"Es fahren auch Busse."
Die Sekretärin, mit der ich in Orsay zuletzt gesprochen habe, war ja so freundlich, mir anzubieten, ich solle an meinem ersten Unitag doch mal vorbeikommen, damit sie mir alles Nötige erklären könne. Der erste Unitag in Orsay war heute. Ich steuere also da angekommen erstmal auf ihr Büro zu... nur um von dem Zettel an der Tür angesprungen zu werden: "Sprechzeiten täglich 9-12 Uhr" Oh nein! *klopf* *Klinkedrück* Zu. OH NEIN! Aber keine Panik. Bin ja groß. Also erstmal überlegen, was sie das letzte Mal genau gesagt hat. Dass alle Veranstaltungen in diesem Gebäude wären, nur manche wären im soundso, aber das würd sie mir dann erklären, wär nicht so weit und es führen auch Busse. "Es fahren auch Busse" ist gut, als hätt' ich ne Fahrkarte für hier draußen. Müsst ich ja pro Fahrt zahlen dann, neenee. Aber ich muss ja eh erstmal wissen, wo's hingehen soll. Auf meinem Stundenplan steht genau für diese Vorlesung auch "Gebäude 508". Da ich in 490 bin, ist das wohl das besagte andere. Nur wo? Wenn ich jetzt den Plan aus dem Internet hätte, da waren die alle drauf. Aber der muss ja auch irgendwo hier hängen. Tat er dann auch und ich hab ihn sogar gefunden. Und auch das Gebäude. Erstmal nen ziemlichen Schock gekriegt, weil die Straße dahin sich so unglaublich schlängelte. Aber dann fiel mir der gestrichelt gezeichnete Fußweg ins Auge, der ziemlich direkt in die richtige Richtung verlief. Superding, kann ja nich mehr viel schief gehen. Und weit weg ist es auch nicht, fünf Minuten maximal. "Es fahren auch Busse." Pah! Noch hab ich Beine. Ich latsch also los über das hübsch begrünte Campusgelände von Orsay, durch ein Tor, über eine Straße, rein in den Wald. Der Fußweg war ein ziemlicher Trampelpfad, matschig und mit eingebackenen Steinen. Aber was soll's, ich renn ja nicht mit Stöckelschuhen rum. Als ich an einer Weggabelung kurz innehalte, fällt mir auf, dass der Weg wohl steiler geworden ist. "Super," denk ich mir, "wenn ich hier häufiger hingehe, mach ich auch noch was für meine Figur!" Die Weggabelung allerdings war freilich auf der Karte mit keinem Strich erwähnt. Naja, grobe Richtung hatte ich ja, also weiter geht's. An der nächsten Gabelung war ich dann schon der Ansicht, dass man auch etwas zu viel für seine Figur tun kann, nur um von einem Unigebäude zum nächsten zu gehen. Außerdem wurde mein Sinn für die Richtung zusehends weniger definitiv. Und steil und Matsch ist übrigens keine tolle Kombination. An der nächsten Weggabelung konnte ich mich dann wirklich eines "Boh Leute, wie lange soll das noch so weitergehen hier?" nicht erwehren. "Langsam is' auch ma' gut." Und die Wegabschnitte nahmen nicht nur kein Ende, sie wurden auch noch immer steiler. "Es fahren auch Busse." echote es durch meinen Kopf. Ah, ich war zwar schon etwas am transpirieren, aber so weit kann's ja nicht mehr sein. Und da war auch schon die Straße... die die ungefähre Hälfte des Weges markierte. Naja, lustig fand ich das nicht. Aber was hilft's. Die Straße markierte nicht nur die Hälfte des Weges, sondern auch die Stelle, wo der Weg anfing, steil zu werden. Apropos Straße, ich hätte gewarnt sein können, dass solche Schlenker einer Straße, wie ich sie vorher auf dem Plan gesehen habe, kein Designelement mehr sind, dass die irgendwas mit Steigung zu tun haben könnten. Ok, nächster Abschnitt also, sichtlich geschafft. "Ok, nach dem nächsten muss ich aber oben sein. Weil... weiter geht ja nu also echt langsam nich' mehr." Nix war. Und