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Frog Blog

26.7.06, 12:31 Uhr

Le Tour

Trotz allem habe ich euch ja noch den Bericht von der Tour de France versprochen. Nachdem ja meine Hoffnungen enttäuscht wurden, die Tour würde hier direkt um die Ecke vorbeizischen, habe ich mir mit meiner Oma den Start im Fernsehen angeguckt, wo man einen wunderschönen Helikopterblick auf den Parc de Sceaux hatte. Nachdem die Fahrer dann in Gefilde gestrampelt sind, die uns beiden nichts mehr sagten, habe ich mich in die Métro gesetzt und bin zu den Champs-Élysées gefahren. Als ich da wieder an die Oberfläche kam, war die Hölle los. Ich war genau da rausgekommen, wo die Tribünen aufgebaut waren, die die Sicht auf Ziellinie und Podium nur für Auserwählte möglich machen. Zu diesen Auserwählten gehörte ich ja auch einmal, in dem Jahr, in dem Jan Ullrich gewonnen hat.

Dieses Mal musste ich mich aber mit den anderen durch die Menge kämpfen. Schon etliche Wagen der Werbekarawane hatten sich zwischen Grand und Petit Palais aufgebaut und erzeugten eine Volksfestatmosphäre, sodass die Menge, durch die ich musste, ziemlich anstrengend wurde. Ich bin dann erstmal hinter den Tribünen lang, weil ich den Champs-Élysées einfach so lange folgen wollte, bis ich ein guter Platz an mir vorbei käme. Blöderweise war dann aber am anderen Ende der Tribünen alles gesperrt, sodass ich den Weg komplett wieder zurück latschen durfte und dann bis zur Seine runter musste, um an dessen Ufer weiter in Richtung Place de la Concorde zu kommen. Ich hab dann aber nicht die erstbeste Gelegenheit ausgenutzt, mich an diesem Platz aufzubauen, sondern wollte gucken, ob der Jardin des Tuileries, der sich im Inneren des Rundkurses befindet, gesperrt war oder nicht. Ich bin also der Seine weiter gefolgt bis zur Passerelle Solférino, wo es einen Durchgang unter der Straße durch in den Tuileriengarten gibt. Der Garten ist umgeben von erhöhten Promenaden, sodass man dort einen tollen Blick in angenehmer Umgebung auf die achtmalige Umrundung haben würde. Und zu meiner großen Freude waren dort zwar viele Menschen, aber ich konnte mich noch bequem mit in die erste Reihe quetschen.

Dabei habe ich mich nett mit einer Amerikanerin neben mir unterhalten, die ukrainische Eltern hatte, in Deutschland geboren war und dort bis sie acht war gelebt hat und nun in New York City wohnt. Leider konnte sie kein Deutsch mehr, nur noch ein bisschen Ukrainisch, sodass ich wieder mal gezwungen war, festzustellen, wie schlecht mein Englisch geworden ist hier. Sie meinte zwar, es wäre doch sehr gut, but I begged to differ, zumal im Vergleich mit vorher. Sie hat jedoch gemeint, das Vorurteil, dass Amerikaner keine Sprachen sprechen, träfe voll und ganz zu und sie würde ja auch nur Ukrainisch sprechen, weil ihre Eltern sich weiter zuhause mit ihr darauf unterhalten haben. Außerdem meinte sie, die Franzosen würden inzwischen richtig gutes Englisch sprechen, kein Vergleich mit noch vor einigen Jahren.

Wir mussten noch eine Weile warten bis die Fahrer endlich kamen, wobei sie wohl schon vier Stunden länger da stand, weil ihre Bekannten meinten, das währe notwendig. Naja, immerhin hatten sie sich so noch ein paar Stühle ergattern können, die in Pariser Gärten ja häufiger mal zur freien Benutzung herumstehen.

