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Frog Blog

21.1.06, 19:38 Uhr

Metrodramatisch

Ich habe heute einen langen Spaziergang am rechten Ufer der Seine entlang gemacht, von der Mitte Paris' bis fast zu seinem östlichen Rand, mit einem kleinen Abstecher, als sich mir der Canal Saint-Martin in den Weg geflossen hat, bis hoch zum Place de la Bastille, wo der Kanal unter der Erde verschwindet um dann erst weiter im Norden wieder hervorzukommen. Man kann wohl eine mehrstündige Bootstour über den ganzen Kanal buchen. Wenn es etwas wärmer ist, werd ich das mal machen. An der Seine-Mündung des Kanals ist ein kleiner Hafen, aber mir gefällt der obere Teil besser, auch von der Hafenatmosphäre her. Allerdings wohnen da halt auch nicht so viele Leute auf ihren Booten.Skateboardfahrer auf dem Place de la Bastille im Sprung Auf dem Place de la Bastille hab ich dann ein bisschen Skatern beim Üben zugeguckt und bin dann wieder richtung Seine und da weiter nach Bercy. Da gibt es eine riesige Halle und heute gab es da eine noch viel riesigere Menschenschlange davor. Und ich dachte immer, die Schlange vor meiner Mensa wäre groß. Aber da standen – keine Ahnung – etliche hundert Menschen. Ich konnte das Ende auch nicht sehen, das verlor sich irgendwann schlängelnderweise hinter Bäumen. Wahnsinn. Und anscheinend für eine gewisse Mylene Farmer, die ich nicht einmal kenne. Muss aber eine echte Bildungslücke sein.

Vogelschwarm über der Pont de la Gare bei BercyNaja, ich hatte wenig Lust, spontan noch zu versuchen, eine Karte zu kriegen ;) und bin dann noch ein Stückchen weiter zur Nationalbibliothek auf der andere Seineseite. Beim Überqueren habe ich dann gleich noch ein tolles Schauspiel gesehen: Nicht Menschenmassen waren es diesmal sondern eine immense Wolke – man kann es nicht anders beschreiben – aus Vögeln, die mit einem Wahnsinnstempo von einer Flussseite zur anderen gefegt sind, zwischen den Hochhäusern herumgewirbelt sind, dann wieder zurück zum Park... zoomt einfach in das Bild oben und versucht es euch vorzustellen. Die Wolke hat von einer Seite der Seine zur anderen gereicht und manchmal hat sie sich in zwei oder drei Schwärme geteilt, die dann in verschiedenen Geschwindigkeiten durcheinander gewirbelt sind. Als ich fertig war mit gucken und fotographieren, hatte ich schon ganz verheulte Augen von dem scharfen Wind auf der Brücke. (Aber die Luft roch gut, das ist selten genug in Paris!)

Dann bin ich in die neueste und erste vollautomatische Métrolinie in Paris gestiegen, die Linie 14. Hinten und vorne kann man direkt auf die Schienen gucken, kein Fahrer. Ich hatte ja erst gewisse Sicherheitsbedenken, aber es läuft ein Plexiglastunnel um den ganzen Schienenbereich und die Türen des Tunnels und die Türen der Métro schließen quasi nahtlos miteinander ab. Also hat man keine Chance, irgendwie seinen Fuß einzuklemmen oder sich gar auf die Schienen zu schmeißen. Das wäre auch echt eklig, weil man im ungünstigen Fall erstmal von fünf Zügen nacheinander zu immer feinerem Muß zerhackstückt wird, bevor mal jemand auf die Idee kommt, wegen der Sauerei auf den Schienen den Betrieb aufzuhalten.

Und wie um mir zu beweisen, dass diese neue Métro sogar noch sicherer ist, passiert gleich beim Umsteigen in die gute alte 6 ein Unglück! Naja, es ist niemand dauerhaft zu Schaden gekommen, aber ich war grade eingestiegen, da fing auf einmal von draußen ein kleines Kind an, wie am Spieß zu schreien. Also ich hab noch nie ein Kind am Spieß gehört, um ehrlich zu sein, aber ich bin mir sicher, dass es so klingen würde. Einige Leute haben dann auch schnell geschaltet und die Notbremsen gezogen. Direkt darauf sind dann auch die Freunde des Jungen richtung Fahrer geskatet und haben „Halt! Warten Sie!” gebrüllt. Um's kurz zu machen, der Junge hat sich irgendwie die Hand verletzt, ich weiß nicht genau wie und was das mit der Métro zu tun hatte, denn die Türen waren noch nicht zu. Vielleicht ist er sogar in den Spalt zwischen Métro und Bahnsteig gerutscht. Jedenfalls scheint ihm nichts Ernstes passiert zu sein, er durfte dann vorne beim Fahrer mitfahren, nachdem dieser mit einem speziellen Schlüssel durch den ganzen Zug gegangen ist und die Notbremsen wieder zurückgesetzt hat. Das geht ohne nämlich nicht, die rasten in der „unten”-Position ein, also kommt nicht auf die Idee, die Dinger einfach auszuprobieren, das endet nicht gut. In dem Fall war das aber wohl eine gute Idee.

Pont de la Gare vor der NationalbibliothekDer Rest der Fahrt verlief dann aber ohne Zwischenfälle, reichte auch erstmal. Ist schon etwas verstörend sowas. Und bei der Linie 14 wäre nicht nur so ein Unglück wohl nicht passiert, die Linie 6 fährt auch überirdisch über die schöne Brücke, die ihr hier nebenstehend abgebildet seht. Und da hätte ich mir schon so eine Panoramasicht vorne in der Métro gewünscht. In dem Tunnel, in dem die 14 bleibt, nützt die einem relativ wenig. Aber andererseits würde Paris auch was fehlen ohne die zu den Seiten offene Fahrerkabinen und ohne diese Drehpömpel an den Métrotüren, mit denen man sie öffnet.