langsam machte ich mir auch Sorgen, was wohl wäre, wenn ich irgendwo an einer der vielen nicht kartierten Weggabelungen den falschen Weg gewählt hätte. Ob es wohl möglich wäre, vollends an den Unigebäuden vorbei zu rennen. Kein guter Gedanke. "Es fahren auch Busse." Und eigentlich brauchte ich meine Konzentration auch für die nächste Etappe. Die, an die ich nicht hatte glauben wollen. Aber statt nicht zu existieren war sie natürlich noch steiler als die davor. So steil in der Tat, dass ich schon Sorgen hatte, ob ich bei dem Matsch da überhaupt hochkommen würde. "Es fahren auch Busse." Ich kam dann aber doch hoch, komplett fix und alle allerdings und schweißgebadet, aber endlich hab ich auch wieder Gebäude gesehen. War dann noch eine lustige kleine Irrfahrt an zur Uni gehörenden, postapokalytisch wirkenden Fabrikgebäuden vorbei (die ich am besten mal per Fotoapparat festhalte), bis ich endlich zu dem Gebäude gefunden habe, wo meine Vorlesung war. Als ich im Hörsaal saß (der übrigens auch nicht ausgeschildert war, obgleich der einzige Hörsaal in dem Gebäude), hab ich immer noch gestunken wie ein Pumakäfig. Ganz toll. "Es fahren auch Busse."
So viel dazu.
Hier in Frankreich sind übrigens Türsummer beliebt, die man selbst bedienen kann. Man drückt sich also selbst die Tür auf. Wofür? Wenn ich das wüsste! Das mit den Codeschlössern halte ich zwar für übertrieben und nutzlos zugleich, aber ich kann den Gedanken dahinter verstehen. Nicht aber hinter diesen einfachen Türöffnerknöpfen. Vielleicht, um Ausländer sehen zu können, die wie wild an Türen zu öffentlichen Gebäuden rütteln, bis sie endlich den kleinen Knopf neben der Tür finden. Keine Ahnung.
Außerdem sagt man ja Rechnern immer nach, sie würden sich bei einem falschen Semikolon oder so schon unnötig anstellen. Meine Vorlesung war heute um 14h 17h. Klar, jetzt kann man das richtig verstehen und einfach annehmen, dass der von-bis-Strich aus welchen Gründen auch immer weggelassen wurde. Man kann aber auch wie ich, das erste "h" völlig ignorieren und sich dann furchtbar wundern, warum um alles in der Welt eine Vorlesung um 14:17 Uhr anfängt. Hab dahinter schon revolutionäre Anti-Verspätungs-Psychologie vermutet. Naja, zum Glück hatte ich mit Luft (allerdings ohne Berge) kalkuliert, sodass ich fünf vor zwei auch schon im Gebäude war und mich nach dem Saal erkundigt hatte.
Die Vorlesung selbst war dann sehr angenehm. Wenig Leute, die sich auffallend ruhig und zivilisiert verhalten haben (fragt mich bitte nicht, warum mir das so aufgefallen ist). Der Prof war zwar kein sehr flüssiger Redner, aber er war sympathisch und man hat gerne zugehört. Und ich hab ihn gut verstanden, das ist ja auch nicht selbstverständlich. Es gab ausgedruckte Folien für jeden und ach ja, als ich ihn am Anfang gefragt habe, ob ich auch mitmachen darf (war ja meine Auflage), hat er nichtmal nachgedacht bevor er "ja" gesagt hat. In der Pause hat er ein bisschen gequatscht mit den Studenten, übers letzte Semester und ob seine Themenauswahl heute gut war. Es war halt ein Überblick, da kann ich noch nicht sagen, wie das so wird später. Aber der Dozent wechselt eh dauernd bei der Vorlesung also muss man sich da eh überraschen lassen.
Das war übrigens die erste Vorlesung hier, die keine Klausur als Scheinkriterium hat sondern eine zweiseitige Ausarbeitung. Und Anwesenheit denk ich. Die ist übrigens drei Stunden am Stück, fängt pünktlich an (und nicht etwa um 17 nach ;) und hat nur fünf Minuten Pause.
