Endlich wieder Fischbacken
Am Sonntag war schönes Wetter. Da hatte ich Lust, in einen Park zu gehen. Speziell dachte ich an den Parc de Sceaux, der ziemlich groß und sehr schön ist. Zwei Dumme ein Gedanke, meine Oma schlug unabhängig davon vor, mich dahin zu karren, weil sie eh ihre Freundin besuchen wollte, die direkt da nebendran wohnt. Ist ein wirklich toller Park, mit einem riesigen Bassin und Bänken an dessen Ufer und einer riesigen freien Fläche vor dem Schloss. Und es war ein schöner, sonniger Herbsttag, sodass die bunten Blätter an den Bäumen überall geleuchtet haben. Bevor ich da spazieren gehen konnte, habe ich aber noch der Freundin Hallo sagen müssen, was sich zu einer längeren Diskussion über Politik entwickelte: Für und Wider der großen Koalition in Deutschland, Aussichten des Arbeitsmarktes, politische Kultur in Europa etc. War nicht wirklich leicht auf Französisch, aber naja, immerhin hatte ich den Eindruck, dadurch auch ein kleines bisschen gelernt zu haben. Wirklich interessant war allerdings der blinde Glauben in die Politiker, besser gesagt in deren Ausbildung. Anscheinend ist es hier so, dass jeder, der in der Politik was werden will, eine bestimmte Grande Ecole besucht haben muss. Wenn man da runter käme, könne eigentlich nicht mehr viel passieren, weil man alle Fehler der Vergangenheit kennt und die nicht wiederholen würde. Und das wären überhaupt großartige Menschen, die da abgingen und nur solche könnten ein Land führen. Nun denn. Mir bleibt dieses französische Elitesystem sehr suspekt.
Apropos suspekt: Froschschenkel hab ich hier noch nie zu Gesicht bekommen, Name dieses Blogs hin oder her. Das einzig wirklich eklige, waren die Fischbacken, die ich vor etlichen Jahren mal zu essen gekriegt habe. Mit lauter Knorpeln und Schleim dran und der essbare Teil war auch nicht besser als der Rest des Fisches. Zumindest für einen Kretäng wie mich nicht. Und letzte Woche war es denn mal wieder so weit. Ich hab meine Tante besucht und meine Oma hatte Fischbacken mitgebracht. Meine Tante fragte mich aber netterweise, ob ich die denn essen wolle oder lieber ein paar Nudeln. Ich guckte mir die nochmal an, Schleim hab ich diesmal keinen gesehen, aber dafür rochen sie komisch und überhaupt war ich von den Dingern kuriert. Musste also so lange nicht überlegen und hab sehr leckere Nudeln mit einer Vier-Käse-Mikrowellensoße gekriegt, was eine sehr gute Entscheidung war, wie sich schnell rausstellen sollte. Meine Oma war die erste, die genüsslich in eine Fischbacke biss, meinte dann aber: "Hmm, die hier schmeckt etwas komisch. Mal eine andere probieren, ob die besser ist." Meine Tante war denn auch sofort alamiert: "Na also wenn du schon sagst, dass es 'etwas komisch' schmeckt, muss es wirklich widerlich sein." Meine Oma ist ansonsten nämlich total schmerzfrei, was essen angeht. Muss noch aus Kriegszeiten kommen die Macke. Sie isst sonst alles, sogar wenn's schon etwas schimmelig ist, was ich denn auch ziemlich widerwärtig finde. Und solange sie Brot noch irgendwie klein kriegt, isst sie es auch noch. Und Brot ist nicht teuer hier. Nur Nudeln, die isst sie nicht. Von allen Dingen der Welt, ausgerechnet Nudeln nicht. In egal welcher Variation. Das versteh wer will. Für mich natürlich ziemlich schlimm, weil 90% meiner Kochkunst aus Nudeln besteht und ich so immer den kulinarischen Eigenbrödler spielen muss. Jedenfalls biss meine Tante dann auch in eine ihrer Fischbacken und spuckte die umgehend wieder aus. "BAH! Ekelhaft, die schmecken ja voll nach Ammoniak!" Selbst meine Oma hatte nach ihrer dritten Backe genug. Ich hab meiner Tante dann von meinen Nudeln angeboten, aber sie wollte nicht und die beiden haben sich dann mit ihren Beilagen begnügt. Mann, war ich froh, mich nicht für die Fischbacken entschieden zu haben!
