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Frog Blog

30.3.06, 14:35 Uhr

T-Elefon-T-Error

Ich bin grade am Entscheiden, welche Geburtstagskarte das geringere Übel ist (ich hab später dann noch eine gefunden, mit der ich ganz gut leben konnte), da klingelt mein Handy. Ein deutsches Handy wohlgemerkt, sodass ich nicht unbedingt Lust habe, angerufen zu werden, damit meine Karte sublimiert wie Trockeneis auf ner Herdplatte. Die Rufnummer war auch unterdrückt, also erstmal weggedrückt. Wieder zuhause klingelt das Telefon schon wieder. Irgendjemand ist also hartnäckig und ich bin neugierig. Geh also dran und hör erstmal nichts. Dann, als hätte jemand mitten im Satz sein Mikro eingeschaltet, brabbelt jemand drauf los, ob ich denn die Frau Mertes wäre. „Janee, äh, wer ist denn da?” „T-Mobile Kundenservice! Ah, öh, dann hat die Dame die Karte wohl nur gekauft... Aber Sie sind auch über 18?” Kling ich jetzt eher wie ne Frau oder wie'n Kind? „Ja, aber... können wir's kurz machen, ich bin grade im Ausland und das kost' verdammt teuer!” „Achso, ja ok, dann machen wir das ein andermal! Tschüs! *klack*” Bin ja mal gespannt, wann die wieder anrufen. Die Zeit, ihnen gerade noch zu sagen, wann ich wieder in Deutschland bin, hätte mir im Endeffekt wohl Geld gespart. Naja, muss ich sie das nächste Mal halt noch schneller abwimmeln. Wie viel von den Roaminggebühren sieht eigentlich T-Mobile selbst? ... Nur so ein Gedanke.

28.3.06, 21:18 Uhr

Generell Streik – La Manif II

Heute war in Frankreich ein Generalstreik angesetzt und Demos sollte es auch wieder im richtig großen Maßstab geben. Was soll ich sagen, es hat geklappt! Ich wollte mir das nicht entgehen lassen und das Tolle war, dass Florian diesmal auch mitkommen wollte. Jetzt ist allerdings Demo und Generalstreik eine eigentlich eher ungünstige Kombination, da man zu so einer Demo ja erstmal hinkommen muss. Und wenn die Verkehrsbetriebe streiken... Wir haben uns jedenfalls bei Châtelet - Les Halles verabredet, weil wir uns da noch Chancen ausgerechnet haben, uns auch zu finden. Normalerweise brauche ich so ne halbe Stunde bis da hin, heute war es mit 40 Minuten sogar noch human mehr. Florian musste zwar auch etwas warten, kam aber auch noch fast pünktlich.

Hier fährt die Métro direkt an der Demo vorbei. Ein nettes Bild von beiden Seiten.
Leider war es das dann auch schon mit dem Ausbleiben von Komplikationen. Wir wollten dann in die 7 umsteigen, die uns auf direktem Wege zum Place d'Italie gebracht hätte, wo die Demo losgehen sollte. Den Gedanken hatten aber wohl noch ein paar mehr Leute. Schon mehrere Biegungen vor dem Bahnsteig ging erstmal gar nichts mehr. Nachdem es dann ein paar Leuten zu blöd wurde, kamen wir immerhin mit viel Quetschen bis auf den Bahnsteig, bei dem man Angst hatte, dass Leute von ihm runter auf die Gleise geschubst werden könnten. Vor uns dampften nach längerer Zeit dann ein paar Jugendliche ab mit den Worten „Hier kommt schon seit zwei Stunden keine Métro mehr, nehmt die 11 und dann die 5!” Das mit den zwei Stunden war zwar eher symbolisch gemeint, aber so wirklich kurz haben selbst wir nicht gewartet. Als wir grade gehen wollten, um die 11 und dann die 5 zu nehmen, kam endlich eine Métro. Leider war die schon am Platzen, als sie in die Station einrollte. Ein paar Leute haben dann „Eine Socke geht immer noch rein” praktiziert, aber wir haben uns lieber zur 11 aufgemacht, um dann in die andere Richtung zu fahren und am Zielort der Demo „République” in die 5 zu steigen und der Demo entgegen zum Place d'Italie zu juckeln.

Dieser Bahnsteig ist nicht voll, der sieht nur so aus. Voll war der, wo ich nicht von mittendrin ein Foto machen konnte, weil ich da nicht hin kam.Guter Plan, solange wir von der Demo weg fuhren. Aber in République in die 5 zu steigen war dann schon wieder ein ziemlicher Akt. Immerhin sind wir diesmal richtig und ohne Probleme auf den Bahnsteig gekommen (wo ich gleich beim Ankommen schon welche hab spekulieren hören, ob es klug wäre, mit der 5 in die andere Richtung zu fahren, um weiter stromaufwärts einzusteigen). Die Métro kam auch relativ schnell, allerdings mussten wir die fahren lassen, kamen aber immerhin halbwegs nach vorne. Also wir wollten sie fahren lassen, aber die Leute, die in den Türen standen, wollten das wohl nicht. Und dabei standen schon Leute auf den Sitzen in der Métro, damit mehr Platz war. Ständig gingen Sicherheitsleute am Zug entlang und leerten ihn so, dass die Türen wenigstens zu gingen und ein Lebensmüder musste sogar zwischen den Waggons weggeholt werden. Mann, der wollte vielleicht mit! Nach ewigen Zeiten fuhr das Ding dann auch mal los und versprach Spaß für unsere Fahrt.

Die von innen beschlagene Scheibe dieser Métrotür sagt eigentlich alles.In die nächste Métro, die dann irgendwann kam, haben wir uns dann auch mit Ach und Krach reingequetscht und hinter uns noch etliche andere mit noch mehr Ach und noch viel mehr Krach. Wir standen dann auch ewig rum und die Türen gingen nicht zu und es wurde langsam warm. Als wir endlich losfuhren, währte die Freude darüber nicht lange, genauer gesagt nur bis zur nächsten von neun vor uns liegenden Stationen. Da war es zwar mangels Umsteigemöglichkeiten lange nicht so voll, was aber nicht gleich hieß, dass es schneller weiter ging. Das einzige, was ein beachtliches Tempo drauf hatte, war die Quecksilbersäule. So ging es dann ewig weiter und es wurde in der Regel immer nur noch enger. Ich weiß, so schlimm kann es noch nicht gewesen sein, weil man nicht stehen konnte, ohne die Beine am Boden zu halten, aber ich hatte trotzdem ein bisschen Angst um die drei kleinen Mädels vor uns, die jeweils nur irgendwie halb so groß waren wie meinereiner. Die eine hatte übrigens erstaunliche Ähnlichkeit mit Emma Watson, aber ich war nicht in der Stimmung, darüber einen Dialog anzufangen. Die ewige und unkomfortable Wartezeit wurde einmal auch durch einen ziemlich ruppigen Polizeieinsatz auf dem Bahnsteig verkürzt und ab und an haben auch métrointerne Co-Gedünstete angefangen, lustige Sachen zu skandieren („Was machen wir 2007?” „Wir wählen!”). Wenige Stationen vor dem Ziel wurde es dann schlagartig leerer, weil wir direkt an der Demo vorbeigefahren sind und daraufhin einige entschieden, abzukürzen. Als wir über die Seine gefahren sind, hat man den Demonstrationszüg übrigens besonders schön gesehen, nämlich über die komplette Länge der Nachbarbrücke. Jedenfalls konnten wir so wenigstens ein paar Stationen lang dann wieder atmen.

Überall große Ballons von Gewerkschaften, Parteien und sonstigen Leuten, die sich präsentieren wollten. Wir sind, um die Demo zu finden, sogar einem Regenschirm des Saturnäquivalents Fnac gefolgt, aber die Werbung war vermutlich eher nicht beabsichtigt.Bei der letzten Demo war ich ja etwas enttäuscht, was das Panorama beim Verlassen der Métrostation anging. Diesmal war eher das Gegenteil der Fall. Der ganze Place d'Italie war ein einziges großes Volksfest, mit Musik, Ballons, Verkleideten und ich fragte im Scherz, wo es denn nun die Zuckerwatte gäbe, als wir juste in dem Moment einem Dönerstand über den Weg liefen. Die Musik war übrigens bis auf einen Wagen nicht so sozialistisch geprägt wie bei der letzten Demo. Da gab es ja nur einen Wagen und der spielte, was wie Arbeiterlieder klang. Hier war die Musik zum Teil richtig cool und Hot Butter politische Motive zu unterstellen, wäre wohl weit hergeholt. Aber ein Wagen hat, wenn mich nicht alles täuscht, auch die Internationale gespielt und sowas hätte ich glaub ich bei Abwesenheit auch wieder vermisst.

Wir sind dann jedenfalls erstmal anderthalbmal um den recht ausgedehnten und vollgestopften Quark geeiert, bis wir die Straße gefunden haben, wo der Demonstrationszug losging. Florian war aber irgendwie nicht wohl dabei, im Zug mitzumarschieren und außerdem ging das quasi gar nicht voran, sodass wir dann am Rand vorbeigestapft sind.

Demonstranten soweit das Auge reicht wird der tatsächlichen Zahl leider nicht einmal ansatzweise gerecht.Das Problem ist, dass man in Bildern nicht den Unterschied zwischen den 10.000 Demonstranten vom letzten Mal und den 700.000 von diesem festhalten kann (Luftaufnahmen sind in Paris verboten und nen Heli zu mieten übersteigen eh meine Möglichkeiten). In Zahlen kann man es erst recht nicht verdeutlichen und eigentlich begreift man es nichtmal, wenn man wie wir an dieser riesigen Menschenmenge vorbeigelaufen ist. Frankreichweit waren heute ungefähr 3 Millionen Menschen auf der Straße. Das sind 5% der Gesamtbevölkerung! Villepin dürfte nicht gut schlafen. Nochmal vergleichsweise die Zahl der Demonstranten in Deutschland: 0. Das sind unter Berücksichtigung der größeren Bevölkerungszahl: 0%. Merkel, Schäuble und Müntefering dürften ganz ausgezeichnet schlummern mit so einem sozialabbaugeilen Volk im Rücken.

Kapuzensweatshirt und zielstrebiges Gehen in einer großen Gruppe: Das kann nur das Pack sein.Aber ich will mich darüber nicht schon wieder aufregen, ich erzähle lieber weiter, was heute passiert ist. Wir sind also an der Demo vorbeigestiefelt und plötzlich waren links und rechts von uns bekapuzte Leute, die von den Demonstranten in Anlehnung an den von ihnen ansonsten eigentlich nicht so geschätzten Monsieur Sarkozy meist Racaille genannt werden. Florian hat gesehen, wie die versucht haben, einem den Fotoapparat wegzureißen, ich hab nur gesehen, wie sie jemanden rumgeschubst haben. Mein Apparat ist daraufhin jedenfalls unter meinem Mantel verschwunden und wir beide so schnell wie möglich aus der Gegend, wo die sich breit gemacht hatten. Obwohl die diesmal nicht einmal gerannt sind, war es wieder mal beängstigend, wie schnell die aufgetaucht sind. Und deutlich mehr als das letzte Mal waren es auch. Vor allem erstaunlich, dass man die sofort erkennt. Die Art sich zu kleiden und die Art sich zu bewegen... ich denke, dass es daran liegt, jedenfalls braucht man nicht zweimal hinzugucken (Hauptsache, man tut es rechtzeitig).