Dementsprechend kommt man also tatsächlich um 17 Uhr raus und dann ist es im Winter schon dunkel. Jetzt hab ich im Dunkeln im Wald keine Angst, aber nachdem ich mir die Sachlage ein bisschen betrachtet hatte, entwickelte ich Angst, den Wald nicht mehr zu finden. Zumindest den Weg, den ich gekommen war. Wollte nämlich meine Irrfahrt zum Gebäude nicht zurückverfolgen und dachte, ich kürz mal ab. Blöde Idee. Da schlängelt sich also eine Straße großzügig den Waldrand entlang und überall stehen Autos. Und es ist dunkel. Da find mal die Stelle, wo ein kleiner Trampelpfad in den Wald führt. Erschwernis am Rande: Es gab auch keine Bürgersteige, sodass man ständig den Autos ins schlammige Gras ausweichen musste. Ätzend. Aber zum Glück war da ein anderer Student, der nicht mit dem Auto da war (und auch nicht mit dem Bus!) und dem bin ich dann gefolgt. Runter war's weniger anstrengend, aber genauso glitschig (und genauso viele Steine, nur hat man weniger davon gesehen). Morgen eine neue Hose. Oder besser dieselbe nochmal, immerhin geh ich morgen wieder nach Orsay. Und wieder in das Gebäude.
Was die Bürgersteige angeht muss ich aber noch was erzählen, was mir schon bei meinem ersten Besuch in Orsay aufgefallen ist. Da gibt's nämlich Fahrradwege für Fußgänger. Ja! Total cool, die sind dann gelb statt rot und haben kleine Fußgängersymbole alle soundsoviel Meter. Die gelbe Farbe zieht sich sogar an manchen Stellen durch den Wald, da sieht's dann aber nicht mehr aus wie ein Fahrradweg. Aber neben Straßen ist die Optik original. Naja, wenn neben den Straßen noch irgendwas ist außer Wiese halt.
Zum Abschluss noch die Take-Home-Message meiner heutigen Vorlesung, bei der es übrigens – ich vergaß es in dem ganzen langen Artikel zu erwähnen – um Spracherkennung geht: Auch moderne Spracherkennungssysteme sind ausgesprochen wenig robust gegenüber akzentbehafteter Aussprache, seien es regionale Dialekte oder die abweichende Aussprache von Ausländern. Ach nee!
PS: Die Vorabveröffentlichung dieses Posts, die vielleicht die RSS-Fraktion unter euch bemerkt hat, wurde von einem Verklicker meinerseits ausgelöst, der wiederum verzögertes Scrollverhalten meines Rechners zur Ursache hatte. Zum Glück war der Artikel zu dem Zeitpunkt in sich geschlossen und nicht irgendwie voll mit halben Sätzen oder wilden Beschimpfungen oder so.
So viel dazu.
Hier in Frankreich sind übrigens Türsummer beliebt, die man selbst bedienen kann. Man drückt sich also selbst die Tür auf. Wofür? Wenn ich das wüsste! Das mit den Codeschlössern halte ich zwar für übertrieben und nutzlos zugleich, aber ich kann den Gedanken dahinter verstehen. Nicht aber hinter diesen einfachen Türöffnerknöpfen. Vielleicht, um Ausländer sehen zu können, die wie wild an Türen zu öffentlichen Gebäuden rütteln, bis sie endlich den kleinen Knopf neben der Tür finden. Keine Ahnung.
Außerdem sagt man ja Rechnern immer nach, sie würden sich bei einem falschen Semikolon oder so schon unnötig anstellen. Meine Vorlesung war heute um 14h 17h. Klar, jetzt kann man das richtig verstehen und einfach annehmen, dass der von-bis-Strich aus welchen Gründen auch immer weggelassen wurde. Man kann aber auch wie ich, das erste "h" völlig ignorieren und sich dann furchtbar wundern, warum um alles in der Welt eine Vorlesung um 14:17 Uhr anfängt. Hab dahinter schon revolutionäre Anti-Verspätungs-Psychologie vermutet. Naja, zum Glück hatte ich mit Luft (allerdings ohne Berge) kalkuliert, sodass ich fünf vor zwei auch schon im Gebäude war und mich nach dem Saal erkundigt hatte.
