vor der Messe noch etwas im Auto gewartet haben, hat sich mein Onkel beschwert, dass die Musik zu fröhlich wäre. War irgendwie so ein Reggae-Pop-Party-Crossover. Also hat meine Tante kurz überlegt und dann den Klassikkanal gewählt, denn wo läuft sonst schon Musik, die mein Onkel nicht mit „Ah ben, c'est la fête, hein ?” kommentiert hätte? Aber prompt schallt uns dort die Ode „An die Freude” entgegen; schlechter kann man es bei gegebener Kritik eigentlich in dem Genre nicht treffen =) Tja, dann war's also doch wieder Reggae.