Das Aussehen der Demonstranten war bunt gemischt.Die Stile der friedlichen Gruppen variierten jedoch beträchtlich. Schon an der Musik abzulesen – von Hardcore Punk bis Ragga war alles dabei. Die Stimmung war aber bei allen ziemlich geil, ob sie jetzt zu Musik getanzt oder skandiert haben. Leider diesmal viel zu viele, um sich ein umfassendes Bild zu verschaffen.

Das erste Mal, dass ich vor einem quasi leeren McDonald's eine Schlange gesehen habe. Ein Herr wurde sogar aggressiv und hat den dreimal breiteren Türgorilla angeschnauzt, was das denn für ne Art wäre, die Leute nicht zu ihren heißersehnten Burgern zu lassen. Und da sag nochmal einer, McDonald's tue keine Suchtstoffe in ihren Kram ;)Florian bekam dann irgendwann Hunger und auch ich konnte was im Bauch vertragen, also sind wir in einer Filiale der Goldenen Schwingen eingekehrt, die zufällig grade vorbeikam. Allerdings war das nicht so leicht, wie viele das vielleicht gewohnt sind. Der einzige offene Eingang war nämlich von Türstehern bewacht, die Schlange vor dem Eingang ziemlich hingehalten haben. Und das, obwohl es drinnen fast leer war. Naja, hatte den Vorteil, dass drinnen nicht so ein Gedränge war, wie ich es erwarte hatte. Und unser Timing war einmalig, kaum saßen wir, fing es draußen an zu plästern. Wir hatten hingegen einen super Blick auf die vorbeiziehende Demo.

Heimelige Atmosphäre bei McDonald's: Florian macht sich grade im angenehmen Ambiente über seine Cola her, während draußen Wolken platzen und Menschen sich drängen.Ab und an wurde man zwar beschimpft von draußen, aber das konnte einem ja egal sein. Eine Gruppe Racaille kam dann auch nochmal draußen vorbei, einer davon war aber nett und hat uns ein „Bon Appetit” an die Scheibe gemalt. Die war übrigens schon vorsorglich mit zwei Anti-CPE-Plakaten bekleistert worden und zwar so, dass man von draußen und von drinnen jeweils eins sehen konnte. Als wir fertig waren mit essen, war es draußen fertig mit regnen, also haben wir den reichlich vorhanden Platz freigemacht für die armen Leute, die noch rein wollten. Draußen waren wir dann wieder bei genau der Gruppe, mit der wir die Demo angefangen haben, also ziemlich zurückgeworfen.

Eine Art roter Magnesiumfackel oder so etwas hat sehr eindrucksvoll rumgeräuchert.Außerdem an der Seine angekommen haben wir uns dann den Gang durchs Nadelöhr Pont d'Austerlitz geschenkt, wo wir den Demo-Zug ja schon in der Métro vom Viaduc d'Austerlitz aus auf so beeindruckende Weise gesehen haben, wo aber leider ein Überholen wie bisher schlecht möglich war und sind über die potthässliche Umgehungsroute Pont Charles-de-Gaulle zurück zur Métro. Dabei mussten wir dann noch durch eine Polizeisperre, denn die Polizisten haben sich zwar nicht blicken lassen, wenn die Vandalen Leute angepöbelt haben, aber die Seitenstraßen hatten sie wieder gut abgeriegelt. Zum Glück kam man ohne Kapuze wohl ohne Probleme durch.

Eine Kiste mit Flugblättern wurde an vielen kleinen Ballons nach oben steigen gelassen und dann geöffnet.Florian hat dann den RER A nach Hause genommen, ich stattdessen die Métrolinie 14, weil das ja die voll-automatische ist und die sich so von einem Generalstreik relativ wenig beeindrucken ließ. Wir waren nicht gerade früh zuhause, aber ich möchte glaub ich gar nicht wissen, wann die zuhause waren, die dieses ganze Stop-and-go bis République mitgemacht haben. Na Hauptsache es lohnt sich und Villepin kann gehen. Obwohl er momentan vielleicht noch Glück haben könnte, wenn sein Durchwinkakt mittels Artikel 49-3 im Parlament als verfassungswidrig erklärt wird. Verrückte Welt, Villepin rettet seinen Kopf, wenn sein Gesetz gegen die Verfassung verstößt und in Sachsen-Anhalt kommen die Linken nicht an die Regierung, weil sie zu viele Stimmen haben. Das erklärt später mal euern Enkeln!


Nachtrag: Wenn ihr wirklich tolle Fotos von den Protesten und auch von den Krawallen in Paris sehen wollt, kann ich euch dieses Flickr-Set empfehlen. Der Photograph ist eh einen oder mehrere Blicke wert!

26.3.06, 22:50 Uhr

Dani und die Familie

Vorhin habe ich leider Dani wieder zum Flughafen bringen müssen. Zum Glück sind es aber nur drei Wochen, bis sie wieder kommt und dann sogar für länger.

Und wir hatten nicht mehr so richtig dran geglaubt, aber es hat tatsächlich noch geklappt, dass Dani und mein Onkel sich kennengelernt haben. Zumal er vorher schon angekündigt hatte, dass er dieses Wochenende keine Zeit haben würde, aber er konnte dann glücklicherweise doch zum Abendessen am Samstag kommen. Zusammen mit meiner Tante und Oscar, die Dani auch schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Wir haben Putenschnitzel mit Tomate-Mozzarella und Basilikum gemacht, dazu Kartoffelgratin und als Dessert Mousse au Chocolat. Es war sehr lecker :q Das fand zum Glück auch meine Familie.

Ansonsten lud das Wetter nicht grade zu großen Unternehmungen ein. Es war ziemlich warm, aber auch ziemlich nass. Zwar hat uns meine Oma jeden Tag vorgehalten, dass wir nicht spazieren waren, aber wir konnten mit den Vorhaltungen besser leben als mit dem Regen.

Jetzt sitz ich hier wieder einsam und blogge und rieche ständig Autoabgase, die ich eigentlich schon seit Monaten aufgehört habe zu riechen (ja, vermutlich ist das so schlimm, wie es klingt...). Ich hoffe, das ist kein Vorbote von Smog oder so etwas.

Als greifbare Erinnerung bleibt mir noch etwas Mousse, die ich gleich essen werde, Unmengen von Kartoffelgratin, weil ich beim Schälen so eifrig war und eine Art Adventskalender, der mit kleinen Päckchen die Tage zählt, bis Dani wieder da ist, weil sie an meinem Geburtstag nicht da sein wird. Es gibt gute Chancen, dass das der tristeste Geburtstag wird, den ich je hatte, von daher fand ich die Idee sehr süß und habe mich unheimlich gefreut! :)

Du bist Frankreich

Ich weiß nicht, ob die Du-bist-Deutschland-Kampagne Vorbilder hatte und ich weiß auch nicht, ob der Werbespot, den ich heute Morgen hier gesehen habe, diese Kampagne als Vorbild hatte, aber es war definitiv genau die gleiche Soße – ganz, ganz grausam. Der gleiche „Packen wir's an”-Mist. Nur ist es zu allem Überfluss ein Wahlwerbespot für die Konservativen (UMP). Sarkozy, der zu „Es geht aufwärts”-Musik, Bildern von Land und Leuten und mit einem riesigen Pathos in der Stimme heiße Luft verbreitet. Zu finden als bei mir nicht bildfähiges wmv in Form eines Streams oder zum Download auf der UMP-Seite. Den Text in so ähnlich zum Mitlesen findet man bei einem politisch diametral zu mir positionierten Bloggerkollegen. Der aufs Wesentliche zusammengedampfte Inhalt (denn der Originalspot dauert fünf Minuten!) ist folgender: „nur Mut”, Sachzwänge, Ellbogen, harte Arbeit führt zu Erfolg, die UMP ist der Weg aus der Politikverdrossenheit und zum Erfolg Frankreichs und der Franzosen, alles wird gut, wir müssen nur wollen – Sie müssen nur wollen, wir brauchen Recht und Ordnung, wir brauchen Werte und Moral. Und das eben mit sehr starker Betonung auf der harten Arbeit, die jeder Einzelne leisten soll, um das Land vorwärts zu treiben. Was im Vergleich zu „Du bist Deutschland” fehlt ist, dass es hier nur Sarkozy ist, der den Leuten damit kommt und nicht die versammelte Oberschicht, die dem Proletariat mehr Arbeit abverlangt. Diese fehlende zynische Note wird aber mehr als kompensiert durch klassisch konservative Abartigkeiten, sodass ein ähnlich schauriges Gesamtbild erhalten bleibt: Du bist Frankreich! Du bist Nicolas Sarkozy!

22.3.06, 10:33 Uhr

Deppenleerzeichen auf Französisch

Interessant, bin grade durch Zufall auf die Seite CPE WIKI gestoßen. Ja, so weit, so gut, würde man denken, ist halt ein CPE-Wiki. Ist es aber eben nicht. Es ist der CPE „Wiki”, bzw. der Wiki-CPE, den Villepin soweit ich weiß noch nicht vorgeschlagen hat und von dem ich auch nicht weiß, was das sein könnte. Jetzt liegt das Problem weniger darin, dass da ein Bindestrich fehlt, weil solche Komposita im Französischen eher selten sind und soweit ich weiß auch nicht wie im Deutschen einfach so vom Sprecher erfunden werden können, ohne dass es komisch klingt. Nein, im Französischen stehen nicht nur Adjektive in der Regel nach dem zugehörigen Substantiv, sondern Komposita sind auch andersrum aufgebaut als sagen wir mal der Einfachheit halber im Englischen. Es müsste also nach allem, was mein bescheidenes Sprachverständnis hergibt, das „Wiki CPE” sein. Die obige Konstruktion, die wohl sogar von einem Muttersprachler kommen dürfte, kann ich mir nur durch einen schwer englischen Einschlag erklären. Vielleicht kann Florian da was zu sagen, der ja schon länger in Frankreich lebt. (Irgendwie verweise ich hier auf zu viele verschiedene Florians.) Aber Leute mit grausiger Grammatik gibt es wohl überall. Wundert mich nur, weil sich Deppenleerzeichen im Deutschen immerhin nur auf die Schriftsprache beziehen. Leute, die so betonen wie sie schreiben, hab ich immerhin noch nicht getroffen.

Oh, aber ich will nicht behaupten, dass Deppenleerzeichen zumindest im Deutschen nicht eine Funktion hätten. So hatte man dank ihrer schon wissen können, dass es sich bei „Tokio Hotel” um einen einzigen Fehler handelt, bevor sie auch nur einen einzigen Akkord geklampft haben ;)

21.3.06, 20:43 Uhr

La Manif – Die Demo

Nachdem die Demo zu Ende ist, setzen sich einige der Demonstranten mit ihrem Transparent auf den Boden zu einer Art Sit-in.Ich lebe also noch und sogar meine Kamera gehört noch mir. Letzteres ist nicht selbstverständlich, ich habe mehrere Verfolgungsjagden gesehen, die danach aussahen, dass einer was geklaut hat und dann ne Horde hinterher ist, um die Sau zu packen. Aber fange ich doch vorne an: Als ich bei Denfert aus der Métro kam, war da gerade mal ein kleines Häufchen von Leuten, die aber immerhin irgendwo hin wollten. Da war dann ein etwas größeres Häufchen von Leuten, die zwar für Bielefeld eine ordentliche Menge gewesen wären, für Paris aber eher ein Witz. Zum Glück gab es einen ständigen Zustrom von Menschen, sodass es dann doch noch 8.000-10.000 wurden. Das ist zwar nichts im Vergleich zu Samstag (350.000 Leute!) praktisch nichts (Zitat einer Demonstrantin: „Warum ist hier niemand?”), aber es reichte, um ziemlich geile Stimmung zu machen.