Die Vorlesung selbst war dann sehr angenehm. Wenig Leute, die sich auffallend ruhig und zivilisiert verhalten haben (fragt mich bitte nicht, warum mir das so aufgefallen ist). Der Prof war zwar kein sehr flüssiger Redner, aber er war sympathisch und man hat gerne zugehört. Und ich hab ihn gut verstanden, das ist ja auch nicht selbstverständlich. Es gab ausgedruckte Folien für jeden und ach ja, als ich ihn am Anfang gefragt habe, ob ich auch mitmachen darf (war ja meine Auflage), hat er nichtmal nachgedacht bevor er "ja" gesagt hat. In der Pause hat er ein bisschen gequatscht mit den Studenten, übers letzte Semester und ob seine Themenauswahl heute gut war. Es war halt ein Überblick, da kann ich noch nicht sagen, wie das so wird später. Aber der Dozent wechselt eh dauernd bei der Vorlesung also muss man sich da eh überraschen lassen.
Das war übrigens die erste Vorlesung hier, die keine Klausur als Scheinkriterium hat sondern eine zweiseitige Ausarbeitung. Und Anwesenheit denk ich. Die ist übrigens drei Stunden am Stück, fängt pünktlich an (und nicht etwa um 17 nach ;) und hat nur fünf Minuten Pause.
Dementsprechend kommt man also tatsächlich um 17 Uhr raus und dann ist es im Winter schon dunkel. Jetzt hab ich im Dunkeln im Wald keine Angst, aber nachdem ich mir die Sachlage ein bisschen betrachtet hatte, entwickelte ich Angst, den Wald nicht mehr zu finden. Zumindest den Weg, den ich gekommen war. Wollte nämlich meine Irrfahrt zum Gebäude nicht zurückverfolgen und dachte, ich kürz mal ab. Blöde Idee. Da schlängelt sich also eine Straße großzügig den Waldrand entlang und überall stehen Autos. Und es ist dunkel. Da find mal die Stelle, wo ein kleiner Trampelpfad in den Wald führt. Erschwernis am Rande: Es gab auch keine Bürgersteige, sodass man ständig den Autos ins schlammige Gras ausweichen musste. Ätzend. Aber zum Glück war da ein anderer Student, der nicht mit dem Auto da war (und auch nicht mit dem Bus!) und dem bin ich dann gefolgt. Runter war's weniger anstrengend, aber genauso glitschig (und genauso viele Steine, nur hat man weniger davon gesehen). Morgen eine neue Hose. Oder besser dieselbe nochmal, immerhin geh ich morgen wieder nach Orsay. Und wieder in das Gebäude.
Was die Bürgersteige angeht muss ich aber noch was erzählen, was mir schon bei meinem ersten Besuch in Orsay aufgefallen ist. Da gibt's nämlich Fahrradwege für Fußgänger. Ja! Total cool, die sind dann gelb statt rot und haben kleine Fußgängersymbole alle soundsoviel Meter. Die gelbe Farbe zieht sich sogar an manchen Stellen durch den Wald, da sieht's dann aber nicht mehr aus wie ein Fahrradweg. Aber neben Straßen ist die Optik original. Naja, wenn neben den Straßen noch irgendwas ist außer Wiese halt.
Zum Abschluss noch die Take-Home-Message meiner heutigen Vorlesung, bei der es übrigens – ich vergaß es in dem ganzen langen Artikel zu erwähnen – um Spracherkennung geht: Auch moderne Spracherkennungssysteme sind ausgesprochen wenig robust gegenüber akzentbehafteter Aussprache, seien es regionale Dialekte oder die abweichende Aussprache von Ausländern. Ach nee!
PS: Die Vorabveröffentlichung dieses Posts, die vielleicht die RSS-Fraktion unter euch bemerkt hat, wurde von einem Verklicker meinerseits ausgelöst, der wiederum verzögertes Scrollverhalten meines Rechners zur Ursache hatte. Zum Glück war der Artikel zu dem Zeitpunkt in sich geschlossen und nicht irgendwie voll mit halben Sätzen oder wilden Beschimpfungen oder so.
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home