Licence globale: Historisches Zeichen ohne große Perspektive
Ich schrieb ja schon ein wenig über die licence globale. Ich will im Folgenden versuchen, auszuloten, ob sie noch Chancen hat in der kommenden Abstimmung und wie konkret die abzusehenden positiven Effekte sind, die die „missratene” Abstimmung im Dezember zur Folge haben wird.
Dazu zunächst ein Crash-Kurs zum französischen Gesetzgebungsverfahren und ein Überblick über die aktuelle Stimmenverteilung: Frankreich hat ein Zweikammernsystem. Das Unterhaus ist die Nationalversammlung, das Oberhaus der Senat (Der tagt übrigens in dem Palais im bekanntesten Park von Paris, dem Jardin du Luxembourg. Wer schonmal in Paris war, war da wahrscheinlich auch schon.). Die beiden Häuser haben aber die gleiche Macht und es müssen bei jedem Gesetz beide Teile des Parlaments zum selben Ergebnis kommen. Wenn sie verschieden abstimmen, geht das Ding retour zu der Kammer, die zuerst abgestimmt hat und sie darf nochmal entscheiden. Entscheidet sie wieder wie vorher: Hopp, zur zweiten Kammer, entscheidet diese wiederum auch wie zuvor... es gibt allerdings einen Vermittlungsausschuss. Die aktuelle Sitzverteilung seht ihr, der Wikipedia sei Dank, oben abgebildet. Die Sitzverteilung des Senats ist so ähnlich, nur konservativer. Konservativ bis rechts sind die UMP (Vorsitz: Nicolas Sarkozy) und die UDF. Die Parteien mit socialiste oder communiste im Namen sprechen glaub' ich für sich.
Sowohl die Abstimmung am 21. Dezember als auch die kommenden sind Abstimmungen in der Nationalversammlung. Der Senat wurde zu dem Thema wohl noch gar nicht befragt. So wie ich es verstehe, wurden gewisse Änderungsanträge der Opposition durchgekriegt, die Sitzung dann aber unterbrochen. Jetzt können einfach wieder weitere Änderungsanträge eingebracht werden, um schlimmstenfalls alles wieder auf null zu setzen.
Ganz so scheint es aber immerhin nicht zu passieren: Die Regierung hat jetzt an ihrer ursprünglichen Gesetzesvorlage ihrerseits Änderungen vorgenommen, die Basis der Wiederaufnahme der parlamentarischen Diskussion Ende Februar (siehe unten wegen der erneuten Terminverschiebung) sein werden.
Diese Änderungen und Spezifizierungen umfassen die folgenden Punkte (Quelle: Libération):
Jetzt also die Preisfrage, hat die licence globale noch eine Chance? Die kurze Antwort darauf lautet wohl: Wahrscheinlich nicht. Die etwas längere: Wahrscheinlich nicht... aber wer weiß?
Das politische und Medienecho auf die Abstimmung im Dezember war ziemlich heftig (zumindest wenn man bedenkt, dass das Thema eigentlich keine Sau interessiert) und meist (also in den großen Medien, abseits davon sieht's besser aus) wird nur gesagt, wie schlimm das wäre und wie sehr die Künstler dagegen wären (kommt auf die Künstler an) und man könne doch etwas illegales nicht legal machen (siehe hierzulande auch das Argument der FDP), wo kämen wir denn da hin. Vor allem werden Anhänger der Kulturflatrate jetzt gerne in die Spinner-Ecke gestellt. Es gibt allerdings auch in den großen Medien lobenswerte Ausnahmen.
Ein Argument allerdings, das mir besonders gefällt und das immer wieder kommt: Wenn überhaupt, müsse die monatliche Abgabe 70 € betragen und nicht 7 (oder 4 oder 10), wie bisher geplant. Aha. 70 Euro. Pro Monat, pro Person. Wer hat denn da versucht, zu rechnen? Um die Industrie und die Künstler so wie bisher am Leben zu erhalten, müsste jeder Internetnutzer doch einfach nur das an Pauschale zahlen, was ein durchschnittlicher Plattenkäufer und Kinogänger früher im Monat ausgegeben hat (wohlgemerkt nur dann, wenn alle Leute mit Internet gar nicht mehr ins Kino gehen und auch keine CDs und DVDs mehr kaufen). Und das sollen 70 € sein? Da zieh ich den Durchschnitt aber ziemlich runter, ich kauf mir weniger als eine CD im Monat und gehe vielleicht zwei- oder dreimal ins Kino im Schnitt. Da müssen am anderen Ende der Skala einige aber ganz schön zulangen. Und ich glaub nicht dran. Abgesehen davon hat doch keiner ein Interesse daran, die Plattenindustrie am Leben zu erhalten. Gut, da kommt dann natürlich sofort das Argument mit den Arbeitsplätzen. Aber dem widme ich mich lieber in einem anderen Artikel irgendwann.
Wie auch immer, bei dem medialen und politischen Gegenwind muss man jetzt schon recht standhaft sein, um als Politiker nicht sein Fähnchen nach dem Sturm zu drehen. Die einzige Hoffnung ist, dass viele Abgeordnete genau deshalb bei ihrer Entscheidung bleiben, weil sie nicht als Opportunisten dastehen wollen. Oder, falls sie damals nicht mit abgestimmt haben, wollen sie vielleicht nicht einfach den Spitzen ihrer Partei folgen. Die Abgeordneten der UMP schweigen jedenfalls oder äußern sich gegen die licence globale, die Sozialisten sind zerstritten; so oder so sind aber die jeweiligen Parteispitzen gegen die licence globale. (Quelle: Ratiatum.com). Aber es waren ja eh nur ungefähr 10% der Abgeordneten anwesend in dieser Nacht des 21. Dezember. Was mit den vielen Abgeordneten sein wird, die wohl zur Abstimmung getreten werden, sich aber bisher nicht geäußert haben? Keiner weiß es genau.
Wenn die Abstimmung in Deutschland wäre, wäre ich mir aber praktisch sicher, dass das Projekt tot wäre. Parteidisziplin und die Angst vor tobenden Parteispitzen wäre viel zu groß. Aber in Frankreich ist das nicht so sicher. Wie groß aber die Chance ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich halte sie jedoch auch hier für sehr, sehr klein.
Was wirklich nervenaufreibend daran ist: Wir wissen es eben erst genau, wenn die Abstimmung gelaufen ist und das wird jetzt offenbar noch länger dauern. Erst Ende Februar, Anfang März, nach der nächsten Pause des Parlaments soll die Debatte jetzt laut abeilleinfo.com weitergehen. Der Grund: Die UMP und die Sozialisten wollen sich erst jeweils innerparteilich einig werden.
Oh und eine Sache, die ich noch gar nicht thematisiert gefunden habe: Selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass das Ding durch die Nationalversammlung kommt, dann ist da immer noch der Senat. Halleluja.
Update 19. Januar: Lionel Thoumyre, Jurist und Mitglied der Künstlervereinigung Spedidam, glaubt, dass grade durch die ganze Lobbyarbeit und den Wirbel, der gemacht wird, um die licence globale kaputt zu reden, Abgeordnete zum Widerstand gegen diese hässliche Kampagne verleitet werden.
Dieser Artikel aus „La Vie Numerique” („Das digitale Leben”), sagt zwar auch, dass man, entgegen dem ersten Anschein, die licence globale noch nicht als tot und begraben betrachten soll – mehr als eine Sammlung von Argumenten für die Lizenz kann ich da aber nicht als Begründung herauslesen. Um Argumente geht es in dieser Debatte aber leider ja nur zweitrangig. Der Artikel beinhaltet aber auch den mit Abstand längsten Satz, den ich bisher im Französischen gesehen habe, vielleicht haben sie die Begründung darin irgendwo versteckt ;)
Update 20. Januar: Im Blog Écrans, wird von noch einer Änderung am Gesetzestext berichtet, die an anderer Stelle schonmal anklang, nämlich dass DRM-Systeme, die es nicht erlauben, die wenigen Privatkopien, auf die man ein Anrecht hat, zu machen, verboten werden sollen.
Update 23. Januar: In der Libération schreibt ein Prof von meiner Zweituni in Orsay heute, dass er durchaus für die licence globale wäre, allerdings nur als Übergangsregelung für drei oder vier Jahre. Danach solle sie neu bewertet und eventuell durch ein neues, besseres System abgelöst werden. Wie genau das aussehen soll, entnehme ich dem Artikel aber leider nicht.
Update 28. Januar: Vorgestern war ein positiver Kommentar zur licence globale in der Tageszeitung, die umsonst in der Métro ausliegt und von vielen gelesen wird und wo es die licence globale ja sogar aufs Titelblatt geschafft hat, als Sarkozy dazu Stellung nahm. Trotzdem ist meine bisherige, nicht repräsentative Erfahrung, dass nur wenige Leute überhaupt mit dem Begriff etwas anfangen können. Ungefähr die Hälfte derer, mit denen ich gesprochen habe, wussten auf Anhieb, was ich meine und dabei sind das ja nun tendenziell eher die Computer-Geeks.