Am Montag war ich dann auch endlich mal wieder im Netz (Neinnein, das Netz zuhause ist immer noch nicht da. Vielleicht ist Tele2 so mit der Einführung von DSL in Deutschland beschäftigt, dass sie ihren guten alten Markt in Frankreich vernachlässigen). Da hab ich eine freudige Überraschung erlebt, als mir der Autor von einem Buch geantwortet hat, dem ich vor Wochen eine Mail geschrieben habe bezüglich seiner Theorie. Hatte aber schon den Glauben verloren. Dachte, dass sich so ein Ex-Cambridge-Prof vielleicht zu schick, mir zu antworten. Umso mehr war ich aus dem Häuschen, als er mir doch eine sehr nette Antwortmail geschickt hat. Von wegen er könne meine Bedenken verstehen, ich sei damit nicht alleine und er teile sie inzwischen sogar, sodass er ein neues Buch geschrieben habe, aus dem er mir dann auch noch einen Auszug geschickt hat. Sehr cool das. Hab den Auszug gelesen und ihm eine Antwortmail geschickt. Mal sehen. Der hat übrigens auch mal am ZiF gearbeitet, witzig das :) Auf jeden Fall schon eine dolle Sache das mit diesen E-Mails. Bin immer noch fasziniert von solchen Sachen. Früher hat man irgendwas in einem Buch gelesen, was einen gestört hat und hat sich geärgert und es gut sein lassen. Heute kann man mit dem Autor darüber diskutieren. Wow. Das nenn ich wirklich mal schöne neue Welt.
Was nicht so schön ist in der Welt hier, ist der Kriegszustand in Clichy-sous-Bois. Meine Oma ist der Meinung, dass das Nachahmen der Ausschreitungen dort der Grund dafür war, dass sie einer Freundin von ihr in Marseille das Auto abgebrannt haben! Wahnsinn, verrückt die Welt. Und weil in Marseille nach den Korsikaschiffern nun der ÖPNV schon seit Wochen streikt, konnte sie nicht mal zur Polizei, um eine Anzeige zu erstatten.
Gestern war dann wieder mal schönes Wetter, sodass ich beschlossen habe, den Kanal Saint-Martin zu besuchen, den ich noch nie gesehen habe, obwohl ich ja schon ein paarmal in Paris war. Und ich weiß wirklich nicht, warum die Pariser so ein Aufhebens darum machen, ob man in der Banlieue wohnt oder in Paris. Es gibt in Paris genauso fiese Ecken wie in den Vororten und umgekehrt gibt es Vororte, die den absoluten Luxus ausstrahlen. Wie Sceaux (das mit dem Park oben): Breite Alleen, Plätze mit Brunnen überall, Blumen und Grün, schöne Häuser, Ruhe und zwitschernde Vögel. Total das Paradies. Und um den Kanal Saint-Martin sind lauter hässliche Häuser und die Leute sind viel vorortiger und überhaupt ist es keine schöne Gegend. Zumindest was den oberen Teil angeht. Hab nur den gesehen, muss an einem anderen Tag noch zum unteren Teil gehen. Naja, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm wie Clichy-sous-bois (da war ich noch nicht und momentan ist wohl auch ein schlechter Zeitpunkt), aber angenehm war's nicht da. Der Kanal wäre aber ganz hübsch, wenn es nicht so stänke. Oben, wo er gestaut wird, ist fast ein bisschen Atmosphäre wie in einem Hafen, nur das Salz in der Luft fehlt. Aber es war sogar ein Segelboot da und man kann sich an den Kai in die Sonne setzen und den Wellen lauschen, die gegen das Ufer plätschern.
Hab dann ein Café gesucht. Bin einfach irgendwo aus der Métro gehüpft (Quatre Septembre) und dachte, es kann ja nicht so schwer sein in Paris ein Café zu finden (bin dann die halbe Linie 3 wieder zurückspaziert bis "République"). Naja, ist es auch nicht. Nur was mich schockiert hat ist, dass die allermeisten so einen gewissen Autobahnraststättencharme ausstrahlen. Also nicht wirklich viel Charme at all. Naja, hab dann doch noch was gefunden, was mehr Kneipe als Café war, aber ganz nett. Hatten leider nix Heißes mehr, also bin ich gleich zum Bier übergegangen. Das war mit 1,60 Euro auch ganz human bepreist. Dann brauchte ich was zu essen. Mit dem Vorsatz, nicht wieder zu McDo zu gehen, hab ich mir die Speisekarte eines nicht zu teuer aussehenden Restaurants angeguckt. Als ich die dicke "10" neben der Pizza gesehen habe, hab ich schnurstracks auf das Burgerparadies zugehalten. Ich meine ich musste ja eh noch ausprobieren, ob man tatsächlich mit der Carte ImaginR (dem "Semesterticket" hier) billiger an sein Menü kommt. Kommt man tatsächlich (Schlag das mal wer dem AStA in Bielefeld vor...). Aber irgendwie muss ich noch bezahlbare Nahrungsquellen hier ausmachen, die nicht BigMac heißen und auch nicht Crêpe, denn die Crêpes hier schmecken nicht wirklich gut. Vielleicht in einem Restaurant, aber dann zahlt man sich wieder doof. Ich will wieder Hirschragout für knapp 5 Euro im Westend futtern!