Ich glaube diese Studenten kommen von der Sorbonne, zumindest haben sie manchmal gesungen „Die Sorbonne gehört uns!” Auf jeden Fall haben sie gut Stimmung gemacht.Ich muss euch daher wieder mit einem qualitativ miesen, verwackelten, kleinen Filmchen quälen, aber es geht nicht anders. Ich hoffe, unter Linux kriegt man irgendwie .mov halbwegs abgespielt, ansonsten mea culpa, aber ich hatte mit der Software hier eh schon schwer zu kämpfen. Ich finde, der qualitativ miese, verwackelte kleine Film ist den Aufwand dennoch wert, denn den Gesang kann man auf einem Foto einfach so schlecht festhalten und solange ich meinen iriver noch nicht habe, kann ich anders kein Soundseeing machen. Jedenfalls heißt der Refrain schwerst grob übersetzt ungefähr: „Allez, allez, Villepin, verkauf uns nicht für dumm, dein CPE ist doch in echt nur für'n Patron.” Wobei „Patron” nicht so sozialistisch ist, wie es klingt, denn es heißt auf Französisch einfach der Arbeitgeber bzw. Chef. Aber wenn ich „Chef” genommen hätte, hätt sich's gar nicht mehr gereimt. Es spielt natürlich darauf an, dass Villepin immer noch versucht zu behaupten, der CPE solle den Jugendlichen Arbeitsplätze schaffen. Naja, da hat er die Antwort. Auch Sarkozys Kärcher kam retour und traf Villepin, der damit weggeputzt werden sollte.

Einige Leute haben der Demonstration lieber von ihrem Wohnzimmerfenster oder Balkon aus beigewohnt.Ein anderes Lied skandierte dementsprechend, dass der politische Zug für Villepin nach dem CPE entgültig abgefahren wäre (sehr frei): „Denn du wirst nie nie niemals Präsident!” Überhaupt konnte man die lyrische Vorarbeit dieser Demo nur bewundern. Andere Rufe klangen mehr nach Klassikern. So wurden Leute wie die auf dem rechten Bild sehr eindringlich mit „Auf die Straße mit euch!”-Chören bedacht. Ich glaube daraufhin runtergekommen ist keiner, aber ein Mädel hat immerhin irgend eine Entschuldigung nach unten gestikuliert, die ich allerdings nicht verstanden habe.

Wir kamen auch an einem Gefängnis vorbei und ein paar Hände haben sich an den Gitterstäben vorbei mit uns solidarisiert. Der eben genannte Spruch wäre sicher zynisch gewesen, stattdessen haben einige spontan einen anderen anscheinenden Klassiker aufgegriffen: „Liberez les prisonniers !” – Lasst die Gefangenen frei! Wahrscheinlich eher auf politische Gefangene zugeschnitten, aber war ja trotzdem nett von denen, dass sie für unsere Sache waren.

Die meisten Seitenstraßen waren mit einer dichten Reihe von Polizisten abgeriegelt. Das wurde nicht als angenehmes Symbol empfunden, auch wenn die Polizisten schon immer am anderen Ende der Straße standen. Hier demonstriert ein einzelner, indem er sich vor den Polizisten auf den Boden drängt. Beim Schießen des Fotos noch wurde ich von einem der Ordner zusammen mit anderen Fotographen wegkomplimentiert, da er sich Sorgen machte, dass ein Menschenauflauf vor der Polizei entstehen könne und das irgendwie eskalieren würde. Schade, denn ohne die beiden Fußgänger und aus einem anderen Winkel hätte das ein richtig gutes Bild werden können.Vielleicht waren sowieso ein paar Ex-Demonstranten dabei, denn es roch fast die ganze Zeit über überall nach... etwas anderem Tabak. Weniger harmlos waren die Leute, die irgendwie schon so aussahen, als würden sie auch nach der Demo bleiben, um sich noch ein bisschen mit den Polizisten zu kloppen. Die rannten nämlich dauernd in der Gruppe durch die Menge und demolierten Zeug, zumindest bei einer Bushaltestelle war ich Zeuge. Ziemlich erschreckend, wie schnell die waren, da blieb nicht viel Zeit, irgendwie zu reagieren. Die Ordner waren dementsprechend ziemlich hilflos und die Polizei hat zwar quasi den ganzen Weg der Demo abgeriegelt, aber sich immer ziemlich weit weg gehalten. Wahrscheinlich, um nicht zu provozieren. Trotzdem waren sie bei vielen Demonstranten nicht gerade beliebt und wurden ausgebuht.

Der Wagen wurde die ganze Demo über von drei Seiten von einer Menschenkette „bewacht”, die aber meist ohne Einhaken, nur mit Patschehändchengeben durchgeführt wurde. /Unsere/ Kette hat dafür einen Rüffel von einem Ordner gekriegt, aber wir hatten ja auch nicht so hübsche Frauen dabei.Gegen diese Gruppe Unruhestifter war die Standardtaktik, eine Kette zu bilden, damit sie nicht so durch die Menge rennen konnten (zumindest ist das meine persönliche Erklärung). Ich wurde ziemlich überrascht, als diese Gruppe zum ersten Mal an der Demo vorbeirannte und ein Ordner meinte: „Bildet eine Kette, bildet eine Kette!” Und prompt wurde ich *zack* links *zack* rechts eingehakt und hab mich gefragt, was genau unser Plan ist, wenn die versuchen, durchzubrechen. Haben sie aber nicht und phasenweise war tatsächlich so ziemlich die ganze Demo von einer großen Menschenkette umgeben. Sah ein bisschen aus wie eine ordentliche Kontur um einen wüsten Haufen herum.

Diese Kette ist richtig gemacht und sieht dementsprechend beeindruckend aus. Die gehen aber auch nebeneinander, was einfacher ist als hintereinander, weil man normal laufen kann und nicht so mit Geschwindigkeitsunterschieden zu kämpfen hat, die unserer Kette kein langes Leben beschert haben.Mehr oder weniger vorne fuhr dann noch ein Wagen, auf dem zwei Leute über riesige Lautsprecher permanent eingeheizt haben. Und trotz Mikrofon haben die ziemlich gebrüllt. Kommt ja sonst nicht. Heftiger Job jedenfalls, die sind bestimmt morgen heiser. Ich hoffe, ich bin's nicht, denn es war für Frühling schweinekalt, aber ich hab mich präventiv schon schön dick eingepackt, von daher hab ich nicht gefroren. Blöderweise hab ich meine langen Unterhosen nicht gefunden, aber ich konnte die Stulpen von Karneval recyclen. Hat ja keiner gesehen.

Im Vergleich zu Samstag nicht viele, aber wenn man vor und hinter sich nur Menschen sieht, kommt es einem doch ziemlich gewaltig vor.Als wir dann angekommen waren, hab ich mich ziemlich schnell aus dem Staub gemacht, denn bekanntlich haben die Krawalle immer nach den Demos angefangen. Blöderweise war ich davon ausgegangen, dass wir bei Nation wären, weil die Samstagsdemo bis dahin ging. Irgendwann hab ich dann aber gemerkt, dass das irgendwie nicht stimmen kann und musste dann erstmal orten, wo ich eigentlich bin. Ziemlich bei Denfert in der Nähe, irgendwie sind wir im Kreis gerannt, also bin ich dann irgendwann auf die Métrostation Gobelins gestoßen (sag mir keiner, dass ich nicht die nächstgelegene Station erwischt habe, ich weiß es), von der aus man nur mit zweimal umsteigen zu mir nach Hause kommt. Und irgendwie muss ich trotz meiner völligen Verpeiltheit einen unheimlich kundigen Eindruck machen, denn ich werde ständig von Leuten angequatscht, die nach ÖPNV-Details fragen. So auch da, während ich noch über dem Métroplan meditiere und versuche, meine Station zu finden, fragt mich einer von der Seite plötzlich, wie er denn zum Gare du Nord käme. Puh, wenn ich mit meiner Meditation schon weiter fortgeschritten gewesen wäre, hätte ich ihm sagen können, dass er wie ich eine Station zum Place d'Italie hätte fahren müssen, um dann in die 5 statt in die 6 wie ich zu steigen. Wie auch immer, jedenfalls hab ich ihm nur gesagt, dass ich selber noch suchen würde. Er hat aber ein ganz erstaunliches Vertrauen in mich den Gaijin gesteckt und nach einem kurzen Innehalten gefragt, ob es denn richtig wäre, dass der Gare du Nord direkt neben dem Gare de l'Est liege. Das konnte ich ihm ohne Blick auf den Plan bestätigen und diese Information schien ihm denn glücklicherweise auch gleich weiterzuhelfen , denn er wetzte sofort ab. Freut mich, dass ich sein Vertrauen nicht enttäuschen musste :) Wenn ihr einmal meinen Weg fahren müsst in Paris, lasst euch folgenden Tipp geben: Steigt nicht bei Denfert von der 6 in die 4 um, wie es nahe zu liegen scheint, sondern erst in Raspail. Da liegen die Bahnsteige direkt nebeneinander und man muss sich ganz métrountypisch beim Umsteigen kein bisschen die Hacken ablaufen.

Einer ist ab und an auf eine Telefonzelle gestiegen und hat eine kleine Feuerperformance abgezogen. Natürlich habe ich nicht ein Foto beim Feuerspucken auf die Reihe gekriegt. Mist, blöder.Naja, ich bin dann ohne weitere Vorkommnisse zuhause angekommen und musste dann nur noch das ganze geknipste Material für diesen Blogartikel aufarbeiten. Vor allem der Kampf mit iMovie war dabei ein Kapitel für sich, aber wie ihr seht, habe ich auch das halbwegs geschafft. Hauptsache jedenfalls, die haben mir meine Kamera nicht geklaut. An einer Stelle hatte ich sogar das Gefühl, dass zwei suspekte Gestalten zu mir hingestikuliert haben und auf die Gefahr hin, dass das pure Paranoia war, hab ich mich einfach mal aus dem Staub gemacht. Und gegen Ende der Demo war es vorne beim Wagen echt ungemütlich von den Leuten her, also bin ich folgerichtig nach hinten gegangen. Insgesamt war mir doch manchmal ein bisschen mulmig, aber ich glaube so richtig gefährlich ist es nicht, wenn man aufpasst und nicht mit dem Handy telefoniert. Siehe Einleitung. Jedenfalls hab ich es trotz Unterbrechungen gerade noch vor Mitternacht geschafft, den Artikel abzuschicken. Also gerade noch, bevor einer von euch die Polizei gerufen hätte, weil ich leichtsinnigerweise was von „heute noch” geschrieben hatte. Puh! Also alle stressbedingten Fehler bitte per Mail an mich ;)


PS: Siehste, das kommt davon. Jetzt hätte ich fast die beiden Hauptschlachtrufe vergessen zu erwähnen: Platz 2 „Retrait, retrait, retrait du CPE” und unangefochten auf Platz 1: „Resistance!” Letztere gegen alles und jeden. Der Ansager hat immer etwas vorgegeben (z.B. „Villepin” oder „Sozialabbau” oder so) und „Re-sis-tan-ce!” war die Antwort von allen. Übersetzung spar ich mir mal in beiden Fällen.