In diesem schönen Streitgespräch in Libération werden verschiedene historische Parallelen aufgezeigt, wann zuletzt der Untergang des Musikmarktes heraufbeschworen wurde: Bei der Einführung der Schallplatte (die Partiturenvertreiber sahen sich am Ende), bei der Einführung des Radios (die Schallplattenhersteller sahen sich am Ende) und mit dem Aufkommen des Kassettengeräts (wieder das Ende der Schallplattenhersteller). Und jetzt stellt euch einen Plattenmarkt ohne Radio vor! Oder einen Musikmarkt ganz ohne Platten! Und es gibt inzwischen auch verschiedene Untersuchungen, dass die Leute, die am meisten Musik illegal herunterladen auch am meisten CDs kaufen. Radiohörer sind Verbrecher, hm?
Im Senat gibt es am 1. Februar einen runden Tisch, an dem Verbraucherorganisationen, Industrievertreter, ISPs und Vertreter von Freier Software teilnehmen sollen. Presse und Öffentlichkeit sind außerdem eingeladen, der Diskussion beizuwohnen. Und im eben verlinkten Artikel ist entsprechend auch gleich ein Aufruf enthalten, da zahlenmäßig richtig was herzumachen ;)
Derweil gibt es immer noch keinen exakten Termin, wann die Debatte in der Nationalversammlung um das Thema wieder losgeht, die Beteiligten haben sich noch nicht geeinigt. Sobald ich aber etwas höre, wisst ihr Bescheid.
2. Update 28. Januar: Wie PC entraide schreibt, hat die Regierung sich jetzt endgültig für einen Gesetzesentwurf entschieden, den sie bei Wiederaufnahme der Diskussion irgendwann Anfang März einbringen will. Viel hat sich nicht geändert, es sind vor allem Präzisierungen. Hier eine kurze Übersicht:
Tja, aber wenn nicht hüh noch hott, was dann? Die PS schlägt die Einrichtung eines „regulierten öffentlichen Freiraums” (espace public de liberté régulé) im Netz vor. Ja, die Übersetzung hinkt, wenn ihr eine bessere habt, nur her damit. So oder so ein sehr heikler Ausdruck wie ich finde, im Endeffekt ist es ja nun kein regulierter Raum, sondern regulierte Freiheit. Was sich dahinter verbirgt ist allerdings nicht heikel sondern alt: Eine Plattform, wo Musikschaffende ihre Werke zum Download anbieten können, wenn sie das wollen. Vom Erlös soll ein Drittel des Geldes an die Autoren gehen, ein Drittel an die Interpreten und ein Drittel an eine öffentliche Einrichtung zur Kulturförderung. Genauer gesagt soll es verschiedene derartige Plattformen geben können. Die aber, die auf P2P-Basis arbeiten, müssen Möglichkeiten bieten, den Austausch am System vorbei verhindern zu können. Das aber wohlgemerkt ohne DRM, das soll nämlich in Frankreich nach Wunsch der PS ganz verboten werden.
Update 1. Februar: Auf eine ähnliche Position wie die PS stellt sich auch Hubert Guillaud, der Autor eines Artikels auf InternetActu.net. Er meint, dass DRM keine Zukunft haben darf, aber kritisiert, dass die Diskussion zwischen der pro-DRM- und der pro-licence-globale-Position festgefahren ist. Er findet, dass P2P als Medium zu singulär dargestellt wird und man stattdessen der Diversität der Kundenwünsche mit einer Diversität der Angebote entgegen kommen sollte. Dies würde auch der derzeitigen Diskussion aus der Sackgasse helfen.
Update 5. Februar: In Paris wurde vergangene Woche ein nachgewiesener Verbrecher einfach freigesprochen. Genauer gesagt ein Raubkopierer. Dass Leute freigesprochen wurden, weil sie nur runtergeladen haben und das irgendwie unter legale Privatkopie fiel, das ist wohl schon häufiger vorgekommen, so Silicon.fr, aber dass er trotz des Uploads nicht verurteilt wurde, hat er einem Richter zu verdanken, der sehr richtig gesehen hat, dass man bei Kazaa nicht runterladen kann, ohne gleichzeitig auch etwas hochzuladen. Spitze :) Ich meine wenn die Situation nicht wäre, wie sie ist, würd ich sagen, der Richter hat irgendwie den Schuss nicht gehört. Aber so nehm ich das einfach mal als Statement gegen das Gebahren der Medienindustrie.
Apropos, 30 Produzentenvereinigungen in ganz Europa haben sich nach einem Bericht von EchosDuNet zusammengetan, um einen Brief an Jacques Chirac zu schreiben. Natürlich um ihn aufzufordern, doch wieder diese albernen Rechte der Internetnutzer zu vergessen. Unter anderem auch die deutsche Arbeitsgemeinschaft Neuer Deutscher Spielfilmproduzenten. Deren Wir-über-uns-Abschnitt ist einen Blick wert.
Update 7. Februar: Endlich in einem eigenen Artikel.
Dazu zunächst ein Crash-Kurs zum französischen Gesetzgebungsverfahren und ein Überblick über die aktuelle Stimmenverteilung: Frankreich hat ein Zweikammernsystem. Das Unterhaus ist die Nationalversammlung, das Oberhaus der Senat (Der tagt übrigens in dem Palais im bekanntesten Park von Paris, dem Jardin du Luxembourg. Wer schonmal in Paris war, war da wahrscheinlich auch schon.). Die beiden Häuser haben aber die gleiche Macht und es müssen bei jedem Gesetz beide Teile des Parlaments zum selben Ergebnis kommen. Wenn sie verschieden abstimmen, geht das Ding retour zu der Kammer, die zuerst abgestimmt hat und sie darf nochmal entscheiden. Entscheidet sie wieder wie vorher: Hopp, zur zweiten Kammer, entscheidet diese wiederum auch wie zuvor... es gibt allerdings einen Vermittlungsausschuss. Die aktuelle Sitzverteilung seht ihr, der Wikipedia sei Dank, oben abgebildet. Die Sitzverteilung des Senats ist so ähnlich, nur konservativer. Konservativ bis rechts sind die UMP (Vorsitz: Nicolas Sarkozy) und die UDF. Die Parteien mit socialiste oder communiste im Namen sprechen glaub' ich für sich.
Sowohl die Abstimmung am 21. Dezember als auch die kommenden sind Abstimmungen in der Nationalversammlung. Der Senat wurde zu dem Thema wohl noch gar nicht befragt. So wie ich es verstehe, wurden gewisse Änderungsanträge der Opposition durchgekriegt, die Sitzung dann aber unterbrochen. Jetzt können einfach wieder weitere Änderungsanträge eingebracht werden, um schlimmstenfalls alles wieder auf null zu setzen.
Ganz so scheint es aber immerhin nicht zu passieren: Die Regierung hat jetzt an ihrer ursprünglichen Gesetzesvorlage ihrerseits Änderungen vorgenommen, die Basis der Wiederaufnahme der parlamentarischen Diskussion Ende Februar (siehe unten wegen der erneuten Terminverschiebung) sein werden.
Diese Änderungen und Spezifizierungen umfassen die folgenden Punkte (Quelle: Libération):
- Die Strafen für Urheberrechtsverstöße werden auf ein vernünftigeres Maß gesenkt. Wo vorher kein Unterschied zwischen organisierter und geschäftlicher Praxis auf der einen Seite und den kleinen P2P-Nutzern auf der anderen gemacht wurde, so gelten für letztere nicht länger Strafen bis zu 300.000 € und drei Jahren Haft. Im Gegenteil, es heißt, dass Benutzer erst mehrmals schriftlich vorgewarnt werden sollen, bevor man sie belangt. Wobei so ein gestuftes Vorgehen auch vorher schon geplant gewesen sein soll, jetzt ist es aber ausdrücklicher verlangt. Und vorher endete das eben im Zweifelsfall im Gefängnis, nicht bei Geldbußen. Die sollen jetzt sogar im Falsch-
Parken- Bereich anfangen. - Es wird keine „Netzpolizei” eingerichtet. Eigentlich sollte es eine neue Behörde geben, die als einzige Aufgabe gehabt hätte, Urheberrechtsverstöße aufzudecken. Das wird nun wohl von Seiten der Regierung nicht mehr für wichtig erachtet. (Kleiner Kommentar von mir: Vielleicht richtet man sowas ein, aber es kümmert sich um die echten Schweine im Netz: Kinderpornohändler, Phisher und Spammer.)
- DRM und Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen bleibt illegal, solange dies im großen Maßstab erfolgt. Sprich: Software zu verbreiten, die so etwas ermöglicht, bleibt strafbar (bis zu 100.000 € und ein Jahr Haft, vorher war es jeweils das dreifache), einen Kopierschutz zu knacken, um beispielsweise Musik aus dem iTunes Music Store unter Linux zu hören, ist ausdrücklich erlaubt. Nein, ich verstehe auch nicht, wie die sich das vorstellen. Man darf z.B. mit dem MPlayer allen DRM-Kram hören, aber den Patch muss man selber schreiben? Sehr seltsame These. Entweder nicht genug nachgedacht oder eine Alibi-Wahrung des Rechtes auf Privatkopie.
- Man darf wie bisher vorgesehen bis zu fünf (Hausnummer) legale Privatkopien von heruntergeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken machen. Und das wie gesagt auch dann, wenn sie kopiergeschützt sind. Bei CDs und DVDs wird diese Zahl aber eventuell sogar noch kleiner sein. Auf die Schizophrenie dieser Kopienfeindlichkeit habe ich ja schon hingewiesen.