Naja, jedenfalls bin ich dann zu meiner Jazzkneipe aufgebrochen. Wollte früh da sein, da ich befürchtete, dass bei Live-Musik und so der Laden gerammelt voll sein könnte, wenn ich just in time ankomme. Naja, Pustekuchen, in Paris war heute Abend irgendwie nix los. Aber machte ja nix. Nur wurd mir etwas komisch, als auf dem Schild des Mojito Habana neben vielen anderen Titeln auch "Club privé" stand. "Lassen die mich rein?" fragte ich mich. "Und wenn, muss ich dann halbnackten Frauen Geld in den Ausschnitt stopfen?" Hab also noch eine Runde um den Block gedreht und mich dann reingetraut. "privé" hieß, so dachte ich mir dann zuerst, dass die sich alle kennen hier. Aber da man sehr nett zu mir war, machte mir das nichts. Das einzige, was komisch war, war, dass die ständig die Musik geändert haben. So als würden sich zwei an der Stereoanlage kloppen. Und vom Ambiente konnte es unmöglich mit dem Blue Tomato in Wien mithalten, das ich während der dortigen KIF das Glück hatte kennenzulernen. Hab erst an der Theke gesessen und noch ein bisschen "A Clockwork Orange" gelesen, von dem ich nicht lassen kann momentan. Dann wurd mir mein Rücken aua und ich hab mich mir's auf den Ledergarnituren da bequem gemacht. Mir gegenüber saß ein Mann, der sich schon vorher als sehr kommunikativ erwiesen hat, als er über alles mögliche mit der Wirtin sprach. Die schien nicht so erquickt, aber als er mich in ein Gespräch verwickelt hat, war ich eigentlich ganz froh, weil sowas immer eine gute Gelegenheit ist, mein Französisch zu trainieren und außerdem fand ich es auch so ganz interessant, auch wenn er mich in Deutschland wahrscheinlich ziemlich genervt hätte nach kurzer Zeit. Jedenfalls war das irgendwie ein Autobahnbaumaschinenhändler, der auch Deutschland ganz gut kannte, weil er da immer die Maschinen kauft, weil die Deutschen wohl die besten Autobahnbaumaschinen herstellen. Aber die Italiener wären inzwischen die einzigen, die noch Lager hätten, weswegen die viel schneller wären als Deutsche und Franzosen und das obwohl sie eine südliche Arbeitseinstellung hätten und was wäre eigentlich mit der deutschen Jugend los, er wolle ja mein Land nicht beleidigen und ich wäre sowieso anders, aber die wären nicht mehr wie die älteren Deutschen. Naja, ihr könnt euch ungefähr vorstellen, wie das abgelaufen ist. Ich hab gesagt, dass ich da noch nicht so drauf geachtet hätte, es aber sein könne, aber sicher nicht nur schlecht wäre, weil so mancher ältere, typisch Deutsche... nun ja. Da gab er mir Recht und das ganze ging ein bisschen so weiter bis die Musik anfing und die Kommunikation noch schwieriger wurde (er hatte vorher immer eine Zigarre im Mund, ich hab kaum ein Wort verstanden und musste immer nachfragen, woraufhin er seine Zigarre aus dem Mund nahm (meistens zumindest) und ich dann verstehen konnte was er wollte). Aber auch er hat mein Französisch gelobt, was mich trotzdem nicht tröstet irgendwie. Immer wieder guck ich in meine französische Grammatik, die ich mir glücklicherweise in Deutschland noch gekauft habe und bin jedes Mal voll frustriert von wegen "Das kann ich doch NIE alles lernen und noch weniger live auf die Reihe kriegen, buhuhuuu!". Und das nur nach ein paar Seiten und das Ding ist nicht gerade dünn. Oh übrigens hat er mir auch noch ein Bier ausgetan, was mich erst sehr gefreut hat und dann ziemlich besorgt hat, weil ich schon von zwei Schwulen eingeladen (also so eingeladen) wurde in meinem Leben (was leider Gottes deutlich mehr ist als von Frauen, ich weiß ihr teilt meine Trauer), sodass ich mich dann unweigerlich fragen musste, ob der mich auch nur ins Bett kriegen wollte. Zum Glück war dem nicht so. Er ist also gegangen, als die Musik kam. Und was für Musik. Ich hatte ja erst ein bisschen Bedenken, weil die nicht so vertrauenserweckend aussahen die Musiker (Maxim Saury und die Hot Papaz... ich dachte erst, das spielt auf "Peppers" an, aber "Papas" passt wohl tatsächlich besser...) und überhaupt schien sich kaum jemand für sie zu interessieren, so leer wie der Laden war. Aber die waren wirklich gut! Und hatten Spaß an ihrer Musik. Und die paar Leute, die da waren, auch, mich eingeschlossen. Haben richtig schöne Stimmung gemacht, nach Solos applaudiert und alles. Der Schlagzeuger saß erst nur dabei, sodass ich ihn für einen Zuschauer hielt, der etwas viel getrunken hatte, so wie er sich in den Mittelpunkt gedrängt hat und abgegangen ist, aber anscheinend gehörte er dazu und hatte sich nur einen Finger verletzt, was ihm dann aber irgendwann egal war und es hat ihn nichts mehr gehalten und er hat mitgespielt. Der war auch klasse, vor allem weil ich sowas vorher noch nicht gesehen hatte: Er hat sich auf jeden seiner Finger eine Art Fingerhut gepflanscht und hat damit dann Töne gemacht auf verschiedensten Oberflächen und Instrumenten. War toll, zuzugucken. Ich musste dann leider gehen, weil ich die letzte Métro noch kriegen wollte (obwohl ich jetzt auch endlich einen Nachtbusfahrplan habe), während der Keyboarder grade den anderen ein neues Stück beigebracht hat. Das sah so aus, dass er angefangen hat es zu spielen (mit "Ist nicht ganz leicht, naja, irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht."-Kommentaren) und die anderen dann irrsinnig schnell mitspielen konnten. Absolut bewundernswert. Ach was noch fehlt: Ich hab noch ein zweites Getränk bestellt und wollte dafür die Karte. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es etwas teurer werden könnte. Wollte trotzdem mal gucken, was so ein Cocktail kostet. Bei "13 Euro" hab ich mir dann aber doch gedacht "Nnnnnope, ich glaub es darf noch ein Bier sein." Guck also zu den Bieren rüber... und hab dann doch den Mojito genommen (Der war übrigens ganz gut gemischt, aber auch wieder mit rumschwimmenden Minzblättern. Igitt. Der neue Barmixer im Sausalitos (Gibt's denn noch? Gibt's den noch? Oder schmecken die Cocktails da schon wieder so scheiße wie früher und er war nur ne Aushilfe?) ist der einzige außer meinem Vater, der nen Mojito richtig macht, ohne Grün zwischen den Zähnen.), weil die 3 Euro den Kohl auch nicht mehr fett gemacht haben, hab ich mir gedacht. Mein lieber Herr Gesangsverein. Naja, irgendwie war die Karte dann doch nicht ganz akkurat, weil mein belgisches Bier hat dann doch nur 6 Euro gekostet und keine 10, aber mit 20 Euro (inklusive Trinkgeld) war das denn doch ein Abend, den ich nicht zu häufig machen kann glaub ich.
Wovon ich noch nicht erzählt habe, sind die Häuser, die ich in der Gegend gesehen habe. Der Laden war in einer Straße, die einen konzentrischen Kreis um den Kreisverkehr des Triumphbogens darstellt und da laufen ja neben den Champs-Elysée noch ganz viele andere Avenuen lang. Und in einer von denen war ich und das ist ja nun wirklich mitten in der Stadt, sodass man, wenn man zum Eiffelturm guckt, Angst hat, dass er einen erschlägt, wenn er mal umkippt, und die Avenue war auch ziemlich groß, aber umschlossen noch von einem breiten Grünstreifen, sodass die Häuser da alle völlig ruhig lagen, mit einer eigenen kleinen Straße vor der Tür, auf der nix los ist schätz ich, aber was viel wichtiger ist: Die Häuser sahen aus! Der Wahnsinn! Eins schöner als das andere, alle kleine Paläste, mit Entrées wie Hotelfoyers zum Teil, aber alle anders und kleinen Gärten und alt und fast zum Weinen schön. Eins am anderen und ich denke, wenn ich den Preis gesehen hätte, hätte ich wirklich weinen müssen. Aber das ging wirklich gar nicht, da lang zu laufen. Und ich dachte, meine Tante wohnt in nem Luxushaus. Aber auch wenn da Marcel Proust geboren wurde, kein Vergleich mit diesen Häusern in der... ich hab vergessen, zu gucken, wie die Straße heißt. Aber der Karte nach könnte es die Avenue d'Iéna gewesen sein, auch wenn die mit viel Grün am Rand die Avenue Foch ist. Muss ich wohl nochmal hingehen.