Eventuell letzter Eintrag

So, gleich ist wieder eine Demo und ich gehe da hin. Wenn ich mich heute nicht wieder melde, bin ich wahrscheinlich zu Tode getrampelt worden, überfallen worden oder sonstwie zwischen die Linien geraten. Fasst das in dem Fall als Abschiedsposting auf, es war schön mit euch *schnief*

Falls ich mich nochmal melden sollte, hab ich hoffentlich ne tolle Demo gesehen. Das Wetter ist leider ziemlich deprimierend, deswegen erwarte ich nicht, dass so viele Leute kommen und so eine Stimmung machen wie Samstag. Aber hoffen wir mal das beste.

Erstes Opfer des neuen Urheberrechts

Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (das wird es erst heute Nachmittag werden), da gibt es bereits die ersten Toten. Bislang trifft es allerdings noch die Richtigen: Die seit 15 Jahren jährlich stattfindenden „Rencontres cinématographiques de Beaune”, einem Treffen der Vereinigung ARP (Sozietät der Autoren, Regisseure1 und Produzenten), wurden dieses Jahr abgeblasen. Die Begründung des Abgeordneten und Bürgermeisters von Beaune, Alain Suguenot, liest sich sehr schön: „Ich sehe nicht, wie man der Bevölkerung von Beaune noch diese Kraftanstrengung abverlangen kann, jedes Jahr, ob es gut oder schlecht war, 200.000 Euro aufzuwenden, um Filmemacher zu empfangen, nur damit diese sich jetzt für die Exklusivität der Kultur einsetzen.”

Blätz! Außerdem beklagt Herr Suguenot den Druck, der von Seiten der Filmindustrie auf ihn ausgeübt wurde und dass Abgeordnete massiv beeinflusst wurden, Entscheidungen „entgegen ihrem Gewissen” zu fällen.

Michel Gomez von der ARP dementierte dazu erwartungsgemäß: „Wir haben ihn keineswegs unter Druck gesetzt. Alles war immer ausgesprochen öffentlich und transparent. [...] Wir sehen die Dinge anders: Er wurde in der Nationalversammlung geschlagen und wir haben nicht die Schuld für sein Scheitern auf uns zu laden.”

Quelle: Silicon.fr


1: Kleine Anmerkung am Rande: Wer glaubt, dass „Regisseur” irgendwie ein schwer französisches Wort ist, hat nicht so wirklich recht. Die Leute heißen nämlich „réalisateurs” auf Französisch. „Regie” gibt es allerdings, auch wenn das auch häufig „mise en scène” genannt wird.

20.3.06, 10:43 Uhr

Nachtrag Fernsehdiskussion

In derselben Diskussion gestern gab es aber nicht nur diese schlimme Bemerkung von der Konservativen, es gab auch eine geniale Bemerkung von einem, bei dem ich nicht weiß, wo er wech kommt. Ist ja auch egal, er meinte jedenfalls (sinngemäß, ich habe mir weder den Wortlaut merken können noch auch nur jedes Wort genau verstanden): „Die Sozialisten waren so überzeugt von ihrer Idee, dass als sie sie durchgeführt hatten und alles im Land im argen lag: Unterversorgung der Bevölkerung, keine freie Presse, Repressionen auf die Bürger... eine einzige Katastrophe und die Sozialisten wussten, dass es eine Katastrophe war. Aber was war ihre Konsequenz? Haben sie es sein lassen mit dem Sozialismus? Nein! Sie haben gesagt, dass man noch nicht genug gemacht hätte, dass die Idee des Sozialismus' noch nicht konsequent genug umgesetzt worden wäre. Und jetzt schauen wir uns die Liberalen an: Immense Arbeitslosigkeit, die Presse erfüllt ihre Aufgabe nicht mehr, die Leute fühlen sich nicht mehr sicher und sind ständig von Armut bedroht... alles liegt im argen, es ist eine einzige Katastrophe und alle wissen das. Und was sagen Sie? Man hätte noch nicht genug gemacht, man müsse den Weg nur noch konsequenter gehen!”

Was hab ich mich amüsiert! Und das tollste dabei: Die blöde Kuh mit ihren Grandes Ecoles von eben fiel ihm dauernd ins Wort und er meinte an einer Stelle nur: „Jetzt warten Sie mal ab, Sie werden es bereuen, mir ins Wort gefallen zu sein, wenn ich fertig bin.” Und in der Tat meinte sie an der Stelle, als er sagte, dass im System der Wirtschaftsliberalen auch alles im argen liege: „Ja, weil die Wirtschaft noch nicht genug Freiheiten besitzt, es muss eben noch mehr getan werden!” Quod erat demonstrandum, keine weiteren Fragen ;)

Le Tiroir – Schublade auf Französisch

Mal ein paar Worte zu dem, was mich in Frankreich mit am meisten ankotzt: Dem Elitedenken. Aktuell ausgelöst von einer politischen Diskussionsrunde, der ich gestern im Fernsehen beigewohnt habe. Da echauffierte sich eine konservative Politikerin über die Worte ihres sozialistischen Kollegen, die Jugend sei viel politischer heutzutage und er begrüße das. „‚Die Jugend’,” meinte sie dann, „wenn ich das schon höre! Die Jugend ist doch kein uniformer Block.” Normalerweise immer ein berechtigter Einwand, wenn auch hier vielleicht nicht so angebracht. Aber ihre Begründung war dann der Hammer: „Die Jugendlichen von einer Grande Ecole und die aus den Banlieues, da hat das eine doch mit dem anderen nichts zu tun!” Puh, das saß bei mir. Leider kann man diese Meinung, wenn auch nicht in so ausformulierter Form, sehr häufig antreffen. Wer auf einer Eliteuni ist, ist ein guter Mensch, wer aus einem Vorort kommt potentiell ein Gewalttäter, aber bestimmt kein heller Kopf. Und dann wundert man sich, warum die wirklich Autos anzünden. Self-fullfilling Prophecy nennt man sowas. Und diese Denkweise regt mich ja überhaupt so unheimlich auf! Zumal grade in Deutschland zu beobachten ist, dass die Richtung verfassungswidrigerweise genau dieselbe ist.

Überhaupt habe ich das Gefühl, dass es hier allgemein anerkannt ist, dass man sich über seinen Lebenslauf, seinen „CV” definiert. Kleines Beispiel nur die Englischkurswerbung, die man allerorten in der Métro antrifft: „Guter CV, aber... Do you speak English?” Würde man glaub ich in der Form eher nicht in Deutschland sehen. Vor allem frag ich mich immer, wenn ich die Werbung lese: „Und was ist mit den Leuten, die schonmal gar keinen guten CV haben?” Nach denen fragt nämlich wohl dann keine Sau mehr. Versau dir ein Datum im CV und du kannst dich aus der Gesellschaft verabschieden. Das ist doch der Druck, dem man sich ständig und von klein auf ausgesetzt sehen muss.

Außerdem muss man hier so ziemlich zu allem seinen Lebenslauf einreichen. Ein Prof wollte zu Anfang meines Jahres hier von allen in seiner Vorlesung einfach pauschal mal einen haben und als ich mich davor auf die Uni in Orsay beworben habe, hab ich glaub ich drei oder vier Lebensläufe in verschiedenen Formaten angefertigt.

Auch in normalen Gesprächen kommt das Thema viel häufiger auf den „CV”, was denn wohl gut dafür wäre und so. Wie gesagt, darüber wird man eben definiert in der Arbeitswelt und die (Lohn-)Arbeitswelt definiert einen ja nicht nur in Frankreich. Als das mit den Banlieues noch ein echtes Thema war, weil die grade brannten, war sogar im Gespräch, anonymisierte Lebensläufe einzuführen, damit nicht Wohnort oder Name eine Rolle spielen bei der Bewerbung. Hat sich, soweit ich weiß, im Sand verlaufen, aber auch hier zeigt sich wieder, wie zentral die Dinger im Denken sind. Und wie schlecht als Kriterium geeignet.

Und um den Bogen zum Elitedenken wieder zu schließen: Auf deinem CV ist nicht nur wichtig, von welcher Uni du kommst, auch das Gymnasium spielt schon eine große Rolle, wenn es darum geht, in welche Schublade du kommst. Und das ist besonders prekär, denn darüber, auf welche Schule du kommst, entscheiden in Frankreich nicht einmal irgendwelche fadenscheinigen „Leistungskriterien”, sondern schlicht und ergreifend, wo du wohnst. So denkt meine Oma jetzt schon daran, dass meine Tante bloß da wohnen bleiben soll, wo sie wohnt, damit Oscar nachher auf eine renommierte Schule kommt! Ich find sowas nur krank.

And the Oscar goes to... III

Naja, nicht wirklich zu mir heute. Ich hatte ihn nur für ein paar Minuten für mich allein, die ich nutzen wollte, um ihm deutsche Farbnamen anhand am Fenster vorbeifahrender Autos beizubringen. Ist euch aber mal aufgefallen, dass heutzutage diese Langweiler von Autobesitzern nur noch schwarze und silberne Autos fahren? Wenn's hoch kommt auch mal weiße! Wie auch immer, den Rest der Zeit habe ich damit verbracht, tonnenweise Fotos zu schießen und mir ist aufgefallen, dass ich noch gar kein Foto hier gezeigt habe. Dazu besteht überhaupt keine Veranlassung, wo ich doch so einen hübschen Cousin habe :)

Ansonsten haben wir nicht viel gemacht heute, meine Tante war ziemlich geschafft und unter anderem deswegen ist der Tag so vor sich hingeplätschert mit Essen, Baby versorgen, eine blöde populärwissenschaftliche „Dokumentation” gucken, über die man sich hübsch gemeinsam aufregen konnte und dösen. War also ganz angenehm :) Und nächsten Samstag sehen wir uns schon wieder, dann sogar mit Dani zusammen, die Oscar ewig nicht gesehen hat und schon ganz ausgehungert sein dürfte!

19.3.06, 12:33 Uhr

Gedanken unter Leuten II – Schöne Bescherung

Auf ein sehr interessantes Paper bin ich neulich durch einen Wikipediaartikel gestoßen. Es geht um die Schönheit von menschlichen Gesichtern und eine Überprüfung der bisher dazu existierenden Thesen. Mehr noch als interessant war dieses Paper in meinen Augen aber erschreckend. Ich zitiere einfach mal:


Ein Hinweis darauf, wie wichtig die Attraktivität von zunächst fremden Gesichtern zu sein scheint, ist auch, dass bereits Säuglinge im Alter von drei Monaten attraktiveren Gesichtern mehr Aufmerksamkeit widmen als weniger attraktiven. [...]