Jetzt also die Preisfrage, hat die licence globale noch eine Chance? Die kurze Antwort darauf lautet wohl: Wahrscheinlich nicht. Die etwas längere: Wahrscheinlich nicht... aber wer weiß?
Das politische und Medienecho auf die Abstimmung im Dezember war ziemlich heftig (zumindest wenn man bedenkt, dass das Thema eigentlich keine Sau interessiert) und meist (also in den großen Medien, abseits davon sieht's besser aus) wird nur gesagt, wie schlimm das wäre und wie sehr die Künstler dagegen wären (kommt auf die Künstler an) und man könne doch etwas illegales nicht legal machen (siehe hierzulande auch das Argument der FDP), wo kämen wir denn da hin. Vor allem werden Anhänger der Kulturflatrate jetzt gerne in die Spinner-Ecke gestellt. Es gibt allerdings auch in den großen Medien lobenswerte Ausnahmen.
Ein Argument allerdings, das mir besonders gefällt und das immer wieder kommt: Wenn überhaupt, müsse die monatliche Abgabe 70 € betragen und nicht 7 (oder 4 oder 10), wie bisher geplant. Aha. 70 Euro. Pro Monat, pro Person. Wer hat denn da versucht, zu rechnen? Um die Industrie und die Künstler so wie bisher am Leben zu erhalten, müsste jeder Internetnutzer doch einfach nur das an Pauschale zahlen, was ein durchschnittlicher Plattenkäufer und Kinogänger früher im Monat ausgegeben hat (wohlgemerkt nur dann, wenn alle Leute mit Internet gar nicht mehr ins Kino gehen und auch keine CDs und DVDs mehr kaufen). Und das sollen 70 € sein? Da zieh ich den Durchschnitt aber ziemlich runter, ich kauf mir weniger als eine CD im Monat und gehe vielleicht zwei- oder dreimal ins Kino im Schnitt. Da müssen am anderen Ende der Skala einige aber ganz schön zulangen. Und ich glaub nicht dran. Abgesehen davon hat doch keiner ein Interesse daran, die Plattenindustrie am Leben zu erhalten. Gut, da kommt dann natürlich sofort das Argument mit den Arbeitsplätzen. Aber dem widme ich mich lieber in einem anderen Artikel irgendwann.
Wie auch immer, bei dem medialen und politischen Gegenwind muss man jetzt schon recht standhaft sein, um als Politiker nicht sein Fähnchen nach dem Sturm zu drehen. Die einzige Hoffnung ist, dass viele Abgeordnete genau deshalb bei ihrer Entscheidung bleiben, weil sie nicht als Opportunisten dastehen wollen. Oder, falls sie damals nicht mit abgestimmt haben, wollen sie vielleicht nicht einfach den Spitzen ihrer Partei folgen. Die Abgeordneten der UMP schweigen jedenfalls oder äußern sich gegen die licence globale, die Sozialisten sind zerstritten; so oder so sind aber die jeweiligen Parteispitzen gegen die licence globale. (Quelle: Ratiatum.com). Aber es waren ja eh nur ungefähr 10% der Abgeordneten anwesend in dieser Nacht des 21. Dezember. Was mit den vielen Abgeordneten sein wird, die wohl zur Abstimmung getreten werden, sich aber bisher nicht geäußert haben? Keiner weiß es genau.
Wenn die Abstimmung in Deutschland wäre, wäre ich mir aber praktisch sicher, dass das Projekt tot wäre. Parteidisziplin und die Angst vor tobenden Parteispitzen wäre viel zu groß. Aber in Frankreich ist das nicht so sicher. Wie groß aber die Chance ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich halte sie jedoch auch hier für sehr, sehr klein.
Was wirklich nervenaufreibend daran ist: Wir wissen es eben erst genau, wenn die Abstimmung gelaufen ist und das wird jetzt offenbar noch länger dauern. Erst Ende Februar, Anfang März, nach der nächsten Pause des Parlaments soll die Debatte jetzt laut abeilleinfo.com weitergehen. Der Grund: Die UMP und die Sozialisten wollen sich erst jeweils innerparteilich einig werden.
Oh und eine Sache, die ich noch gar nicht thematisiert gefunden habe: Selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass das Ding durch die Nationalversammlung kommt, dann ist da immer noch der Senat. Halleluja.
Update 19. Januar: Lionel Thoumyre, Jurist und Mitglied der Künstlervereinigung Spedidam, glaubt, dass grade durch die ganze Lobbyarbeit und den Wirbel, der gemacht wird, um die licence globale kaputt zu reden, Abgeordnete zum Widerstand gegen diese hässliche Kampagne verleitet werden.
Dieser Artikel aus „La Vie Numerique” („Das digitale Leben”), sagt zwar auch, dass man, entgegen dem ersten Anschein, die licence globale noch nicht als tot und begraben betrachten soll – mehr als eine Sammlung von Argumenten für die Lizenz kann ich da aber nicht als Begründung herauslesen. Um Argumente geht es in dieser Debatte aber leider ja nur zweitrangig. Der Artikel beinhaltet aber auch den mit Abstand längsten Satz, den ich bisher im Französischen gesehen habe, vielleicht haben sie die Begründung darin irgendwo versteckt ;)
Update 20. Januar: Im Blog Écrans, wird von noch einer Änderung am Gesetzestext berichtet, die an anderer Stelle schonmal anklang, nämlich dass DRM-Systeme, die es nicht erlauben, die wenigen Privatkopien, auf die man ein Anrecht hat, zu machen, verboten werden sollen.
Update 23. Januar: In der Libération schreibt ein Prof von meiner Zweituni in Orsay heute, dass er durchaus für die licence globale wäre, allerdings nur als Übergangsregelung für drei oder vier Jahre. Danach solle sie neu bewertet und eventuell durch ein neues, besseres System abgelöst werden. Wie genau das aussehen soll, entnehme ich dem Artikel aber leider nicht.
Update 28. Januar: Vorgestern war ein positiver Kommentar zur licence globale in der Tageszeitung, die umsonst in der Métro ausliegt und von vielen gelesen wird und wo es die licence globale ja sogar aufs Titelblatt geschafft hat, als Sarkozy dazu Stellung nahm. Trotzdem ist meine bisherige, nicht repräsentative Erfahrung, dass nur wenige Leute überhaupt mit dem Begriff etwas anfangen können. Ungefähr die Hälfte derer, mit denen ich gesprochen habe, wussten auf Anhieb, was ich meine und dabei sind das ja nun tendenziell eher die Computer-Geeks.
In diesem schönen Streitgespräch in Libération werden verschiedene historische Parallelen aufgezeigt, wann zuletzt der Untergang des Musikmarktes heraufbeschworen wurde: Bei der Einführung der Schallplatte (die Partiturenvertreiber sahen sich am Ende), bei der Einführung des Radios (die Schallplattenhersteller sahen sich am Ende) und mit dem Aufkommen des Kassettengeräts (wieder das Ende der Schallplattenhersteller). Und jetzt stellt euch einen Plattenmarkt ohne Radio vor! Oder einen Musikmarkt ganz ohne Platten! Und es gibt inzwischen auch verschiedene Untersuchungen, dass die Leute, die am meisten Musik illegal herunterladen auch am meisten CDs kaufen. Radiohörer sind Verbrecher, hm?
Im Senat gibt es am 1. Februar einen runden Tisch, an dem Verbraucherorganisationen, Industrievertreter, ISPs und Vertreter von Freier Software teilnehmen sollen. Presse und Öffentlichkeit sind außerdem eingeladen, der Diskussion beizuwohnen. Und im eben verlinkten Artikel ist entsprechend auch gleich ein Aufruf enthalten, da zahlenmäßig richtig was herzumachen ;)
Derweil gibt es immer noch keinen exakten Termin, wann die Debatte in der Nationalversammlung um das Thema wieder losgeht, die Beteiligten haben sich noch nicht geeinigt. Sobald ich aber etwas höre, wisst ihr Bescheid.
2. Update 28. Januar: Wie PC entraide schreibt, hat die Regierung sich jetzt endgültig für einen Gesetzesentwurf entschieden, den sie bei Wiederaufnahme der Diskussion irgendwann Anfang März einbringen will. Viel hat sich nicht geändert, es sind vor allem Präzisierungen. Hier eine kurze Übersicht:
- Privatkopien kosten 150 € Strafe, wenn sie die zulässige Anzahl übersteigen
- Die Strafe auf Herstellung oder Verbreitung von Kopierschutzumgehungsmaßnahmen beträgt 100.000 € bzw. 1 Jahr Gefängnis
- Illegaler Upload wird mit 38 € Strafe sanktioniert
- Die Anzahl an erlaubten Privatkopien wird nicht durch ein Gesetz geregelt sondern durch eine Vermittlungskommission, die sich auch nicht dauerhaft auf eine Zahl festlegt, sondern diese immer wieder ändern kann
- Schließlich sagt der Artikel noch was über „Piraten”, denen 7.500 € Strafe blüht, aber wie genau ein Pirat definiert ist, wenn er grade keine Schiffe überfällt, steht da nicht. Nur etwas von „böswillig motivierten Handlungen”, die dazu nötig seien, aber wenn das ein juristischer Fachausdruck ist, dann kennt Leo ihn nicht.