Und dann kamen sie angerast, noch alle in einem Feld und ziemlich viele, sodass sie nicht so schnell wieder vorbei waren, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich hab natürlich nicht vergessen, auch ein paar Fotos zu machen und tatataaa! Hier die Herausforderung an eure Mustererkennung. Wer zuerst die Radfahrer entdeckt, kann sich ganz doll freuen:

Wie Marcel so schön sagte: „Andere Leute bezahlen viel Geld für solche Effekte!” Das musste ich also doch ausnutzen. Das Problem ist nur, die Fahrradfahrer zu finden auf diesem Bild.
Es passierte dann noch einiges, eine kleine Gruppe setzte sich ab und wurde wieder eingeholt, aber wahrscheinlich wissen das diejenigen, die die Tour im Fernsehen verfolgt haben, besser als ich, denn da ich mir kein teures Augmented-Reality-System leisten konnte, das kleine Pfeile über die Fahrer einblendet, war ich zwar nah dran, aber schlecht informiert. Wo ich aus der Métro gestiegen war, stand zwar eine große Leinwand, aber ich war ja schließlich nicht extra hergekommen, um die Tour dann doch im Fernsehen zu gucken. Ich weiß jedoch nicht, ob die armen Schweine im Fernsehen gezeigt wurden, die den Anschluss ans Peleton verloren haben und das so kurz vor dem Ziel. Aber sie wurden trotzdem kräftig angefeuert von allen Zuschauern, das war ganz schön. Die Amerikanerin hat sich dann mit ihren Freunden auf den Weg gemacht, bevor noch alle Umrundungen abgeschlossen waren. Ich hatte dann immerhin wieder ein bisschen Platz, nachdem sich vorher so ein Arschloch ohne zu fragen einfach neben mich in die nicht vorhandene Lücke gedrängt hat, sodass ich meinen linken Arm auf dem ebensowenig vorhandenen Teil des Absperrgitters ablegen durfte. Da ich leider weder an Hauswände pinkele, noch Leuten ins Gesicht sage: „Ich war zuerst hier, du störst, verpiss dich!”, um mein Revier zu markieren und der Typ absolut resistent war gegen jede subtilere Art, ihm zu vermitteln, dass er unerwünscht ist, musste ich halt unbequemer stehen. Andere waren auch dreist indem sie immer laut schrien, wenn ein Polizist eine weggeworfene Wasserflasche eines Fahrers aufsammelte, waren ein paar Leute etwas weiter von mir entfernt, die aber keine einzige Flasche gekriegt haben. Die Polizisten haben die immer kleinen Kindern oder jungen Frauen gegeben, was mit Applaus vom Publikum quittiert wurde. Ich hab zuhause noch eine Mütze von einem Tour-de-France-Fahrer. Die ist auch wenigstens nur durchgeschwitzt und nicht angelüllert ;)

6 Comments:

  • Hehe, sehr cool. Habe es auch immer mal noch vor, bei so ner Tour-de- France-Etappe am Straßenrand zu stehen.
    Naja, erstmal nehm ich Vorlieb mit der Deutschlandtour, die am 2.8. ein Etappenziel nach Bielefeld gelegt hat. Ich bin schon mal gespannt und schau, ob ich auch so ein geniales Foto wie du hinbekomme ;-).

    By Anonymous Anonym, at 26/7/06 18:29  

  • Merci beaucoup, dass Du trotz allem noch von der Tour berichtet hast. Schade, dass gerade jetzt Dein Fotoapparat versagen musste. Wobei, ich kann auf dem Bild ganz klar drei Fahrer von Discovery Channel erkennen, die von einem T-Mobile-Fahrer verfolgt werden :)

    Insgesamt fand ich die Tour sehr schön und abwechslungsreich, und nachdem Mr. Armstrong in den letzten Jahren mehr und mehr das Bild vom arroganten Amerikaner kultiviert hat, scheint mir Floyd Landis eine erfrischende Abwechslung zu sein.

    Und Chapeau für Viatcheslav Ekimov, der mit 40 Jahren seine 15. Tour in's Ziel gebracht hat. Wenn Du an der Nordseite gestanden hast, also an der Rue de Rivoli: Das war der Fahrer, der sich vor der ersten Überfahrt über den Zielstrich etwas vom Feld abgesetzt hatte, um sich vom Publikum zu verabschieden. Das gibt uns älteren Radlern doch Hoffnung. Wobei: Erik Zabel ist gerade mal drei Wochen jünger als ich...