Darüber hinaus sind bestimmte soziale Konsequenzen des Stereotyps der physischen Attraktivität untersucht worden. Hatfield & Sprecher (1986, S. 91) berichten zum Beispiel zum Thema „Einfluss der Attraktivität auf die Strafzumessung in Gerichtsprozessen“: „We have found, that good-looking defendants have several advantages: 1. They are less likely to be caught. 2. If caught, they are less likely to be reported. 3. If their case comes to court, judges and jurors are more likely to be lenient”. Ebenso wurden nachgewiesen, dass die Hilfsbereitschaft steigt, wenn die hilfsbedürftige Person attraktiv ist (vgl. Hassebrauck, 1993). Attraktive Kinder werden in der Schule besser benotet (vgl. Lerner und Lerner, 1977), zeigen weniger aggressives Verhalten (vgl. Langlois und Downs, 1979) und sind selbstsicherer (Maruyama und Miller, 1981).
Im späteren Leben spielt die Attraktivität eine Rolle bei der Partnerwahl. Hier haben Attraktive weniger Schwierigkeiten mit Verabredungen, sie haben mehr sexuelle Erfahrungen, bessere soziale Beziehungen und ihre Interaktionen sind insgesamt befriedigender (vgl. Reiss, Wheeler, Spiegel, Kernis, Nezlek und Perri, 1982). [...]

So werden nach unseren Ergebnissen Menschen mit einem attraktiven Gesicht auch für erfolgreicher, zufriedener, sympathischer, intelligenter, zugänglicher, geselliger, ehrlicher, fleißiger und kreativer gehalten.


Eines der leider wenigen Nacktfotos von einer wirklich hübschen Frau. Aus einem Kalender von Bamberger Studenten, deren Website leider momentan nicht erreichbar ist. Wenn Einwände gegen die Benutzung auftauchen sollten, bitte ich, mit mir in Kontakt zu treten.Heftig das. Aber eine Frage lässt mich dabei nicht los: Wenn Attraktivität so wichtig ist und vor allem wohl auch einen deutlichen Selektionsvorteil bietet, warum sind dann nicht alle Menschen schön? Oder zumindest die meisten? Warum sind so viele Menschen so lala oder gar hässlich?

Braucht die Gesellschaft hässliche Menschen, selbst wenn es für diese selbst von Nachteil ist?

Klar, man könnte, um diese Frage mit „nein” beantworten zu dürfen, argumentieren, dass Schönheit durch die Mischung verschiedener Allele entsteht, die für sich genommen nicht schön sind. Aber irgendwie ist das eine ziemlich lahme Ausrede. Oder man könnte sagen, dass sich Schönheitsmerkmale bei verschiedenen Geschlechtern widersprechen. Was allerdings hieße, dass zum Beispiel schöne Männer besonders hässliche Töchter kriegen. Mir irgendwie nicht bekannt. Zumal es Merkmale gibt, die einfach universell und sogar geschlechtsunabhängig sind: Ein schmales Gesicht zum Beispiel, dunkle Augenbrauen, hohe Wangenknochen und viele und dunkle Wimpern. Und da komm mir auch keiner mit einer notwendigen Mischerbigkeit für sowas. Und dass das kulturabhängige Merkmale sind, kann ich mir auch nicht so recht vorstellen. Braune Haut bestimmt und geringer Fettansatz vielleicht. Aber in welcher Zeit oder Kultur waren denn spärliche Wimpern ein Schönheitsideal?

Weiter bestätigt der Artikel die These, dass das Kindchenschema Frauengesichter in hohem Maße attraktiv macht. Und er macht dahingehend auch eine Bemerkung über Männergesichter:


Hirschberg (1978) fand heraus, dass kindliche Gesichtsmerkmale für Männer ein Negativsignal sind und Männergesichter unattraktiv machen. Das Kindchenschema ist unvereinbar mit einer Einschätzung des Gesichtes als dominant, einer Eigenschaft, die bei Männern sozial erwünscht ist. Dagegen werden Menschen, die kindliche Gesichtszüge zeigen, als eher emotional warm bezeichnet.


Hey, das erklärt, warum Frauen nie mit denjenigen Männern ins Bett gehen, die sie mögen! Männer hingegen haben glaub ich generell überhaupt kein Problem damit, mit ihrer besten Freundin ins Bett zu gehen.... solange sie hübsch ist. Welches Geschlecht ist jetzt bescheuerter bei der Partnerwahl? Ich will das nicht entscheiden müssen, irgendwie ist das doch so oder so scheiße. Warum hängen wir Menschen des 21. Jahrhunderts ausgerechnet bei diesem so wichtigen Thema in der Steinzeit fest? Frauen wollen Männer, die sie vor Raubtieren und bösen anderen Männern beschützen und Männer wollen Frauen, die möglichst jung und fruchtbar sind. Wäre alles sehr sinnvoll, gäbe es nicht Schusswaffen und die Pille. Aber ändern sich deswegen die Kriterien? Nein ach woher denn! Menschen sind zum Kotzen.


PS: Oh und um nochmal auf die Sache mit der Einschätzung von Gesichtern anhand ihrer Attraktivität zurückzukommen: Wahrscheinlich gibt es jetzt viele, die sagen „Ach, davon lass ich mich doch nicht beeinflussen! Meine Menschenkenntnis geht ja wohl bitteschön etwas über ein hübsches Gesicht hinaus!” Achso? Dann nehmt doch mal bitte das folgende Beispiel, computergeneriert und daher völlig ausdrucksgleich. Wenn ihr Personalchef wärt, wen würdet ihr einstellen? Zu wem wärt ihr freundlicher, wenn sie euch über den Weg läuft? Wem würdet ihr mehr zutrauen?

Computergenerierte Gesichter mit freundlicher Genehmigung von faceresearch.org. Links ein Beispiel für ein sehr unattraktives Gesicht, rechts für ein sehr attraktives. An den sehr interessanten Experimenten mit diesen Gesichtern könnt ihr unter http://www.faceresearch.org/ selbst teilnehmen.
Ich komme jedenfalls kaum umhin, die linke Frau als dumm und unfreundlich einzustufen und die rechte als aufgeweckt, intelligent und vielleicht zielstrebig oder so. Und wenn man erstmal so geprimet ist, ist es glaub ich verdammt schwer, davon wieder runterzukommen. Zum Kotzen halt.

18.3.06, 17:08 Uhr

Pa Pa Pastetenüberfall

Ich habe ja schon meinen Eindruck zum Ausdruck gebracht (welch Deutsch!), dass Feinschmeckertum hier entgegen der landläufigen Meinung kein Breitenphänomen ist. Ich habe bisher nichts gesehen, das mich diese Ansicht revidieren ließe, aber ich möchte dennoch von einem Schock berichten, der mich die Tage im Supermarkt ereilte und der darauf hindeutet, dass es sie immerhin gibt, die vielbeschworenen Feinschmecker. Dieser Schock ereilte mich nämlich vor dem Kühlregal, als ich nach einer geeigneten Paté, also Pastete suchte. Ihr wisst schon, so eine Art Leberwurst. Mein Blick fiel auf eine, die ganz lecker aussah, dann aufs Preisschild... ZWÖLF EURO! Für HUNDERTFÜNFZIG GRAMM! Der entsprechende Kilopreis meinte dasselbe: 80 Euro! Füttern die ihre Gänse mit Blattgold?! Und glaubt mal nicht, dass 150g Pastete irgendwie viel wären. Das ist mehr so ein Klecks. Jedenfalls ist mir jetzt klar: Wenn ich mal Geldprobleme habe, riskier ich doch nicht mein Leben und überfall nen Geldtransporter. Pfff, nein nein, Pastetentransporter, da stecken die wahren Reichtümer heutzutage! Groschen schleppen, pah! Zahlt sich doch nie im Leben aus! Aber ein, zwei Kühlboxen voller Gänseleberpastete und du hast ausgesorgt. Ich komme bei der Gelegenheit auch nicht umhin, zu eurem Leidwesen ein ohnehin schon holprig gereimtes Lied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung zu vergewaltigen, um diesen Schock irgendwie zu verarbeiten (geteiltes Leid ist halbes Leid und so...):


Der Kühlschrank ist leer, das Sparschwein auch.
Ich hab seit Wochen kein Schnitzel mehr im Bauch.
Der letzte Scheck ist weg, ich bin nicht liquid.
Auf der Bank krieg ich sowieso keinen Kredit.

Gestern enterbt mich auch noch meine Mutter
Und aufs Brot kommt schon lang mehr keine Butter.
Mit einem Wort, die Lage ist fatal.
Da hilft nur eins: Ein Pastetenüberfall!

Das richtige Wetter, um...

Erstmal war gestern das richtige Wetter, um überhaupt mal wieder länger durch die Stadt zu gehen, ohne sich alles abzufrieren, was nicht mindestens durch drei Lagen Stoff geschützt ist. Außerdem war es ganz leicht diesig, sodass ich mich dachte, dass der Blick von Montmartre herunter vielleicht ganz nett sein könnte. Dass ich bei der Sorbonne vorbei wollte, hab ich ja gestern schon erzählt und dann wollte ich auch nochmal zu einem Viadukt, von dem mir meine Mama erzählt hatte und auf dem sie jetzt eine bepflanzte Promenade eingerichtet haben.

Ich bin an der Métrostation Saint-Germain-des-Près ausgestiegen, weil das die Grenze des Quartier Latin ist und es im Fernsehen so klang, als läge das halbe Viertel in Schutt und Asche. Allerdings war im gesamten Quartier Latin abgesehen von dem Bereich direkt um die Sorbonne herum so wie immer – ohne zerschlagene Schaufenster und mit einem riesigen Haufen Touristen. Direkt beim Herauskommen aus der Métro habe ich dieses Beeindruckende Kunstwerk gesehen, das ihr rechts seht, wo ein Tod eine wehrlose, knallorangene Figur durch die Gegend schleudert. Ich weiß leider nicht, von wem das ist, wie es heißt und worauf die Symbolik abziehlt, aber ich war auch zu schusselig, nach einer entsprechenden Plakette zu suchen.

Beim Spazieren durch das Quartier Latin bin ich dann auch noch auf einen netten Brunnen gestoßen mit einem kleinen Gärtchen dabei. Ich finde, das macht viel vom Charme Paris' aus, dass sie sich nicht einfach nur einen Jardin du Luxembourg da hinsetzen und sagen „So, wer jetzt Grün will, hat da ja alles, was er braucht”, sondern unzählige solcher kleinen netten Ecken haben.

Naja, was dann bei der Sorbonne war, hab ich ja gestern schon geschrieben. Ich bin in der Gegend auch noch ein bisschen spazieren gegangen und dabei beim Panthéon vorbei gekommen, das oben an der Kuppel und auch im Eingang mit langen, wehenden gelben Tüchern behangen war. Sah sehr geil aus und hat mich etwas an Hero erinnert.

Dann bin ich wie geplant weiter nach Montmartre, wo ich aber ein paar Fotos geschossen und dann wieder abgehauen bin. Ist zwar architektonisch eine nette Gegend aber so steil und so touristenverseucht. Abends soll's da touristenärmer werden, vielleicht kann man dann als Langzeittourist wie ich es bin mal vorbeischauen. Ich habe übrigens diese sündhaft teure Seilbahn genommen, um wieder vom Berg runter zu fahren und zwar deshalb, weil sie mich dank meiner Carte ImaginR genau nichts kostet :D Ich hatte das schonmal irgendwo gelesen, wollte es aber nicht so recht glauben, aber als ich in der Nähe der Seilbahn dauernd dieses vertraute *PING* *PING* gehört habe, hab ich es denn doch einfach mal probiert. Und siehe da, es gab diese NaviGO-Magnetomagic-Teile und als ich da meine Karte drübergezogen habe, hat es *PING* gemacht und ich konnte durch. Auf die Abfahrt zu warten hat zwar wahrscheinlich länger gedauert als wenn ich zu Fuß gegangen wäre, aber darum ging's ja nicht, es war halt umsonst. In der Gondel war dann noch so eine bescheuerte Gruppe amerikanischer Touristen, die nichts besseres zu tun hatten, als mich ganz furchtbar neidisch zu machen, weil jeder zweite mit ner digitalen Spiegelreflex rumgelaufen ist.