Tja, aber wenn nicht hüh noch hott, was dann? Die PS schlägt die Einrichtung eines „regulierten öffentlichen Freiraums” (espace public de liberté régulé) im Netz vor. Ja, die Übersetzung hinkt, wenn ihr eine bessere habt, nur her damit. So oder so ein sehr heikler Ausdruck wie ich finde, im Endeffekt ist es ja nun kein regulierter Raum, sondern regulierte Freiheit. Was sich dahinter verbirgt ist allerdings nicht heikel sondern alt: Eine Plattform, wo Musikschaffende ihre Werke zum Download anbieten können, wenn sie das wollen. Vom Erlös soll ein Drittel des Geldes an die Autoren gehen, ein Drittel an die Interpreten und ein Drittel an eine öffentliche Einrichtung zur Kulturförderung. Genauer gesagt soll es verschiedene derartige Plattformen geben können. Die aber, die auf P2P-Basis arbeiten, müssen Möglichkeiten bieten, den Austausch am System vorbei verhindern zu können. Das aber wohlgemerkt ohne DRM, das soll nämlich in Frankreich nach Wunsch der PS ganz verboten werden.
Update 1. Februar: Auf eine ähnliche Position wie die PS stellt sich auch Hubert Guillaud, der Autor eines Artikels auf InternetActu.net. Er meint, dass DRM keine Zukunft haben darf, aber kritisiert, dass die Diskussion zwischen der pro-DRM- und der pro-licence-globale-Position festgefahren ist. Er findet, dass P2P als Medium zu singulär dargestellt wird und man stattdessen der Diversität der Kundenwünsche mit einer Diversität der Angebote entgegen kommen sollte. Dies würde auch der derzeitigen Diskussion aus der Sackgasse helfen.
Update 5. Februar: In Paris wurde vergangene Woche ein nachgewiesener Verbrecher einfach freigesprochen. Genauer gesagt ein Raubkopierer. Dass Leute freigesprochen wurden, weil sie nur runtergeladen haben und das irgendwie unter legale Privatkopie fiel, das ist wohl schon häufiger vorgekommen, so Silicon.fr, aber dass er trotz des Uploads nicht verurteilt wurde, hat er einem Richter zu verdanken, der sehr richtig gesehen hat, dass man bei Kazaa nicht runterladen kann, ohne gleichzeitig auch etwas hochzuladen. Spitze :) Ich meine wenn die Situation nicht wäre, wie sie ist, würd ich sagen, der Richter hat irgendwie den Schuss nicht gehört. Aber so nehm ich das einfach mal als Statement gegen das Gebahren der Medienindustrie.
Apropos, 30 Produzentenvereinigungen in ganz Europa haben sich nach einem Bericht von EchosDuNet zusammengetan, um einen Brief an Jacques Chirac zu schreiben. Natürlich um ihn aufzufordern, doch wieder diese albernen Rechte der Internetnutzer zu vergessen. Unter anderem auch die deutsche Arbeitsgemeinschaft Neuer Deutscher Spielfilmproduzenten. Deren Wir-über-uns-Abschnitt ist einen Blick wert.
Finde jetzt nur ich dieses „Gesprächs- und Verhandlungspartner” unter anderem ziemlich unheimlich? Warum soll man so eine Liste machen, wenn man einfach je nach Thema an einen x-beliebigen, passenden Abgeordneten schreibt? Klingt für mich mehr nach Stammkundschaft :/ Naja, das eine muss man ihnen zugute halten, sie nehmen kein Blatt vor den Mund, dass sie ein verdammtes Lobbyistenpack sind!
Ziel der AG ist es, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mitglieder. Dazu ist die AG in erster Linie auf
nationaler aber auch auf internationaler, insbesondere auf europäischer Ebene tätig. Ihre Gesprächs- und Verhandlungspartner sind vor allem:
[...][...]
- die für Film und Medien zuständigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Vertreter des Bundesrates,
- die für Film und Medien zuständigen Minister und Referenten von Bund und Ländern,
- die Partner in den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern,
[...]
- die Gewerkschaften,
- die für Film und Medien zuständigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Die AG verfolgt folgende Ziele und arbeitet an [...] der Verbesserung des Urheberrechts zur Stärkung der Rechtsposition und zum Schutz der Verwertungsrechte der Filmproduzenten, kontinuierlich zu verbessern.
[...]
Zur Durchsetzung ihrer Ziele ist die AG mit Sitz und Stimme vertreten in [lange Liste].
Update 7. Februar: Endlich in einem eigenen Artikel.
13 Comments:
Hi Christian,
> Gut, da kommt dann natürlich sofort
> das Argument mit den Arbeitsplätzen.
> Aber dem widme ich mich lieber in
> einem anderen Artikel irgendwann.
Ich weiss, die Idee eines Grundein-
kommens hoert sich sehr nett und an-
staendig an, aber du untergraebst
damit die Grundidee des Kapitalis-
mus, naemlich dass Arbeit aus materiellem Zwang heraus weit
billiger sein muss als die von
ihr erzeugten Werte. Das abzu-
schaffen hat ziemlich weitreichende
Konsequenzen, aber ich bin ge-
spannt, wie du die angehst.
Ohne eine zuenftige Enteignung,
befuerchte ich, wird das wohl nicht
ablaufen. Direkt oder indirekt.
Schoenen Gruss, Steve
By Anonym, at 20/1/06 00:29
du untergraebst
damit die Grundidee des Kapitalismus, naemlich dass Arbeit aus materiellem Zwang heraus weit
billiger sein muss als die von
ihr erzeugten Werte.
Es leuchtet mir nicht auf anhieb ein, dass die hergestellten Güter dann billiger sein müssen als die Arbeit, die dazu notwendig war. Kannst du mir das bitte erklären? Danach kann ich mir ja überlegen, wie ich das angehe ;)
Oh und wenn du dabei bist, kannst du mir ja deine Theorie vorstellen, wie man das Problem mit den via fehlender Lohnarbeit Ausgestoßenen lösen will. Eine "Du bist Deutschland! Selbst wenn du keinen Job hast"-Kampagne? Oder lieber: "Schreib dich nicht ab, lern Hobby und Ehrenamt"?
Ohne eine zuenftige Enteignung,
befuerchte ich, wird das wohl nicht
ablaufen. Direkt oder indirekt.
$ steve -v
Was ist eine indirekte Enteignung? Und ich sehe Enteignungen eigentlich erst für den Moment der totalen Vollautomatisierung kommen. Wenn ein Brötchen in der Herstellung genau nichts mehr kostet, wird man den Leuten dafür kein Geld aus der Tasche ziehen dürfen. Aber das ist noch etwas hin, das werden wir wahrscheinlich nicht erleben.
By mudd1, at 22/1/06 17:03
Hi Christian,
ich gebe zu, voriger Kommentar war etwas
verkürzt, sorry.
> Es leuchtet mir nicht auf anhieb ein, dass die
> hergestellten Güter dann billiger sein müssen
> als die Arbeit, die dazu notwendig war. Kannst
> du mir das bitte erklären? Danach kann ich
> mir ja überlegen, wie ich das angehe ;)
Das ist auch gar nicht zwingend, sondern nur,
dass die Arbeit nicht erheblich billiger ist.
==== Wirtschaft in 21 Tagen ======
Ich versuche mal, den Mehrwert in eine Nuss-
schale zu quetschen, auch wenn das wahrschein-
lich nicht notwendig ist, aber vollständig:
1. Alles ist Arbeit. Beispiel:
Kekse sind geleistete Arbeit des Traktoren-herstellers, des Bauern und des Baeckers.
2. Produktive Arbeit ist solche, die Waren schafft,
also Materialisierungen von Arbeit, die Zeit ueberdauern. Kekse backen ist produktive Arbeit;
Loecher graben und anschliessend wieder zuschuetten ist es nicht.
3. Man unterscheidet zwischen lebender Arbeit,
also solcher, die gerade geleistet wird, und realisierter Arbeit, also den Produkten lebender
Arbeit. Ersteres ist Backen, zweiteres Kekse.
4. Jeder Produktionsprozess wandelt realisierte
Arbeit und lebende Arbeit in mehr realisierte
Arbeit. Der Bäcker futtert die realisierte Arbeit
des Dönermanns und nutzt den Backofen des
Ofenmachers und seine eigene lebende Arbeit,
um mehr Arbeit (Kekse) zu realisieren.
5. Diese Wandlung führt gewöhnlich zu einer
Wertsteigerung, d.h., die Kekse sind nahrhafter
als die verbrauchten Döner. Das ist der Mehrwert.
Da verbrauchtes geleistete Arbeit stumpf ersetzt
wurde, muss diese Mehrarbeit aus der geleisteten
Arbeit stammen. Ohne Arbeit kein Verdienst!
Speziell zum Kapitalismus:
6. Produktionsmittel, also Arbeit, Boden und
Kapital, sind für produktive Arbeit unverzichtbar.
7. Alle Menschen müssen zur Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben produktiv oder
unproduktiv arbeiten.
8. Besitzer von Produktionsmitteln, Kapitalisten, können also Arbeit billig kaufen, da die
Besitzer derselben, die keine ausreichenden
Produktionsmittel besitzen, verkaufen
müssen.