Apropos suspekt: Froschschenkel hab ich hier noch nie zu Gesicht bekommen, Name dieses Blogs hin oder her. Das einzig wirklich eklige, waren die Fischbacken, die ich vor etlichen Jahren mal zu essen gekriegt habe. Mit lauter Knorpeln und Schleim dran und der essbare Teil war auch nicht besser als der Rest des Fisches. Zumindest für einen Kretäng wie mich nicht. Und letzte Woche war es denn mal wieder so weit. Ich hab meine Tante besucht und meine Oma hatte Fischbacken mitgebracht. Meine Tante fragte mich aber netterweise, ob ich die denn essen wolle oder lieber ein paar Nudeln. Ich guckte mir die nochmal an, Schleim hab ich diesmal keinen gesehen, aber dafür rochen sie komisch und überhaupt war ich von den Dingern kuriert. Musste also so lange nicht überlegen und hab sehr leckere Nudeln mit einer Vier-Käse-Mikrowellensoße gekriegt, was eine sehr gute Entscheidung war, wie sich schnell rausstellen sollte. Meine Oma war die erste, die genüsslich in eine Fischbacke biss, meinte dann aber: "Hmm, die hier schmeckt etwas komisch. Mal eine andere probieren, ob die besser ist." Meine Tante war denn auch sofort alamiert: "Na also wenn du schon sagst, dass es 'etwas komisch' schmeckt, muss es wirklich widerlich sein." Meine Oma ist ansonsten nämlich total schmerzfrei, was essen angeht. Muss noch aus Kriegszeiten kommen die Macke. Sie isst sonst alles, sogar wenn's schon etwas schimmelig ist, was ich denn auch ziemlich widerwärtig finde. Und solange sie Brot noch irgendwie klein kriegt, isst sie es auch noch. Und Brot ist nicht teuer hier. Nur Nudeln, die isst sie nicht. Von allen Dingen der Welt, ausgerechnet Nudeln nicht. In egal welcher Variation. Das versteh wer will. Für mich natürlich ziemlich schlimm, weil 90% meiner Kochkunst aus Nudeln besteht und ich so immer den kulinarischen Eigenbrödler spielen muss. Jedenfalls biss meine Tante dann auch in eine ihrer Fischbacken und spuckte die umgehend wieder aus. "BAH! Ekelhaft, die schmecken ja voll nach Ammoniak!" Selbst meine Oma hatte nach ihrer dritten Backe genug. Ich hab meiner Tante dann von meinen Nudeln angeboten, aber sie wollte nicht und die beiden haben sich dann mit ihren Beilagen begnügt. Mann, war ich froh, mich nicht für die Fischbacken entschieden zu haben!
Am Montag war ich dann auch endlich mal wieder im Netz (Neinnein, das Netz zuhause ist immer noch nicht da. Vielleicht ist Tele2 so mit der Einführung von DSL in Deutschland beschäftigt, dass sie ihren guten alten Markt in Frankreich vernachlässigen). Da hab ich eine freudige Überraschung erlebt, als mir der Autor von einem Buch geantwortet hat, dem ich vor Wochen eine Mail geschrieben habe bezüglich seiner Theorie. Hatte aber schon den Glauben verloren. Dachte, dass sich so ein Ex-Cambridge-Prof vielleicht zu schick, mir zu antworten. Umso mehr war ich aus dem Häuschen, als er mir doch eine sehr nette Antwortmail geschickt hat. Von wegen er könne meine Bedenken verstehen, ich sei damit nicht alleine und er teile sie inzwischen sogar, sodass er ein neues Buch geschrieben habe, aus dem er mir dann auch noch einen Auszug geschickt hat. Sehr cool das. Hab den Auszug gelesen und ihm eine Antwortmail geschickt. Mal sehen. Der hat übrigens auch mal am ZiF gearbeitet, witzig das :) Auf jeden Fall schon eine dolle Sache das mit diesen E-Mails. Bin immer noch fasziniert von solchen Sachen. Früher hat man irgendwas in einem Buch gelesen, was einen gestört hat und hat sich geärgert und es gut sein lassen. Heute kann man mit dem Autor darüber diskutieren. Wow. Das nenn ich wirklich mal schöne neue Welt.
Was nicht so schön ist in der Welt hier, ist der Kriegszustand in Clichy-sous-Bois. Meine Oma ist der Meinung, dass das Nachahmen der Ausschreitungen dort der Grund dafür war, dass sie einer Freundin von ihr in Marseille das Auto abgebrannt haben! Wahnsinn, verrückt die Welt. Und weil in Marseille nach den Korsikaschiffern nun der ÖPNV schon seit Wochen streikt, konnte sie nicht mal zur Polizei, um eine Anzeige zu erstatten.