Als ich bei Montmartre aus der Métro gestiegen war, war mir übrigens eine riesige Gruppe Schwarzer entgegen gekommen, was ziemlich blöd war, weil die zu den Ausgängen rein sind, sodass man nicht mehr raus kam. Als ich dann wieder richtung Métro bin, bin ich auch wieder einer riesigen Gruppe Schwarzer begegnet, diesmal allerdings die Sorte, die normalerweise weiße bis sehr weiße Haut hat, dafür aber einen Hang zu dunkler Kleidung an den Tag... oder so legt. Naja, die waren tagsüber unterwegs und fragt mich bitte nicht, was die da vor einem drittklassigen Supermarkt für eine Convention abgehalten haben, aber es war ein sehr bizarres Bild.

Ich hatte selbst nicht dran geglaubt, aber es war tatsächlich noch früh genug, dass ich auch noch meinen dritten Punkt auf der Liste abhaken konnte und zu dem angesprochenen Viadukt bin. Eigentlich war es wohl mal ein Eisenbahnodukt, das Bastille mit Vincennes verbunden hat. Dann stand es wohl ewig still, hat komisches Volk angezogen und war primär mal hässlich, sodass es abgerissen werden sollte, bis jemand auf die bessere Idee kam, wieder was daraus zu machen. Jetzt sind unter den Bögen des Viadukts, das jetzt Viaduc des Arts heißt, kleine Geschäfte und oben, wo früher die Via war, kann man jetzt langlaufen und alles ist sehr schön bepflanzt.

Die Sicht ist ziemlich außerordentlich, weil man zwar nicht ganz auf Höhe der Dächer ist, aber doch ziemlich nah dran und zum Teil kann man sogar vom Viadukt aus direkt in die angrenzenden Häuser gehen. Der Weg über das Viadukt ist sehr abwechslungsreich gestaltet und beinhaltet normale Beete, kleine Bambuswälder und sogar Wasserflächen (momentan leider ohne Wasser) und am Ende ist ein großer Platz, ein kleiner Park und eine Bogenbrücke, die mitschwingt, wenn ein Jogger kommt. Ich glaube sogar, dahinter geht es noch irgendwie weiter, weil ja schließlich Vincennes noch eine ganze Ecke aus Paris raus ist, aber an dieser Unterbrechung habe ich erstmal Schluss gemacht, weil die Sonne am Untergehen war.

17.3.06, 22:45 Uhr

Feste Proteste

Mädchen vor zertrümmerten Glastüren und SchaufensternIch habe mich heute auf eine ganz lange Tour begeben, die ich bei der Sorbonne angefangen habe, weil ich mir selbst ein Bild von dem Ergebnis der Krawalle machen wollte. Die Verwüstungen hielten sich in Grenzen, allerdings habe ich vielleicht auch nicht alles gesehen, weil der gesamte Platz vor der Sorbonne mit einem riesigen Zaun – naja, eigentlich fast eher einem Wall – umgeben war und das gesamte Gelände um die Sorbonne herum von Polizisten bewacht wurde, die zum Teil dicht an dicht gestanden haben, mindestens aber alle zwei Meter.

Zwei Meter hoher Zaun um den Place de la Sorbonne, auf dem schwer militärisch aussehende Polizeifahrzeuge stehenAußerdem standen so ziemlich in allen Himmelsrichtungen um die Sorbonne herum die größten Haufen von Polizeiwagen, die ich je gesehen habe: Im Norden, Süden und Westen... in den Osten gehe ich nicht.

Drei- oder vierreihig stehende Polizeifahrzeuge in einer Seitenstraße der Rue SoufflotAuf den Bildern traut ruhig euren Augen, es sind so viele Polizeifahrzeuge. Auf dem einen haben nichtmal alle aufs Bild gepasst. Und besonderes Augenmerk möchte ich auf die Aufbauten auf den Fahrzeugen lenken, die direkt auf dem Place de la Sorbonne stehen, hinter dem Zaun.

Zweireihig stehende Polizeifahrzeuge am Brunnen Saint-MichelJedenfalls hab ich sowas in der Form noch nicht gesehen, als ich die Bilder meiner Oma gezeigt habe, hatte die das in der Form auch noch nicht gesehen und überhaupt hat man den Eindruck, dass da irgendjemand überhaupt keinen Spaß mehr versteht. Gut, ist ja auch nicht lustig, dass die Demonstrationen von irgendwelchen Leuten genutzt werden, um nochmal richtig Krawall zu machen. Immerhin sind die Medien da recht fair und differenzieren gut zwischen Studenten und Randalierern. Dass behauptet wird, die Randalierer kämen aus den Vororten... weiß nicht, ob das dann wieder sein muss, aber immerhin haben sie zum Beispiel auch einen Studenten gezeigt, der ziemlich erfolglos „Leute, jetzt hört doch auf mit dem Scheiß!” durch sein Megaphon appellierte.

Antik aussehende Polizeibusse am Boulevard Saint-MichelWar auf alle Fälle ein Erlebnis, da mal vorbei zu schauen. Morgen ist noch eine viel größere Demo angekündigt. Ob ich da allerdings vorbei schauen will, muss ich mir erst noch überlegen.

Vom Rest des Tages werde ich euch heute Abend allerdings nicht mehr berichten, das hat keine aktuelle Brisanz und muss daher hinter meine Müdigkeit und meine Kopfschmerzen zurücktreten.

DADVSI

„Projet de loi relatif au droit d'auteur et aux droits voisins dans la société de l'information”, abgekürzt „DADVSI”. So heißt das Gesetzesprojekt, das das Urheberrecht in Frankreich „anpassen” sollte, zwischenzeitig zu einem kleinen Funken 21. Jahrhundert wurde und jetzt doch wieder das letzte Jahrhundert zementiert. Gestern Abend war die letzte Sitzung, die licence globale spielte ja schon länger keine Rolle mehr, Dienstag wird es dann verabschiedet werden. Was steht drin? 30.000 Euro Strafe und 6 Monate Knast für diejenigen, die Informationen oder Software zur Verfügung stellen oder verbreiten, die hilft, Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen. Wer privat DRM-Maßnahmen umgeht, wird mit 3750 Euro belangt, nur 750 wenn er dabei einfach nur eine Software bedient, die das für ihn tut. Hiervon allerdings ausgenommen ist ausdrücklich eine Umgehung des Kopierschutzes zu Zwecken der Interoperabilität oder sonstiger Durchsetzung der Rechte, die man an dem Werk erworben hat. Und schließlich kostet das unerlaubte Herunterladen und Erwischtwerden 38 Euro und das Anbieten urheberrechtlich geschützten Materials 150 Euro.

Und während der Debatte gestern hat der Kultur- und Kommunikationsminister, dessen Name so lang ist, dass er oft nur RDDV genannt wird, angekündigt, die Maßnahmen würden durch „P2P-Software, die die IP-Adresse des zuwiderhandelnden Internetnutzers herunterlädt” durchgesetzt werden. Hauptsache man weiß, wovon man redet. Und irgendwie sehe ich schon Viren heraufziehen, die jahrhundertelang nicht upgedatete Windowsrechner in eMule-Relays verwandeln.

Die Leute, die DVD-Abspielgeräte für Linux bereitstellen, sind aber nicht am schlimmsten dran. Richtig fies wird es für die, die Software schreiben, die irgendwann mal von einem Gericht als „offensichtlich auf die Bereitstellung von urheberrechtlich geschütztem Material abzielend” erachtet wird. Die erwischt es nämlich mit 3 Jahren Bau und 300.000 Euro Strafe ziemlich kalt. Der Änderungsantrag, der diese weltweit einzigartige Regelung ins Gesetz eingebracht hat, wurde übrigens inoffiziell allgemein „Änderungsantrag Vivendi Universal” genannt. Nun denn.

Vor allem zeigt ja die Erfahrung mit der Legislative, dass es Richter gibt, die sich bequemen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und andere, die haarsträubenden Unfug entscheiden, wo sich jeder, aber auch jeder, der sich etwas auskennt, nur noch an den Kopf packen kann. Von daher wäre ich nicht sonderlich überrascht, wenn hier in Frankreich demnächst der Autor eines FTP-Servers in den Bau geht, weil ja schließlich jeder weiß, dass FTP ein Protokoll für Verbrecher ist, während normale Internetnutzer außer HTTP in ihrem Leben nie etwas sehen werden. Letzteres stimmt für viele wahrscheinlich sogar, was noch viel mehr Protokolle in die „Kenn ich nich', ist bestimmt Teufelswerk”-Ecke drängt. Denn zum Beispiel Bittorrent-Software zu schreiben ist in Frankreich wahrscheinlich jetzt fast Selbstmord, auch wenn ich das Protokoll wie gesagt nicht gerade selten nutze und noch nie für irgendwas Illegales. Aber es ist P2P und das ist böse. Liegt vielleicht auch daran, dass „peer to peer” auf Französisch vom Lautbild her „schlimmer to schlimmer” heißt. Besonders blöd daran übrigens, dass mein Lieblingsbittorrentclient für den Mac soweit ich weiß von einem Franzosen geschrieben wird. Hoffentlich ist er mutig genug, weiterzumachen!

Nachtrag: Göttlicher Hinweis im Heise-Forum! Vivendi verwendet selber Bittorrent :D

2. Nachtrag: Ein schöner Artikel in Le Monde, wo unter anderem der Regierung unter die Nase gerieben wird, was für einen Mist sie verzapft haben, zum anderen noch ein Detail, das etwas untergegangen sein könnte, herausgearbeitet wird: Es gibt im Gegensatz zu früheren Plänen keine Verpflichtung mehr, eine gewisse Anzahl von Privatkopien zu gestatten. Wem fünf zu wenig war, jetzt sind es null. Im Gegenteil, (verschlüsselte) DVDs auf seiner Festplatte zu speichern ist ausdrücklich verboten und kopiergeschützte CDs rippen kann man sich im Zweifelsfall sogar auch von der Backe putzen. Wahrscheinlich darf man sich dann die CD, die man für teures Geld gekauft hat, nochmal für 99 Cent pro Titel runterladen, wenn man sie auf seinem iPod hören will. Spitze. Wird vor allem auch jeder machen. Wenn wir jetzt schon eine Gesellschaft haben, wo wahrscheinlich jeder zweite ein „Verbrecher” ist, dann ist es bald so ziemlich jeder, der einen Computer hat und Musik darauf hört. Immerhin kommt dann nicht mehr so oft das bescheuerte Argumente gegen die totale Überwachung: „Wieso, ich hab doch nichts zu verbergen!” Doch, hast du! Und mit etwas Glück und der Gnade von Vater Staat deinem unfehlbaren Gott kannst du dich durch Ablasszahlungen vor der ewigen Verdammnis retten!