==== VWL Ende ====
Meine Argumentation ist nun, dass sich
Kapitalismus und Grundeinkommen aus-
schließen, da das Grundeinkommen diesen
Zwang aufhebt, seine Arbeit verkaufen zu
müssen. Der Kapitalist muss also mehr Ar-
beit für Arbeit (sic!) ausgeben, was den
Mehrwert und somit die Rendite des Kapitals
zerstört. Und somit das System, denn Zinsen
sind Kapitaleinnahmen, Aktien ebenso.
Arbeit wird immer noch billiger als die er-
zeugten Werte sein, aber eben nicht so
signifikant, weil man nicht arbeiten _muss_.
Sorry, das war jetzt etwas -vvv.
Das Problem der via fehlender Lohnarbeit
Ausgestossenen ist systemimmanent, wenn
die Erhaltungskosten der Arbeitskraft lang-
samer als die Produktivität steigen. Die bei-
den Auswege sind Wertvernichtung mittels
eines Milchsees (auf lange Sicht unpraktisch,
da die Nordsee nur eine begrenzte Kapazität
hat) und unproduktive Arbeit. Selbige will
aber von jemandem gekauft werden, und das
wird sie momentan nicht, da die Menschen
lieber Kapital akkumulieren, was ja sehr ver-
nünftig ist.
Da gibt es zwei Lösungen:
Kapitalakkumulierung durch Vermögens-
steuer bestrafen oder das Wirtschaftssystem
des Kapitalismus verlassen. Ich bevorzuge
zweiteres, statt am Kapitalismus dumm rum-
zuflicken, und stehe da auch voll hinter deinem Grundeinkommen. Nur muss klar sein, wie
tief dieses Loch werden wird.
Die indirekte Enteignung ist übrigens die Ent-
wertung des Kapitals, die mit dem Ende des
Kapitalismus einhergeht, denn es kann seine
eigentliche Aufgabe, Menschen in Arbeit zu
zwingen, nicht mehr erfüllen.
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 23/1/06 12:56
Nachtrag:
Die ganze Argumentation ist
klassisch-marxistisch gehalten.
Ich glaube allerdings, dass
die Wissensgesellschaft darin
integrierbar ist, doch leider
reicht der Rand nicht aus, um
den Beweis zu fuehren.
Schoenen Gruss, Steve
By Anonym, at 23/1/06 15:29
Nun ja, den Zwang zu arbeiten in dem Sinne um sein Überleben zu sichern, sollte es ja auch in einer sozialen Marktwirtschaft nicht geben. Tatsächlich ist es aus Sicht der Motivation zur Arbeit belanglos, ob es einen Zwang oder einen Anreiz zur Arbeit gibt (natürlich nicht für die Menschen). Bisher ist ein Zwang zum Beispiel sozialer Druck oder neuerdings die Gesundheit und das Arbeitsamt. Einen Anreiz zur Arbeit gäbe es ja nach wie vor, da das Grundeinkommen ja keinen großen Luxus erlaubt. Den müsste sich jeder durch Erwerbs- oder Nichterwerbsarbeit beschaffen.
Es gäbe also maximal einen graduellen Unterschied in der Nachfrage nach Arbeit nach der Einführung eines Grundeinkommens und jetzt kann man orakeln, wie hoch dieser ausfiele (wenn überhaupt). Wenn die Nachfrage nach Arbeit in Köpfen um ungefähr 4-5 Millionen sinken würde, wäre das ja ganz gut ;)
Gerade übrigens der Nichterwerbssektor ist denke ich ein Feld mit großem Potential für Leute, deren Arbeit jetzt eben nicht angemessen entlohnt wird (ich pass auf deine Kinder auf, du flickst mir die Elektrik).
Und wenn sich herausstellt, dass bestimmte Arbeit besser bezahlt werden muss, sobald der Zwang zur Ausübung wegfällt, dann ist offensichtlich, dass diese Arbeit bisher nicht angemessen entlohnt wurde und somit schon immer eine Ausbeutung der betroffenen Menschen bedeutet hat ("Ausbeutung" meint in dem Fall mehr als bloß ein "Du arbeitest, ich streich den Gewinn ein").
Außerdem behaupte ich, dass das Problem mit den ausgeschlossenes Menschen auch dann systemimmanent wäre, wenn den Werbestrategen genug Ideen kämen, womit man die gewonnene Produktivität verballern kann. Das liegt daran, dass auch eine andere Eigenschaft dem System immanent ist: Die wachsende Asymmetrie bei der Verteilung der Reichtümer. Wenn die Spanne des Lebensstandards immer weiter auseinandergeht, kann man nicht mehr argumentieren, dass ja alle immer reicher werden. Vor allem dann nicht, wenn wegen Problem 1 ständig neuer Bedarf geschaffen wird, wo keiner ist.
Natürlich kann man argumentieren, dass die Leute noch vor hundert Jahren auch ganz gut ohne Fernseher ausgekommen und deshalb Leute, die sich so ein teures elektronisches Gerät nicht leisten können, keinen Grund zum Jammern haben. Man kann so zu argumentieren aber auch zynisch finden.
Zum Thema "Neuen Bedarf schaffen" schreibe ich aber die Tage noch einen Artikel über eine Werbung an meiner Bushaltestelle.
Um aber auch langsam zu einem Ende zu kommen: Ich glaube nicht, dass es zwingend ist, dass das Grundeinkommen den Kommunismus herbeiführt. Ich glaube auch nicht, dass der Kommunismus von heute auf morgen funktionieren kann. So sehr ich diese Idee der Nachbarschaftshilfe einen Rückschritt finde (Schön, dass ich Brötchen kriege, weil ich jemandem den Rechner geflickt habe, aber vielleicht schmecken dessen Brötchen ja scheiße? Ich möchte mir die Brätchen von überall aussuchen können, nicht nur aus meiner Kommune.), so sehr glaube ich aber doch, dass das ein Weg sein kann, die Leute an bestimmte Ideen zu gewöhnen. Aber eben nur als Ergänzung des Sektors der Lohnarbeit, nicht als Ersatz. Denn in einem sind sich glaub ich alle einig: Der Kommunismus scheitert vor allem an den Menschen, die leider ohne Anreiz auch nicht mehr die Arbeit machen, die gemacht werden muss. Und der heutige Mensch ist einfach überfordert, wenn er direkt in so ein großes System wie die UDSSR geschmissen wird. Ob er vernünftig arbeitet oder nicht, was ändert's? Gehirnwäschen sind da der falsche Weg, ein Hineinwachsen der Gesellschaft in ein gemeinschaftliches Denken eher der richtige.
Letztendlich gibt es aber eh kein wirklich perfektes System, solange es noch Arbeiten gibt, für die man erst künstliche Anreize schaffen muss. Aber wir leben nunmal in einer prä-vollautomatisierten Zeit und müssen sehen, dass wir das beste draus machen.
By mudd1, at 23/1/06 18:44
Ach noch was: Was haltet ihr zwecks Einführung des Grundeinkommens in Deutschland von einem "Vorbild Frankreich"? Man sorgt einfach dafür, dass außer ausgewählten Grünen und den Linken niemand mehr im Bundestag ist, wenn die Abstimmung läuft. Das gäb ein Trara in der Presse am nächsten Tag, dagegen wär die Überraschung am 22. Dezember das reinste Pokerface gewesen :D
By mudd1, at 23/1/06 18:46
Nun ja, den Zwang zu arbeiten in dem Sinne um sein Überleben zu sichern, sollte es ja auch in einer sozialen Marktwirtschaft nicht geben.
Den gibt es ja auch nicht. Was man auch ueber ALG II sagen will, es sichert dein Ueberleben. Was es nicht sichert, ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, denn das beruehmte Bierchen ist da nur ziemlich selten drin.
[Unterschied zwischen Zwang und Anreiz zur Arbeit]
Das macht auch aus Sicht des Arbeitgebers einen Unterschied, denn auf dem Zwang laesst sich viel bequemer verhandeln. Es sei denn, der Anreiz waere riesig, und der kommt ja fast nur ueber den Lohn.
Einen Anreiz zur Arbeit gäbe es ja nach wie vor, da das Grundeinkommen ja keinen großen Luxus erlaubt. Den müsste sich jeder durch Erwerbs- oder Nichterwerbsarbeit beschaffen.
Moment mal - wie beschaffe ich mir denn durch Nichterwerbsarbeit Lohn? Wenn ich den halben Tag mit kleinen Kindern Aristoteles lese und den anderen halben Tag die deutsche Verfassung schreibe, wo bleibt mein Luxus? Doch nur aus meinem
Grundeinkommen.
Gerade übrigens der Nichterwerbssektor ist denke ich ein Feld mit großem Potential für Leute, deren Arbeit jetzt eben nicht angemessen entlohnt wird (ich
pass auf deine Kinder auf, du flickst mir die Elektrik).
Ah, da laeuft der Hase hin. Das ist aber immer noch Erwerbsarbeit, naemlich Arbeit zum Zwecke der Erhaltung von Dienstleistungen, weil der Nachbar mit seinem Kapital (Wissen) nun mal mit weniger Arbeit die gleiche Arbeit produziert.
Du unterstuetzt also niedrig entlohnte Arbeit mit einem Grundeinkommen - wird das nicht einen Saugeffekt auf die unteren Einkommensklassen haben?