    Mal schauen, ob ich mir am Mittwoch etwas eher frei nehmen kann, um auch die Ankunft der Deutschlandtour live zu sehen. Oder wie die Fahrer über Peter Auf'm Berge fliegen, während sich unsereiner da immer hochquälen muss. Aber darum geht es ja gerade.

    By Blogger Örn, at 26/7/06 21:02  

  • Der erste Preis für die Mustererkennung geht an Jörn ;) Und danke für die Blumen, Melanie :)

    Ich stand allerdings nicht auf der Nord- sondern auf der Südseite, auf der „Terrasse du Bord de l'Eau” (jaha!) mit Blick auf den Quai des Tuileries. Also ziemlich genau hier.

    Aber wie kommt es, dass du dich so gut in Paris auskennst, Jörn?

    Ein Bericht über die Deutschlandtour wäre natürlich toll :)

    Und zu Floyd Landis fällt mir ein, dass die Frau neben mir mich noch fragte, ob es nicht ein Amerikaner wäre, der wohl gewinnen würde, sie hätte so etwas gehört. Außerdem hat sie verwundert gefragt, ob die anderen denn müde geworden wären, als sich die Spitzengruppe abgesetzt hatte. Schön mal jemanden zu treffen, der weniger über Radsport weiß als ich :)

    By Blogger mudd1, at 26/7/06 21:20  

  • Schöner Sch**ß das mit Landis. Ist den auf garnichts mehr verlass???

    Das mit dem in Paris auskennen ist relativ. Zum einen ist man klar im Vorteil, wenn man eine Karte lesen kann :) Aber ich habe die Frage mal zum Anlass genommen, meinen schon länger existierenden flickr-Account mit Fotos von meinem Paris-Besuch 2003 zu füllen. War 'ne ziemlich bescheidene Erfahrung, denn mein Hotel war dermassen schlecht, dass ich nach zwei Tagen enttäuscht abgereist bin. (Das war das erste und vorläufig letzte mal, dass ich im Urlaub verreist bin. Ich kann nur die Erfahrung bestätigen, dass man als Alleinreisender komplett verarscht wird.) Aber ich habe immerhin Versailles gesehen, und die Champs-Elysées waren keine fünf Minuten Fußweg vom Hotel weg.

    By Blogger Örn, at 27/7/06 22:41  

  • Ja, hab ich mir gedacht, dass dich das mit der Dopingsache frustriert :/

    Dass du auch einen flickr-Account hast, find ich ja aber cool. Hab dich gleich mal gesocialnetworkt :) Aber was war denn an dem Hotel so grausam, dass du so schnell das Weite gesucht hast?

    Ich hab auch mal einen Frankreichurlaub umdisponiert, das lag aber an der Campingplatzgesellschaft, die mein Freund und ich hatten und die uns missfiel. Wir sind dann aber stattdessen nach Paris gefahren ;)

    By Blogger mudd1, at 28/7/06 17:15  

  • Ich muss bei Gelegenheit mal 'rausfinden, was man mit flickr so alles anstellen kann...

    Blöd an dem Urlaub war, dass in meinem gebuchten Hotel kein Zimmer frei war, und ich die ersten zwei Tage in ein anderes verfrachtet wurde. Soweit kein Problem. Nur wurde ich in einer Abstellkammer unter dem Dach einquartiert - natürlich zum selben Preis. Wirklich problematisch war aber, dass direkt über mir die Klimaanlage (also die große für das ganze Gebäude) lief und ich kein Auge zumachen konnte. Nach zwei Nächten war ich so gerädert, dass ich auch keine Lust mehr auf mein eigentliches Hotel hatte, und der Urlaub war für mich gelaufen. Natürlich hätte ich mich gleich beschweren sollen, aber das ist nicht so meine Art. Nach der ersten Nacht dachte ich, ich würde mich in der zweiten an den Lärm gewöhnt haben.

    Wie gesagt: Als Alleinreisender wird man gründlich veralbert (klar, weil die Kosten für das Hotel fast die gleichen sind, sie aber nur die Hälfte verdienen). Nicht ohne Grund sind Single-Reisen (die explizit nicht der Anbahnung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen) ein kommender Trend.

    By Blogger Örn, at 30/7/06 22:00  

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