15.3.06, 19:26 Uhr

Wenn nicht heute, dann aber morgen

Mein erstes richtiges Foto mit der frisch reparierten Kamera. Deutlich zu sehen, das verschwommene Etwas im Vordergrund ;)Meine Kamera ist endlich angekommen! Jaha, man soll's nicht glauben. Ich war eigentlich seit Montag nicht mehr vor der Tür, dann gehe ich kurz einkaufen und der Bote kommt. Unglaublich. Aber zum Glück war meine Oma da. Das Ding kam in einem riiiiiiiiiiiiiiiiiesigen Karton, keine Ahnung, wieso. Außerdem war alles verstellt, Menü auf Französisch (bin ich froh, dass ich es nicht an den Firmensitz in Japan schicken musste, ich hätte es ja nicht mehr zurückgestellt gekriegt!) und all die kleinen Einstellungen, die das Ding so hat wieder auf unerträglichen Default-Werten. Und man merkt ja gar nicht, wie viele dieser Einstellungen es gibt, bis die Kamera auf einmal hinten und vorne nicht mehr tut, was man von ihr gewohnt ist. Aber die gute Nachricht ist: Der Blitz tut wieder und soweit ich sehen kann, sind auch die Pixelfehler weggezaubert worden. Aber überzeugt euch gerne selbst. Wenn ihr etwas anderes als schwarz auf dem Bild seht, sagt mir Bescheid. Farben und Formen fotographieren geht auch noch, allerdings ist der Autofokus nicht besser geworden leider. Bevor ich die Blume scharf kriegen konnte, war die Sonne weg. Mist, blöder. Der Dschungel (das, was scharf ist...) auf dem Bild gehört übrigens zum Wohnzimmer meiner Oma. Wenn morgen so ein Wetter ist wie heute, kann ich dann ja mal endlich wieder auf Fototour gehen :)

Kettenfragebogen

Schon vor einiger Zeit hat mir Jörn dieses sogenannte „Medienstöckchen” zugeworfen, ich brauchte aber einige Zeit, bis ich zum einen die moralische Frage geklärt hatte, ob ich bei diesem Kettenbrief mitmachen will und zum anderen die verfluchten Was-sind-deine-vier-Lieblings...-Fragen beantwortet hatte. Ich mache mit, weil es im Grunde eine lustige Idee ist (speziell dieses Ding klammert leider viele wichtige Dinge aus, aber wahrscheinlich würde es keiner mehr beantworten, wenn es zu lang wäre) und man vor allem nicht mit kurzfristigem Tod, Ausschlag, einem unglücklichen kranken Jungen, immerwährendem Pech oder sonstigen Unglücksfällen bedroht wird, falls man nicht auf den Brief reagiert. Besonders lustig finde ich daran, dass es ein bidirektionaler Staffelstab ist. Damit meine ich nicht, dass er zwei Enden hat wie eine Wurst, sondern dass man zurückverfolgen kann, woher er gekommen ist. Und dieser hier ist eine Übersetzung aus dem Englischen, wo es sehr, sehr viele Iterationen vorher scheinbar bei jemandem losgetreten wurde, der mir, bevor ich das entdeckt habe, auch schon durch ein sehr geiles Bild auffiel. Allerdings hat der es auch nicht erfunden, sondern zusammengeschrieben, so wie es aussieht. Eine lustige Tour durch unzählige Blogs hindurch war das jedenfalls.


Vier Jobs, die ich in meinem Leben hatte:
(Das geht ja gut los, irgendwer hat mir mal gesagt, im Westen würde man sich zu sehr über die Lohnarbeit definieren... ach was!)
  • Unitutor
  • Entgratsklave
  • Rollenspielleiter
  • Hobbypolitiker
Vier Filme, die ich immer wieder anschaue:
Vier Orte, an denen ich gelebt habe:
Vier TV-Sendungen, die ich gerne anschaue:
  • Star Trek TNG
  • Die Sendung mit der Maus (Wobei die Sachbeiträge ohne Christoph und Armin nicht mehr sind, was sie mal waren. Haben jetzt irgendwie diesen 08/15-Infotainment-für-Kinder-Charakter.)
  • Monitor
  • Die Simpsons
Vier Plätze, an denen ich mal Urlaub gemacht habe:
  • Madagaskar (plus die vorgelagerten Inseln La Réunion (wo Vanille und Moskitos herkommen) und Mauritius)
  • Spanien (Madrid, Toledo, Costa del Sol, Teneriffa)
  • Frankreich (Viele, viele Orte...)
  • Portugal (halb Portugal an fünf Tagen oder so, nie wieder! Aber es war trotzdem gut :)
Meine vier Lieblingsgerichte:
  • Lasagne
  • Käsespätzle
  • Alles in Champignonrahmsauce
  • Mousse au Chocolat
Vier Webseiten die ich täglich besuche:
Vier Orte, an denen ich in diesem Moment gerne wäre:
(Ich verstehe die Frage irgendwie nicht, ich bin gerne hier, ich hab's mir ja schließlich so ausgesucht. Ich fasse sie einfach mal auf als „Vier Länder, die ich noch bereisen möchte.”)
  • England
  • Japan
  • USA
  • Australien
Vier Blogger, denen ich dieses Stöckchen hinwerfe:

13.3.06, 12:23 Uhr

Wenn nicht heute, dann aber morgen

Eben hab ich bei Nikon angerufen. Ich hatte eigentlich schon letzte Woche genug davon, auf Antwort auf meine E-Mail zu warten, aber ich war entweder nur zu früh, zu spät oder zu mittig zuhause. Ja, deren Telefonhotline macht Mittagspause. Oder zu wochenendig. Naja, heute Morgen dann da angerufen und denen mitgeteilt, wie die Firma, die sie beauftragt haben, mir die Kamera zu bringen, es schaffen kann, dass ich die auch kriege. Ging auch alles so gut wie ohne Probleme und die Kamera soll ich heute Nachmittag oder morgen noch kriegen.

Ich lege auf und gehe kurz darauf an meinen Rechner und sehe da eine neue Mail. Von Nikon: „Ihre Nikon-Kontaktdaten” Da bestätigen sie mir die Einrichtung meines Benutzerkontos auf der Nikonseite, was man zum Senden der Mail via Webformular machen musste. Nach ner Woche! Diese Mails kommen normalerweise so zwei Sekunden nach Einrichtung des Kontos. Mal schaun, wie lange es dauert, bis ein armer Mitarbeiter meine Mail dann in die Finger kriegt, um dann zu sehen, dass die Sache seit nem Monat oder so gegessen ist. Wenn sie mich eine richtige Mail hätten schreiben lassen, könnte ich ja jetzt darauf Bezug nehmen und das abblasen. So habe ich keine hilfreiche Möglichkeit dazu. Naja, nicht mein Problem.

Die wichtige Quintessenz ist ja auch nur: Ich kann bald wieder Fotos machen! :D Und da hier strahlender Sonnenschein ist, hab ich auch vernünftige Beleuchtung. (Das mit dem Regen im letzten Artikel kommt daher, dass ich den Text schon vor ner Weile geschrieben habe. Und da waren halt grade lustige kleine Vögel vor meinem Fenster, die im Regen kleine braune Kugeln mit ihren Schnäbeln traktiert haben. Blöd, dass ich kein Foto machen konnte.)

Gedanken unter Leuten I – Sind Aliens ein kulturloser Haufen?

Kennt ihr das, dass man irgendwie einen Gedanken hat und man nicht weiß, was man mit ihm anfangen soll? Er ist interessant, aber nicht so weltbewegend, dass man ein Buch darüber schreiben könnte. Einfach so eine Idee oder Frage, die man hatte. Und wo man irgendwie das Bedürfnis hat, diese Gedanken unter die Leute zu bringen. Bei Fragen könnte man einen Freund oder eine Freundin anrufen, aber die würden einen wahrscheinlich für völlig aus der Welt erklären, wenn man ihnen zusammenhangslos mit Philosophie oder Fragen des Lebens oder so kommt. Naja, ich hab mir dann überlegt, dass ich ja ein Blog habe und das doch ein tolles Medium dafür wäre. Ich meine das sind Blogs doch: Eine Möglichkeit, der ganzen Welt mitzuteilen, was eigentlich niemanden interessieren können sollte, aber irgendwie dann doch. Und wenn ihr ab jetzt die Überschrift „Gedanken unter Leuten” lest, wisst ihr, dass dann etwas kommt, das völlig ohne Zusammenhang zu irgendwas von meinem Hirn abgesondert wurde.

Ich hab bereits ein paar dieser Absonderungen gesammelt, heute zum Einstieg aber eine Frage, die mich mir schon ewig stelle, die jetzt aber beim Lesen dieses Philosophiebuches mit der hübschen Sammlung von glorreichen Idealen der verschiedenen Jahrhunderte wieder verstärkt nach Antworten sucht: Wie kommt man darauf, dass etwas ein Ideal ist? Oder besser gesagt, wie viel Prozent eines solchen Ideales sind Verstand? Vielleicht 0%? Sind Philosophie, Kultur und der ganze Kram nur willkürliche menschliche Natur, durch etwas Verstand aufgebläht? Aber ich will ausführlicher werden:

Gibt es Antriebe, die jedem intelligenten Wesen automatisch immanent sind? Ästhetik? Kunst? Moralisches Handeln? Neugier? Und wenn nicht, warum haben wir diese Antriebe? Ist es wahrscheinlich, dass Aliens Kunst kennen? Oder fragen die sich nur „What the hell's all the fuss about?” wenn sie uns hier so ein Trara darum machen sehen? Vielleicht verstehen sie auch, warum wir Kunst toll finden, aber verstehen nicht den hohen Stellenwert, den wir ihr beimessen. Input für unsere Sinne, der angenehm oder anderweitig stimulierend ist. Muss man da gleich das Menschsein drüber definieren? Warum sollte man auf die Idee kommen, Kunst als etwas Höheres zu bezeichnen? Liegt das nicht vielleicht tatsächlich nur an der alten Vorstellung, dass das Schöne auch das Gute und Wahre ist? Klar, Kunst muss nicht immer schön sein, aber hätte die Kunst auf der anderen Seite den Stellenwert, den sie hat, wenn sie nicht doch zumeist schön wäre? Und bevor jemand mit „ja” antwortet: Selbst wenn, so what? Wird etwas zu einem höheren Wert, nur weil sich Leute das antun, ohne dass es ihnen gefällt?

Ein Antrieb, den wir Menschen sicher mitgegeben haben (ich vermute sogar angeborenermaßen oder zumindest unausweichlich erworben), ist, bei allem nach Sinn zu fragen. Das führt dann auch zu solchen Verirrungen, wie der Suche nach dem Sinn des Lebens. Und zahllosen anderen, denn Sinn ist ja im Universum eher die Ausnahme, da kann die Teleologie den Menschen noch so sehr durchdringen. Dinge passieren einfach und haben eine Ursache, ein Woher, aber in der Regel kein Wozu. In der Biologie kann man in Ansätzen danach suchen, auch wenn man sich bewusst machen sollte, dass es auch da ein Konstrukt ist. Und beim Menschen schließlich, dem dieses Konstrukt entspringt, macht es dann schon Sinn, nach Sinn zu fragen. Aber nicht für die Existenz selbst. Der Mensch existiert, weil es sich nunmal so ergeben hat und dasselbe gilt für den einzelnen Menschen. Sein Leben hat dann einen Sinn, wenn er ihm selbst einen gibt. Und dass man da so frei ist, ist eigentlich doch eher beruhigend, oder? Zur Not kann man ja immer noch auf den biologischen Fallback-Sinn ausweichen: Überleben und Fortpflanzen. Oder wahrscheinlich noch natürlicher: So Leben, dass man glücklich ist. Aber da die meisten Menschen sich eher als unabhängig von der Natur und generell von allen Zwängen sehen wollen, gilt es eben, sich einen Sinn in Idealen und so zu suchen. Oder vielleicht ist es auch eine Art Rechtfertigung für das menschliche Dasein. So oder so hat die den Menschen mitgegebene Sinnsuche sicher nicht nur zu verantworten, dass sich so viele Menschen in sinnlosen Fragen nach Sinn verstricken und verstrickt haben, aber immerhin auch, dass so viele Menschen eben nicht als Tiere mit mehr Intelligenz den Planeten bevölkern und einfach nur persönliche Bedürfnisse befriedigen, sondern auch nach „Höherem” streben... was mich wieder zur Eingangsfrage bringt, was denn Höheres eigentlich ist, warum es toll ist und ob es nicht letztendlich doch wieder „nur” unsere Natur ist, die bestimmt, was höher ist („nur” deshalb, weil es dann willkürlich wäre und wir uns auch toll und erhaben fühlen könnten, wenn Höheres das Sammeln kleiner glänzender Schnipsel wäre oder das Rollen möglichst perfekter Exkrementkugeln).