Außerdem behaupte ich, dass das Problem mit den ausgeschlossenes Menschen auch dann systemimmanent wäre, wenn den Werbestrategen genug Ideen kämen, womit man die gewonnene Produktivität verballern kann. Das liegt daran, dass auch eine andere Eigenschaft dem System immanent ist: Die wachsende Asymmetrie bei der
Verteilung der Reichtümer.
Wieso denn nicht? Es bedeutet nur, dass viele Menschen arbeiten, um einigen ein schoenes Leben zu ermoeglichen. Das ist ungerecht, aber der Kapitalismus an sich hat da kein Problem mit. Hat ja jeder Arbeit, und wenn man dem Blag des Verlagseigners den Hintern abwischt.
Wenn die Spanne des Lebensstandards immer weiter auseinandergeht, kann man nicht mehr argumentieren, dass ja alle immer reicher werden.
Vorsicht, kann man auf absoluter Basis. Die Armen werden nur erheblich langsamer reich und so entsteht Ungerechtigkeit und gefuehlte Armut, doch reicher werden
sie trotzdem.
Vor allem dann nicht, wenn wegen Problem 1 ständig neuer Bedarf geschaffen wird, wo keiner ist.
Du kannst keinen Bedarf schaffen, wo keiner ist. Du kannst hoechstens
bestehenden Bedarf (ein Schwanzersatz) in konkrete Produkte (Mercedes S-Klasse) fokussieren. Und Bedarf ist ja genug da, das Land braucht schon seit Jahrzehnten ein gutes und billiges Holodeck oder einfach mehr Lehrer, er kann nur nicht gedeckt werden.
Natürlich kann man argumentieren, dass die Leute noch vor hundert Jahren auch ganz gut ohne Fernseher ausgekommen und deshalb Leute, die sich so ein teures elektronisches Gerät nicht leisten können, keinen Grund zum Jammern haben. Man kann so zu argumentieren aber auch zynisch finden.
Es ist gar nicht so zynisch, wenn du eindimensional und absolut denkst. Ein Mensch braucht zum Leben keinen Fernseher. Er braucht diesen, in gewissen Schichten, sehr wohl zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Und das ist pervers, aber nicht zynisch, IMHO.
Um aber auch langsam zu einem Ende zu kommen:
Fass dich ruhig so lang, wie du moechtest, ich lese schnell und andere eh nicht mehr mit ;-).
Ich glaube nicht, dass es zwingend ist, dass das Grundeinkommen den Kommunismus herbeiführt.
Beep: False dilemma detected.
Oder anders formuliert, ich glaube an die Existenz eines vierten Weges zwischen Kapitalismus, Kommunismus und sozialer Marktwirtschaft, von denen sich ja letztere als instabil erwiesen hat. Der Kommunismus an sich ist ja recht intelligent als Strohpuppe genutzt worden, um den Kapitalismus zu stuetzen -- es gibt einen guten Grund, wieso Trotzky
weder im Osten noch im Westen viel Beachtung fand.
Ich behaupte nur, das Grundeinkommen nehme dem Kapitalismus seine Grundlage. Was dann kommt: Mal sehen.
So sehr ich diese Idee der Nachbarschaftshilfe einen Rückschritt finde [...], so sehr glaube ich aber doch, dass das ein Weg sein kann, die Leute an bestimmte Ideen zu gewöhnen.
Das Woertchen "Nachbarschaftshilfe" passt hier sehr gut, denn mit nicht monetaer entlohnter Arbeit kriegst du erstmal sehr viel kleinere Wirtschaftskreislaeufe, da man Werte nicht frei konvertieren kann.
Kleine Kreislaeufe sind erstmal arbeitsineffizienter, was fuer uns alle weniger Lebensstandard hiesse.
Ich habe kein Problem mit Geld und Geldwirtschaft, das ist die vernuenftigste Art, danke zu sagen.
Aber eben nur als Ergänzung des Sektors der Lohnarbeit, nicht als Ersatz.
Definitiv. Die Abschaffung der Lohnarbeit ist auch gequirlte Kacke, denn ich finde es durchaus richtig, dass der Mensch, der mehr gearbeitet hat, auch mehr Schokolade bekommen soll - was Affen motiviert, kann fuer Menschen nicht verkehrt sein.
Was mir gegen den Strich geht, ist das Privateigentum an Produktionsmitteln. Im Falle des Wissens kann man das leider schlecht verhindern, im Falle der Arbeit finde ich das sogar gut, aber Boden und Kapital gehoeren in die Allmende. Dann hat sich auch dieses fiese Problem der Steuern erledigt, denn die schoepft man gleich mit den Gewinnen des oeffentlichen Kapitals ab.
Es ist nicht gerecht, wenn Depp A deswegen, weil er vor 10 Jahren mal etwas getan hat, konstant Gewinne aus dieser vergangenen Arbeit zieht, sprich, unendliche Arbeit fuer endliche Arbeit erhaelt.
Ein Wirtschaftssystem dieser Art hiesse uebrigens korrekt Sozialismus. Ist aber ein politischer eher unkluger Begriff, deshalb lieber die Finger von dieser
Benennung lassen. Ein sozialistisches System ist auch leider sehr anfaellig gegenueber der "Tragik der Allmende", also Ausnutzung, was man irgendwie regeln muss. Aber das ist ein anderes Thema.
Denn in einem sind sich glaub ich alle einig: Der Kommunismus scheitert vor allem an den Menschen, die leider ohne Anreiz auch nicht mehr die Arbeit machen, die gemacht werden muss. Und der heutige Mensch ist einfach überfordert, wenn er direkt in so ein großes System wie die UDSSR geschmissen wird.
Die gesamten Sowjetrepubliken haben nie kommunistisch gearbeitet. Sie setzten eine sozialistische Diktatur um, die urspruenglich als Vorbereitung eines Kommunismus gedacht war und deshalb nicht sauber ausgearbeitet. Nimm dazu fehlendes Proletariat und eine Diktatur, und du hast den Kern des Scheiterns.
Ob er vernünftig arbeitet oder nicht, was ändert's?
Ebend. Da musst du eine Motivation finden, so dass es etwas aendert. Rausschmiss zum Beispiel. Durch eine demokratisch legitimierte Institution statt durch den despotischen Kapitaleigner.
Gehirnwäschen sind da der falsche Weg, ein Hineinwachsen der Gesellschaft in ein gemeinschaftliches Denken eher der richtige.
D'accord. Gehirnwaeschen sind logistisch einfach nicht machbar. Und schon mal ganz schlecht, wenn du falsch waeschst.
Letztendlich gibt es aber eh kein wirklich perfektes System, solange es noch Arbeiten gibt, für die man erst künstliche Anreize schaffen muss.
Wieso? Es geht doch am Ende nur darum, denjenigen, der diese Arbeiten auf sich nimmt, angemessen zu entlohnen, und alle anderen nicht.
Aber wir leben nunmal in einer prä-vollautomatisierten Zeit und müssen sehen, dass wir das beste draus machen.
Ein schoenes Schlusswort -- und genau der richtige Halbsatz: Wir muessen aus der Zeit, in der wir leben, das Beste machen.
Schoenen Gruss, Steve
By Anonym, at 24/1/06 23:18
Hi Christian,
kanst du deine Artikel nicht
mit "touch; make public" oder dem
Aequivalent wieder in den Stream bekommen?
Schließlich sagt der Artikel noch was über „Piraten”, denen 7.500 € Strafe blüht, aber wie genau ein Pirat definiert ist, wenn er grade keine Schiffe überfällt, steht da nicht.
Ebend. Das ist einfach der Ersatz des Pirateriegesetzes von 1742, das damals noch Haengen und Vierteilen vorsah. Du weisst, Piraterie ist wieder im Kommen, bei der Besatzung heutiger Tanker reicht sogar ein Schlauchboot.
By Anonym, at 30/1/06 18:22
kanst du deine Artikel nicht
mit "touch; make public" oder dem
Aequivalent wieder in den Stream bekommen?
Nein, ich muss/kann gar kein make machen. Wenn der Artikel noch innerhalb der angezeigten ist, wird er allerdings als ungelesen markiert, wenn ich etwas ändere. Wenn nicht... dann nicht.
Du weisst, Piraterie ist wieder im Kommen, bei der Besatzung heutiger Tanker reicht sogar ein Schlauchboot.
Haha! Man stelle sich das vor, ein kleines gelbes Schlauchboot schwankt vor einer sich endlos auftürmenden schwarzen Stahlwand und ein kleiner, aber unheimlich grimmig dreinguckender Kerl schreit mit entschlossener Stimme am Koloss nach oben: "Dies ist ein Überfall! Lassen Sie unverzüglich die Strickleiter herunter, damit wir Sie entern können!" ... Spitze =)
Oh und BTW, auf deinen anderen Kommentar antworte ich auch noch, keine Sorge. Muss nur die Muße finden.
By mudd1, at 30/1/06 18:31
Ej, das ist aber unfair. Da dikutiert ihr hier tagelang rum, ohne dass man ne Chance hätte das zu bemerken. Aber bis ich die ganze Diskussion nachgeholt habe, wird das auch noch etwas dauern.