Gestern war dann wieder mal schönes Wetter, sodass ich beschlossen habe, den Kanal Saint-Martin zu besuchen, den ich noch nie gesehen habe, obwohl ich ja schon ein paarmal in Paris war. Und ich weiß wirklich nicht, warum die Pariser so ein Aufhebens darum machen, ob man in der Banlieue wohnt oder in Paris. Es gibt in Paris genauso fiese Ecken wie in den Vororten und umgekehrt gibt es Vororte, die den absoluten Luxus ausstrahlen. Wie Sceaux (das mit dem Park oben): Breite Alleen, Plätze mit Brunnen überall, Blumen und Grün, schöne Häuser, Ruhe und zwitschernde Vögel. Total das Paradies. Und um den Kanal Saint-Martin sind lauter hässliche Häuser und die Leute sind viel vorortiger und überhaupt ist es keine schöne Gegend. Zumindest was den oberen Teil angeht. Hab nur den gesehen, muss an einem anderen Tag noch zum unteren Teil gehen. Naja, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm wie Clichy-sous-bois (da war ich noch nicht und momentan ist wohl auch ein schlechter Zeitpunkt), aber angenehm war's nicht da. Der Kanal wäre aber ganz hübsch, wenn es nicht so stänke. Oben, wo er gestaut wird, ist fast ein bisschen Atmosphäre wie in einem Hafen, nur das Salz in der Luft fehlt. Aber es war sogar ein Segelboot da und man kann sich an den Kai in die Sonne setzen und den Wellen lauschen, die gegen das Ufer plätschern.
Hab dann ein Café gesucht. Bin einfach irgendwo aus der Métro gehüpft (Quatre Septembre) und dachte, es kann ja nicht so schwer sein in Paris ein Café zu finden (bin dann die halbe Linie 3 wieder zurückspaziert bis "République"). Naja, ist es auch nicht. Nur was mich schockiert hat ist, dass die allermeisten so einen gewissen Autobahnraststättencharme ausstrahlen. Also nicht wirklich viel Charme at all. Naja, hab dann doch noch was gefunden, was mehr Kneipe als Café war, aber ganz nett. Hatten leider nix Heißes mehr, also bin ich gleich zum Bier übergegangen. Das war mit 1,60 Euro auch ganz human bepreist. Dann brauchte ich was zu essen. Mit dem Vorsatz, nicht wieder zu McDo zu gehen, hab ich mir die Speisekarte eines nicht zu teuer aussehenden Restaurants angeguckt. Als ich die dicke "10" neben der Pizza gesehen habe, hab ich schnurstracks auf das Burgerparadies zugehalten. Ich meine ich musste ja eh noch ausprobieren, ob man tatsächlich mit der Carte ImaginR (dem "Semesterticket" hier) billiger an sein Menü kommt. Kommt man tatsächlich (Schlag das mal wer dem AStA in Bielefeld vor...). Aber irgendwie muss ich noch bezahlbare Nahrungsquellen hier ausmachen, die nicht BigMac heißen und auch nicht Crêpe, denn die Crêpes hier schmecken nicht wirklich gut. Vielleicht in einem Restaurant, aber dann zahlt man sich wieder doof. Ich will wieder Hirschragout für knapp 5 Euro im Westend futtern!