Haha! Man stelle sich das vor, ein kleines gelbes Schlauchboot schwankt vor einer sich endlos auftürmenden schwarzen Stahlwand und ein kleiner, aber unheimlich grimmig dreinguckender Kerl schreit mit entschlossener Stimme am Koloss nach oben: "Dies ist ein Überfall! Lassen Sie unverzüglich die Strickleiter herunter, damit wir Sie entern können!" ... Spitze =)
Aber dazu gleich noch ein Kommentar. Das ist gar nicht lustig, weil das tatsächlich ungefähr so vorkommt. Nur sind die Piraten meist ziemlich gut bewaffnet. Die schiessen sogar mit Mörsergranaten auf Kreuzfahrtschiffe. Und Teile der Weltmeere sind für kleinere Schiffe quasi tabu. Der Einsatz der BW am Horn von Afrika ist wohl mittlerweile auch eher zur Sicherung der Schiffahrtsrouten gedacht.
By Anonym, at 30/1/06 19:55
Moment mal - wie beschaffe ich mir denn durch Nichterwerbsarbeit Lohn?
"Luxus", hab ich geschrieben, nicht "Lohn".
Wenn ich den halben Tag mit kleinen Kindern Aristoteles lese und den anderen halben Tag die deutsche Verfassung schreibe, wo bleibt mein Luxus? Doch nur aus meinem Grundeinkommen.
Also ich finde es einen Luxus, den ganzen Tag sowas machen zu können. Woher ich dann nen iPod bekomme ist natürlich die Frage, aber vielleicht kann man ja auch irgendwann nen Buch schreiben, wenn man sich genug gebildet hat. Oder die Eltern der Kinder legen zusammen. Oder man macht halt mal nen kleinen Job nebenbei.
Aber gerade Aristoteles hätte glaub ich ganz neu über Demokratie gedacht, wenn man ihm diese Möglichkeit vor Augen geführt hätte: Jeder, egal welcher Schicht er angehört, kann sich mit Künsten und Bildung beschäftigen. Naja, meinetwegen auch mit Tugend. Halt mit was er will. Aristokratie für jedermann. Minus die iPods. Aber das ist ja auch nicht der eigentliche Vorzug der Aristokratie, sondern die Möglichkeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, mit denen man sich nicht beschäftigen kann, wenn man für seinen Lebensunterhalt was tun muss. Früher haben die Menschen halt (berechtigterweise) keine andere Möglichkeit gesehen, als dass eine Oberschicht sich das leisten kann und eine Unterschicht dafür ackern muss. Heute kann eh nicht mehr jeder ackern, selbst wenn er das will... willkommen in Utopia also. Wir müssen noch noch Merkel überzeugt kriegen. Liest du die alten Griechen mit ihr?
Du unterstuetzt also niedrig entlohnte Arbeit mit einem Grundeinkommen - wird das nicht einen Saugeffekt auf die unteren Einkommensklassen haben?
Man unterstützt niedrig entlohnte Arbeit nur dann, wenn die Leute bereit sind, dafür die Arbeit auch zu machen. Wenn sich kein Müllmann mehr findet, weil sich alle sagen: "Bevor ich für vier Euro die Stunde morgens um 6 stinkende Scheiße durch die Gegend schleppe, mach ich lieber nix und leiste mir eben keinen iPod." Tja, dann muss man halt Müllmännern mehr bezahlen. Und dann wurden sie offensichtlich bislang nicht fair bezahlt.
Du kannst keinen Bedarf schaffen, wo keiner ist.
Oh aber ja doch! Eigentlich wollte ich da ja noch nen eigenen Artikel draus machen, aber da sie mir eh schon nach ner Woche die Werbung abgehangen haben, bevor ich ein Foto gemacht habe: Da wurde ich nämlich an der Bushaltestelle neulich - um es milde auszudrücken - überrascht von einem großen Plakat, das suggestiv fragte: "Zu jung für eine Anti-Falten-Crème?" Du kannst mir nicht erzählen, dass Zwölfjährige bisher einen Bedarf an Antifaltencrème hatten. Aber bitteschön, bald haben sie einen. Auch der Bedarf an Fernsehern war früher geringer. Und der an Handys und an iPods. Wenn die Gesellschaft reicher wird, muss man die Leute halt nur auf Ideen bringen, was sie jetzt unbedingt brauchen, was sie vorher nie vermisst haben. Zum Beispiel Antifaltencrème vor dem ersten BH. (Also um das richtig zu stellen: Ich weiß nicht, wie alt die Zielgruppe dieser Werbung war, das stand da nicht. Aber vom kapitalistischen Standpunkt aus ist jünger besser.) Ich warte auch eigentlich nur darauf, wann sie uns Männern beibringen, dass auch wir mit Make-up besser aussehen. Kommt bestimmt, keine Sorge. Wie viel Geld sich damit verdienen ließe! Quasi Make-up-Umsätze verdoppeln, ist doch der feuchte Traum eines jeden Kosmetik-CEOs.
Die Abschaffung der Lohnarbeit ist auch gequirlte Kacke, denn ich finde es durchaus richtig, dass der Mensch, der mehr gearbeitet hat, auch mehr Schokolade bekommen soll - was Affen motiviert, kann fuer Menschen nicht verkehrt sein.
Ich hätte es anders formuliert, aber prinzipiell ACK. Solange zumindest, bis Schokolade nichts mehr kostet, weil Energie für lau ist und Schokoernte und -herstellung automatisch erledigt werden. Ab da steh ich auf dem Standpunkt: Gebt jedem so viel Schokolade, wie er will. Dann brauch er nur noch Geld für die Fettabsaugung.
Ein sozialistisches System ist auch leider sehr anfaellig gegenueber der "Tragik der Allmende", also Ausnutzung, was man irgendwie regeln muss. Aber das ist ein anderes Thema.
Naja, das ist eigentlich genau der Punkt. Deswegen wird es nicht funktionieren. Sobald die Leute nicht mehr blicken, dass sie sich selber schaden, wenn sie nicht auf die Allmende aufpassen - und das geht schnell - ist das System tot. Also irgendwie mit Anreizen arbeiten, bis die Leute erwachsen geworden sind. Weiß nicht, ob sie das jemals werden werden (wir brauchen nen ordentliches Futur im Deutschen), aber warum eigentlich nicht. Wenn es sich herausstellt, dass es nicht geht, dann ist der Mensch wohl von Natur aus nicht dazu in der Lage, was wiederum hieße, dass des Menschen Natur für die Tonne ist und in dem Punkt geändert gehört. Aber das überlassen wir lieber Generationen, die etwas mehr Überblick haben als wir.
Was mir gegen den Strich geht, ist das Privateigentum an Produktionsmitteln.
Der Eigentümer von Produktionsmitteln wird dir vorhalten, dass das seine Schokolade ist. Er hat sein Geld eben nicht für iPods und Schokolade ausgegeben sondern für Produktionsmaschinen.
Und leider hat sich darüber hinaus auch herausgestellt, dass Monopole immer den Hang haben, die Einstellung der Menschen dahinter zu teilen, nämlich sich mangels Motivation einen Dreck zu kümmern. Und das trifft auch auf staatliche Monopole zu.
Gehirnwaeschen sind logistisch einfach nicht machbar. Und schon mal ganz schlecht, wenn du falsch waeschst.
Mein Fortune von neulich: Children are natural mimic who act like their parents despite every effort to teach them good manners.
Lustig, aber vor allem nur zu wahr: Du kannst Leuten nicht freies Denken in den Kopf prügeln. Du kannst Leute nicht erziehen. Nichtmal Kinder. Zumindest nicht zu Guten Menschen[tm]. Das ist wie Flüssigseife erwürgen. Du kannst ihnen nur vorleben. (Extrinsisch motivieren rechne ich dabei nicht pauschal zu Erziehung!)
Ein schoenes Schlusswort -- und genau der richtige Halbsatz: Wir muessen aus der Zeit, in der wir leben, das Beste machen.
Ich wollt den Gandalf nicht bringen, aber du kannst dich mal wieder nicht beherrschen ;)
By mudd1, at 2/2/06 00:38
[... Auslassung und Umordnung ...]
[Lohn aus Nichtwererbsarbeit]
"Luxus", hab ich geschrieben, nicht "Lohn".
Das ist korrekt. Nur brauche ich, um diesen Luxus in einem Wirtschaftssystem durch Arbeit zu erwerben, irgendeinen Lohn, oder generell etwas durch die Arbeit Erworbenes. Es sei denn, wir definieren Luxus auch als immateriellen und außerhalb des Wirtschaftskreislaufs stehenden Luxus, dann siehe weiter unten.
[Aristoteles mit kleinen Kindern lesen und Verfassung schreiben]
Also ich finde es einen Luxus, den ganzen Tag sowas machen zu können.
Sowas mögen wir erstmal als Luxus sehen, aber das nur solange, wie die kleinen Kinder in Garten und Parlament ruhig zuhören und nicht nervig werden. Danach wird das Arbeit, und die will man erstmal nicht machen.
Lustig, aber vor allem nur zu wahr: Du kannst Leuten nicht freies Denken in den Kopf prügeln. Du kannst Leute nicht erziehen. Nichtmal Kinder. Zumindest nicht zu Guten Menschen[tm]. (Extrinsisch motivieren rechne ich dabei nicht pauschal zu Erziehung!)
Hätte Aristoteles anders gesehen. Wenn du wirklich freies Denken willst, dann kannst du ihnen das auch beibringen, indem du extrinsisch motivierst, keine richtige Lösung vorgibst und das solange wiederholst, bis es im Erwachsenen tief genug sitzt. Funktioniert bei Herdplatten ganz hervorragend. Für freies Denken will das nur heutzutage keiner, denn es bedeutet im Zweifel Nichtkonsum.
Aber gerade Aristoteles hätte glaub ich ganz neu über Demokratie gedacht, wenn man ihm diese Möglichkeit vor Augen geführt hätte: Jeder, egal welcher Schicht er angehört, kann sich mit Künsten und Bildung beschäftigen. Naja, meinetwegen auch mit Tugend. Halt mit was er will.
Lass mich doch erstmal die Magneten am alten Mann befestigen, bevor du Aristoteles im Grab rotieren lässt. Tugend ist ja erstmal nicht das, was jeder will, sondern das, was der tugendhafte Mensch täte, der ja sehr selten implementiert wird. Genauso, oft, mit Künsten und Bildung, doch diese sind trotzdem notwendig, um den Menschen zu verbessern. Fast schon nietzscheanisches Denken, aber ich muss auch zugeben, dass meine Rezeption dieser Ära ziemlich unvollständig ist.
Aristokratie für jedermann. Minus die iPods. Aber das ist ja auch nicht der eigentliche Vorzug der Aristokratie, sondern die Möglichkeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, mit denen man sich nicht beschäftigen kann, wenn man für seinen Lebensunterhalt was tun muss. Früher haben die Menschen halt (berechtigterweise) keine andere Möglichkeit gesehen, als dass eine Oberschicht sich das leisten kann und eine Unterschicht dafür ackern muss. Heute kann eh nicht mehr jeder ackern, selbst wenn er das will... willkommen in Utopia also. Wir müssen noch noch Merkel überzeugt kriegen. Liest du die alten Griechen mit ihr?
Merkel zu bilden ist kein Luxus ;-)
Aber hier liegt ja ein Hund begraben: Glaub mir, es gibt genug lohnende Tätigkeiten für alle Bürger. Bedenke nur mal, wie viele Oberleitungen im Münsterland vor dem nächsten Schneefall dringend unter die Erde gebracht werden müssen. Und wirtschaftlich lohnt sich das sogar, weil Unterleitungen billiger zu versichern sein dürften, bei all den Schneefallrisiken.
Tut mir leid, dass ich hier am Rande eine Strohpuppe verbrennen musste; kommen wir also zum eigentlichen Punkt, dem fehlenden Zwang zur Arbeit. Wenn ich mir die heutigen Statistiken so ansehe, arbeiten 30% der Menschen im primären und sekundären Sektor, und ich schätze, dass ein guter Teil des tertiären Sektors unentbehrlich ist - selbst abzüglich der Luxusgutproduktion hast du also eine Durchdringung allein von notwendiger Arbeit von bestimmt 40%. Sind wir optimistisch, bleiben davon 20% Arbeit für die Gesamtbevölkerung, die Mist sind, aber gemacht werden müssen: auf den Nachwuchs aufpassen, den Müll wegräumen, Parlamentarier betreuen.
Hast du ein Grundeinkommen, müssen die Menschen, die dies tun, irgendwie motiviert werden - wie?
Ihnen einen angemessenen Lohn zu zahlen, also einen Preis, zu dem der Eigner der Maschine die Arbeit genausogut selbst hätte machen können, heißt doch, ihm seinen Teil des Mehrwerts zu entziehen. (Ich lasse Wissen bewusst aus dem Spiel.)
Zu einem nicht angemessenen Lohn, wie heutzutage geschehend, holt keiner mehr den Müll ab.
Was also tun? Über Wissen steuern? Ganz schlecht, spricht gegen Bildung. Höchstens über "sozialen Druck", aber da zeigte die Geschichte auch eher mäßigen Erfolg, dafür Risiken und Nebenwirkungen. Ich finde den Druck zwar toll - aber er muss irgendwie unterstützt werden.
[Saugeffekt]
Man unterstützt niedrig entlohnte Arbeit nur dann, wenn die Leute bereit sind, dafür die Arbeit auch zu machen.
Ich ziehe den Einwand zurück, denn du hast Recht.
(Hätte ich ja auch besser wissen sollen, dass du ein Standardargument schon bedacht hast.)
Du kannst mir nicht erzählen, dass Zwölfjährige bisher einen Bedarf an Antifaltencrème hatten. Aber bitteschön, bald haben sie einen.
Ich gebe zu, dort ist die Theorie, dass sie Angst vor dem Älterwerden schon vorher hatten, recht wacklig.
Auch der Bedarf an Fernsehern war früher geringer. Und der an Handys und an iPods.
Gegenstimme! Der Bedarf an Unterhaltung war, zumindest bei mir, auch in Vorfernsehzeiten (jaja, die gute DDR) da. Ich habe mir zwar mit Holzfiguren und russischen Computern ausgeholfen, aber wie die lange Geschichte von Theater und Christentum beweist, ist der Bedarf nach passiver Unterhaltung so alt wie die Menschheit. iPods sind Musiker zum Mitnehmen und blicken auf eine lange Geschichte mindestens bis zur Flöte zurück. Dieser Bedarf ist nicht neu geschaffen, nur gelenkt. Womit du sicherlich recht hast, ist, dass niemand speziell dieses Produkt iPod brauchte, ein effizienteres, nicht so sehr gefühlsbeladenes hätte es auch getan.
Ich warte auch eigentlich nur darauf, wann sie uns Männern beibringen, dass auch wir mit Make-up besser aussehen. Kommt bestimmt, keine Sorge.
Ist da. Stichwort "metrosexuell".
[Mehr Arbeit - Mehr Schokolade]
Ich hätte es anders formuliert, aber prinzipiell ACK. Solange zumindest, bis Schokolade nichts mehr kostet, weil Energie für lau ist und Schokoernte und -herstellung automatisch erledigt werden. Ab da steh ich auf dem Standpunkt: Gebt jedem so viel Schokolade, wie er will.
Da liege ich auf einer Linie, aber du vergisst hier, dass es ja jemanden gibt, dem das Land gehört, und jemanden, dem die Schokoladenfabrik gehört. Du denkst an die asymptotische Endphase des klassischen Kapitalismus, in der der Produktionsfaktor Arbeit endgültig raus ist, wenn sich Kapital und Boden in Schokolade wandeln.
Lustigerweise vermutete Marx, dass die Schokolade dann wirklich umsonst wird, da der Kapitalist mangels Arbeit keine Mehrarbeit mehr abgreifen kann.
Der Eigentümer von Produktionsmitteln wird dir vorhalten, dass das seine Schokolade ist. Er hat sein Geld eben nicht für iPods und Schokolade ausgegeben sondern für Produktionsmaschinen.
Und er wird den Gegenwert an iPods erhalten, da habe ich gar kein Problem mit. Oder er bekommt diese iPods nicht, habe ich auch kein Problem mit, je nach politischer Situation. Er kann mir nicht erzählen, dass er diese Produktionsmaschinen kaufte, weil sie ihm so viel Freude machten und machen. Er hat diese Maschinen gekauft, um sich damit die Arbeit anderer Menschen anzueignen, und das ist moralisch nicht gut(tm).
Zugunsten der Rechtssicherheit sollte man natürlich die zweite Lösung, so es denn geht, vermeiden.
[Tragik der Allmende]
Also irgendwie mit Anreizen arbeiten, bis die Leute erwachsen geworden sind.
Entweder dies, positiv über Belohnung oder negativ über Druck, oder das Kapital den Menschen geben, die erwachsen sind. In einem "Sozialismus" (abgegrenzt von diesem schrecklichen Unsinn mit dem "real existierend" davor), der im Gegensatz zum Kommunismus ja durchaus Lohnarbeit kennt, muss man "nur" sauber den Sozialismus von seiner marxistischen Interpretation der Übergangsllösung trennen und den Menschen als materielles Wesen mit materiellen Bedürfnissen und somit als materiell motivierbar begreifen, denn:
Und leider hat sich darüber hinaus auch herausgestellt, dass Monopole immer den Hang haben, die Einstellung der Menschen dahinter zu teilen, nämlich sich mangels Motivation einen Dreck zu kümmern. Und das trifft auch auf staatliche Monopole zu.
Die Motivation der Kapitalverwalter lässt sich sehr simpel regeln: Sie werden erfolgsabhängig entlohnt. Der Unterschied zum heutigen Kapitalismus ist hier, dass man Erfolg weiter fassen kann als Gewinn - "Wir haben den Deich vor New Orleans um fünf Meter aufgestockt." ist keinen Cent wert, aber im Zweifel viele Menschenleben.
Wenn man jetzt noch Möglichkeiten hinzufügt, um dumme Staatsdiener umgehen oder absetzen zu können, hat man die Grundzüge eines Wirtschaftssystems, das Leistung belohnt, aber eben nur endlich belohnt und nicht immer wieder.
By Anonym, at 3/2/06 21:51
P.S.:
http://www.taz.de/pt/2006/02/03/a0206.1/text
By Anonym, at 3/2/06 22:01
Kommentar veröffentlichen
<< Home