Naja, jedenfalls bin ich dann zu meiner Jazzkneipe aufgebrochen. Wollte früh da sein, da ich befürchtete, dass bei Live-Musik und so der Laden gerammelt voll sein könnte, wenn ich just in time ankomme. Naja, Pustekuchen, in Paris war heute Abend irgendwie nix los. Aber machte ja nix. Nur wurd mir etwas komisch, als auf dem Schild des Mojito Habana neben vielen anderen Titeln auch "Club privé" stand. "Lassen die mich rein?" fragte ich mich. "Und wenn, muss ich dann halbnackten Frauen Geld in den Ausschnitt stopfen?" Hab also noch eine Runde um den Block gedreht und mich dann reingetraut. "privé" hieß, so dachte ich mir dann zuerst, dass die sich alle kennen hier. Aber da man sehr nett zu mir war, machte mir das nichts. Das einzige, was komisch war, war, dass die ständig die Musik geändert haben. So als würden sich zwei an der Stereoanlage kloppen. Und vom Ambiente konnte es unmöglich mit dem Blue Tomato in Wien mithalten, das ich während der dortigen KIF das Glück hatte kennenzulernen. Hab erst an der Theke gesessen und noch ein bisschen "A Clockwork Orange" gelesen, von dem ich nicht lassen kann momentan. Dann wurd mir mein Rücken aua und ich hab mich mir's auf den Ledergarnituren da bequem gemacht. Mir gegenüber saß ein Mann, der sich schon vorher als sehr kommunikativ erwiesen hat, als er über alles mögliche mit der Wirtin sprach. Die schien nicht so erquickt, aber als er mich in ein Gespräch verwickelt hat, war ich eigentlich ganz froh, weil sowas immer eine gute Gelegenheit ist, mein Französisch zu trainieren und außerdem fand ich es auch so ganz interessant, auch wenn er mich in Deutschland wahrscheinlich ziemlich genervt hätte nach kurzer Zeit. Jedenfalls war das irgendwie ein Autobahnbaumaschinenhändler, der auch Deutschland ganz gut kannte, weil er da immer die Maschinen kauft, weil die Deutschen wohl die besten Autobahnbaumaschinen herstellen. Aber die Italiener wären inzwischen die einzigen, die noch Lager hätten, weswegen die viel schneller wären als Deutsche und Franzosen und das obwohl sie eine südliche Arbeitseinstellung hätten und was wäre eigentlich mit der deutschen Jugend los, er wolle ja mein Land nicht beleidigen und ich wäre sowieso anders, aber die wären nicht mehr wie die älteren Deutschen. Naja, ihr könnt euch ungefähr vorstellen, wie das abgelaufen ist. Ich hab gesagt, dass ich da noch nicht so drauf geachtet hätte, es aber sein könne, aber sicher nicht nur schlecht wäre, weil so mancher ältere, typisch Deutsche... nun ja. Da gab er mir Recht und das ganze ging ein bisschen so weiter bis die Musik anfing und die Kommunikation noch schwieriger wurde (er hatte vorher immer eine Zigarre im Mund, ich hab kaum ein Wort verstanden und musste immer nachfragen, woraufhin er seine Zigarre aus dem Mund nahm (meistens zumindest) und ich dann verstehen konnte was er wollte). Aber auch er hat mein Französisch gelobt, was mich trotzdem nicht tröstet irgendwie. Immer wieder guck ich in meine französische Grammatik, die ich mir glücklicherweise in Deutschland noch gekauft habe und bin jedes Mal voll frustriert von wegen "Das kann ich doch NIE alles lernen und noch weniger live auf die Reihe kriegen, buhuhuuu!". Und das nur nach ein paar Seiten und das Ding ist nicht gerade dünn. Oh übrigens hat er mir auch noch ein Bier ausgetan, was mich erst sehr gefreut hat und dann ziemlich besorgt hat, weil ich schon von zwei Schwulen eingeladen (also so eingeladen) wurde in meinem Leben (was leider Gottes deutlich mehr ist als von Frauen, ich weiß ihr teilt meine Trauer), sodass ich mich dann unweigerlich fragen musste, ob der mich auch nur ins Bett kriegen wollte. Zum Glück war dem nicht so. Er ist also gegangen, als die Musik kam. Und was für Musik. Ich hatte ja erst ein bisschen Bedenken, weil die nicht so vertrauenserweckend aussahen die Musiker (Maxim Saury und die Hot Papaz... ich dachte erst, das spielt auf "Peppers" an, aber "Papas" passt wohl tatsächlich besser...) und überhaupt schien sich kaum jemand für sie zu interessieren, so leer wie der Laden war. Aber die waren wirklich gut! Und hatten Spaß an ihrer Musik. Und die paar Leute, die da waren, auch, mich eingeschlossen. Haben richtig schöne Stimmung gemacht, nach Solos applaudiert und alles. Der Schlagzeuger saß erst nur dabei, sodass ich ihn für einen Zuschauer hielt, der etwas viel getrunken hatte, so wie er sich in den Mittelpunkt gedrängt hat und abgegangen ist, aber anscheinend gehörte er dazu und hatte sich nur einen Finger verletzt, was ihm dann aber irgendwann egal war und es hat ihn nichts mehr gehalten und er hat mitgespielt. Der war auch klasse, vor allem weil ich sowas vorher noch nicht gesehen hatte: Er hat sich auf jeden seiner Finger eine Art Fingerhut gepflanscht und hat damit dann Töne gemacht auf verschiedensten Oberflächen und Instrumenten. War toll, zuzugucken. Ich musste dann leider gehen, weil ich die letzte Métro noch kriegen wollte (obwohl ich jetzt auch endlich einen Nachtbusfahrplan habe), während der Keyboarder grade den anderen ein neues Stück beigebracht hat. Das sah so aus, dass er angefangen hat es zu spielen (mit "Ist nicht ganz leicht, naja, irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht."-Kommentaren) und die anderen dann irrsinnig schnell mitspielen konnten. Absolut bewundernswert. Ach was noch fehlt: Ich hab noch ein zweites Getränk bestellt und wollte dafür die Karte. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es etwas teurer werden könnte. Wollte trotzdem mal gucken, was so ein Cocktail kostet. Bei "13 Euro" hab ich mir dann aber doch gedacht "Nnnnnope, ich glaub es darf noch ein Bier sein." Guck also zu den Bieren rüber... und hab dann doch den Mojito genommen (Der war übrigens ganz gut gemischt, aber auch wieder mit rumschwimmenden Minzblättern. Igitt. Der neue Barmixer im Sausalitos (Gibt's denn noch? Gibt's den noch? Oder schmecken die Cocktails da schon wieder so scheiße wie früher und er war nur ne Aushilfe?) ist der einzige außer meinem Vater, der nen Mojito richtig macht, ohne Grün zwischen den Zähnen.), weil die 3 Euro den Kohl auch nicht mehr fett gemacht haben, hab ich mir gedacht. Mein lieber Herr Gesangsverein. Naja, irgendwie war die Karte dann doch nicht ganz akkurat, weil mein belgisches Bier hat dann doch nur 6 Euro gekostet und keine 10, aber mit 20 Euro (inklusive Trinkgeld) war das denn doch ein Abend, den ich nicht zu häufig machen kann glaub ich.
Wovon ich noch nicht erzählt habe, sind die Häuser, die ich in der Gegend gesehen habe. Der Laden war in einer Straße, die einen konzentrischen Kreis um den Kreisverkehr des Triumphbogens darstellt und da laufen ja neben den Champs-Elysée noch ganz viele andere Avenuen lang. Und in einer von denen war ich und das ist ja nun wirklich mitten in der Stadt, sodass man, wenn man zum Eiffelturm guckt, Angst hat, dass er einen erschlägt, wenn er mal umkippt, und die Avenue war auch ziemlich groß, aber umschlossen noch von einem breiten Grünstreifen, sodass die Häuser da alle völlig ruhig lagen, mit einer eigenen kleinen Straße vor der Tür, auf der nix los ist schätz ich, aber was viel wichtiger ist: Die Häuser sahen aus! Der Wahnsinn! Eins schöner als das andere, alle kleine Paläste, mit Entrées wie Hotelfoyers zum Teil, aber alle anders und kleinen Gärten und alt und fast zum Weinen schön. Eins am anderen und ich denke, wenn ich den Preis gesehen hätte, hätte ich wirklich weinen müssen. Aber das ging wirklich gar nicht, da lang zu laufen. Und ich dachte, meine Tante wohnt in nem Luxushaus. Aber auch wenn da Marcel Proust geboren wurde, kein Vergleich mit diesen Häusern in der... ich hab vergessen, zu gucken, wie die Straße heißt. Aber der Karte nach könnte es die Avenue d'Iéna gewesen sein, auch wenn die mit viel Grün am Rand die Avenue Foch ist. Muss ich wohl nochmal hingehen.
3 Comments:
Hi,
> Mir bleibt dieses französische Elitesystem sehr
> suspekt.
Du hörst dich an, als hättest du noch nicht
den neuen taz-Werbespot gesehen.
"taz ist nicht für jeden. Das ist OK so."
Fiel mir nur auf, weil ich kurz nach deinem Blog
taz las ;-).
Schönen Gruß, Steve
By Anonym, at 2/11/05 18:22
Nochmal Hi,
> Was nicht so schön ist in der
> Welt hier, ist der Kriegszustand
> in Clichy-sous-Bois.
Mir fiel heute bei der Zeitungs-
lektuere auf, dass du doch eigent-
lich mal eine Liveberichtserstatt-
ung machen koenntest, wo du eh
schon da bist?
Hoffenden Gruss, Steve
By Anonym, at 4/11/05 21:19
Mir fiel heute bei der Zeitungs-
lektuere auf, dass du doch eigent-
lich mal eine Liveberichtserstatt-
ung machen koenntest, wo du eh
schon da bist?
Hoffenden Gruss, Steve
Ich kann mich grade so beherrschen. Bin ganz froh, dass ich das im Fernsehen beobachten darf wie jeder andere auch.
Wenn du nah dran sein willst, empfehle ich dir aber diesen Artikel in der taz. Da redet mal jemand mit den Leuten in den Vierteln. Vielleicht sollte auf diese Geniale Idee auch mal jemand von Chiracs Truppe kommen.
By mudd1, at 7/11/05 15:27
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