Komisch aber, wie sehr er mir widerstrebt, der Gedanke, dass etwas objektiv Höheres nicht existiert und deswegen bloßes Leben, egal wie glücklich, sich nicht wesentlich von dem Leben der Vögel vor meinem Fenster unterscheidet, die da grade munter im strömenden Regen an komischen braunen Kugeln an einem Baum picken. Ja, sie sehen außerordentlich putzig dabei aus, aber soll es das gewesen sein? Und da ist sie wieder, die Sinnsuche und ich habe doch selbst eben erst argumentiert, dass die Suche nach Sinn aller Wahrscheinlichkeit nach selbst nur mehr oder weniger willkürlich in uns steckt. Aber naja, sie tut es eben und nicht einmal die Vernunft kann etwas dagegen tun, so wie es aussieht. Sie ist dem Willen nach Sinn eher Untertan (wenn er ihr nicht doch entspringt), was irgendwie ironisch ist, wenn man bedenkt, dass in der westlichen Welt zumindest die Vernunft eins der Lieblingsideale ist, das man benutzt, um sein Leben mit Sinn zu füllen.

Apropos Okzident oder eben auch nicht, die Wikipedia schreibt über den Sinn des Lebens unter anderem: „Der Sinn des Lebens im Buddhismus ist es, dem Kreislauf der Wiedergeburten durch das Eingehen in das Nirvana zu entkommen, in die völlige Verlöschung – was die Verlöschung der Sinnfrage logisch einschließt. In der Lehre der Buddhisten wird alles Leben und Tun als schlussendlich zu Leiden führend entlarvt. Hierfür wird die Gier nach Leben, Macht und Lust als ursächlich erkannt. Nur die völlige Aufgabe dieser Gier kann zur Überwindung des Leidens führen.” Puh, dann hoffe ich, dass sich niemals eine extremistische Strömung des Buddhismus entwickelt. Die hätte dann nämlich mit der modernen Waffentechnik ein tolles Mittel an der Hand, um sofortige Erlösung für alle zu erreichen. Kollektiver Selbstmord funktioniert nicht, da wird man ja nur wiedergeboren und das wahrscheinlich noch als Regenwurm oder H5N1 oder so. Aber den ganzen Planeten hochjagen, sodass jegliche Wiedergeburt unmöglich wird, das tut's. Der direkte Weg ins Nirvana, the short cut out of the vicious circle, das Ende des Leidens inklusive der elenden Sinnfrage für alle. Einen logischen Beweis, dass das nicht die beste Möglichkeit ist, kann man wohl schwerlich erbringen. Trotzdem widerstrebt mir diese Lösung etwas. Vielleicht ist jegliches Sein letztendlich doch nur Dahinvegetieren, mit etwas albernem Zuckerguss in Form von Idealen und blinden Streben nach Sonstwas garniert. Aber lasse man die Leute doch vegetieren, wenn sie das wollen.

Aber es ist schon wahr, wenn mir die Sinnfrage nicht implantiert wäre, hätte ich überhaupt kein Problem damit, zu vegetieren. So aber quält mich diese Frage und ich schreibe lange Blogartikel darüber, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Letztlich weiß ich nicht, ob man in dieser Frage überhaupt zu einem Ergebnis kommen kann. Mir widerstrebt ja dabei schon dieser ganze philosophische Ansatz „Ich setz mich jetzt in meinen Lehnstuhl und versuche Kraft meiner Gedanken Probleme zu lösen, die die Wissenschaft nie wird lösen können, weil es in der Natur nichts zu Beobachten gibt, was meine These untermauern oder widerlegen könnte.” Irgendwie steckt das „Wir schlagen uns die Köppe darüber ein bis zum Ende aller Zeiten und keiner wird je wissen, wer nun Recht hat” schon dadrin. Es wird Zeit, dass SETI mal Ergebnisse bringt, dann hätte man ein bisschen Anschauungsmaterial, um die Frage empirisch anzugehen.

12.3.06, 10:39 Uhr

Auszug

Was ich ganz vergessen habe zu erwähnen ist, dass ich Freitag kurzzeitig zu meinem Onkel gezogen bin, weil das Haus hier so voll war. Die Schwester meiner Oma war wieder da, zusammen mit ihrem Mann, der auch sehr sympathisch ist und ihren beiden Töchtern, die es bestimmt auch sind, aber wo ich zu wenig Zeit hatte, sie wirklich kennenzulernen. Jedenfalls hab ich mich dann bei meinem Onkel einquartiert, was schön war, weil ich ihn schon ewig nicht mehr gesehen hatte und wir so ein bisschen Zeit miteinander verbracht haben. Freitag Abend waren wir dann auch noch hier und haben uns sehr nett unterhalten. Ich war vor allem froh, dass ich ganz gut mitkam und mich auch selbst einigermaßen flüssig ausdrücken konnte. Bestimmt mit ner Menge Fehlern, aber hey, Hauptsache man kriegt sich erstmal mitgeteilt. Und es schien auch keiner angenervt, wenn ich den Mund aufgemacht habe, also kann's so schlimm nicht gewesen sein. Die Töchter sind gestern Vormittag schon wieder abgereist, ich hab also die letzte Nacht wieder in meinem Bett verbracht. Naja, einen Teil davon, weil ich mir gestern Abend noch das Projekt gesetzt habe, ganz viele tolle Emulatoren zu installieren, die man so braucht. Und es ist ätzend, wie schwer man an ROMs kommt, selbst wenn man das Spiel noch irgendwo inner Schublade hat (gut, das wissen die natürlich nicht). Die ganzen ROM-Seiten gehören schon deutlich zur dunklen Seite des Internets, der Knockturn Alley des Webs. Ihr wisst schon, mit Verarschungslinks, vote-for-me-Buttons und zum Teil sogar Pornonähe. Kein angenehmes Surfen das, aber endlich mal wieder Zelda und Mystic Quest für den Gameboy zu spielen... davon träum ich seit Jahren schon. Mal schaun, wann ich mir dann die Muße dafür nehme, das ist nämlich sicher noch zeitraubender als das Runterladen.

11.3.06, 21:21 Uhr

Ich aber sage euch: Ihr sollt stehen bleiben und euren Nächsten küssen, so wie er euch einst küssen wird

Gestern war also die Beerdigung meiner Uroma. Und da sie gläubig war, hat sie sich auch eine Messe gewünscht, was sogar so ziemlich ihr einziger Wille war. Außerdem war sie wie die meisten französischen Christen katholisch, also wollte sie eine Messe, wo man viel stehen muss. Mein Onkel meinte, in Synagogen wäre es wenigstens halbwegs warm, was mich hat wünschen lassen, meine Uroma wäre jüdisch gewesen. War sie aber nicht und so haben wir stehend gefroren. Die Kirche ist glaub ich die hässlichste Kirche der Welt, zumindest von außen. Ein einziger Betonklotz. Von innen macht sie aber richtig was her, weil sie tolle bunte Glasfenster hat. Fotos werden nachgereicht. Die Messe selbst kann ich nicht großartig beurteilen, weil ich noch nicht viele Messen gesehen habe und ich außerdem auch nicht viel verstanden habe. Ich hab's dann ziemlich schnell auch gar nicht mehr versucht, weil das zu viel Anstrengung für ein paar Wortfetzen schwülstiger Sprache war. Ich hab verstanden, wenn der Pfarrer wollte, dass man sich setzt oder aufsteht und das reicht. Dachte ich. Plötzlich aber, ich weiß nicht auf welche Worte hin, fangen auf einmal alle an, sich zu ihren Nachbarn umzudrehen, sie anzugrinsen und – und hier wird's wirklich regionaltypisch – sie zu küssen. Naja, ihr wisst schon, nicht auf den Mund, das wär mal ne Konfession, nein, wie man das hier so macht bei der Begrüßung. Boh, so schnell bin ich noch nie aus ner Trance aufgewacht. Links und rechts waren meine Tante respektive mein Onkel, ok. Aber wer waren die Leute vor und hinter mir? Ich fand das ja schon vor der Kirche ätzend. So viele Leute und ich kenne keine Sau. Hälfte davon auch noch Familie. Und das gleiche jetzt nochmal auf Kommando? „Wer bist du? Kenn ich dich? Soll ich dich jetzt umarmen?” Himmel, das war für mein westfälisches Gemüt ja gar nichts. Und dann musste ich mir auch noch ne tolle Geste für den Sarg ausdenken, weil ich kein Kreuz schlagen wollte... also ich hatte mir das irgendwie stressärmer vorgestellt.

Dann sind wir zweihundert Meter zum Friedhof gefahren, wo es durch einen fiesen Wind und Regen noch viel schweinekälter war und eigentlich wollten alle nur schnell wieder weg hatte ich den Eindruck. Die Weihwasserkreuzgeschichte hat sich da wiederholt und irgendwann zwischendrin hat es ganz lange laut geklingelt irgendwo. Später hab ich dann erfahren, dass das das Zeichen war, dass der Friedhof geschlossen wurde. Netterweise hatten sie uns jemanden dagelassen, der uns das Tor noch aufgemacht hat.

Die Stimmung war eigentlich die ganze Zeit über nicht sonderlich bedrückt, was sicher vor allem daran lag, dass alle sich schon lange darauf einstellen konnten. Außerdem haben sich die meisten glaub ich gefreut, dass die Familie mal wieder so beisammen ist und es gab viel zu erzählen.

Kleine Anekdote noch: Als wir vor der Messe noch etwas im Auto gewartet haben, hat sich mein Onkel beschwert, dass die Musik zu fröhlich wäre. War irgendwie so ein Reggae-Pop-Party-Crossover. Also hat meine Tante kurz überlegt und dann den Klassikkanal gewählt, denn wo läuft sonst schon Musik, die mein Onkel nicht mit „Ah ben, c'est la fête, hein ?” kommentiert hätte? Aber prompt schallt uns dort die Ode „An die Freude” entgegen; schlechter kann man es bei gegebener Kritik eigentlich in dem Genre nicht treffen =) Tja, dann war's also doch wieder Reggae.

Ein Bit ist gekippt und ich hab's gesehen!

Der lustige kleine Counter unten in diesem Blog zeigt mir unter anderem auch an, von welchen Seiten die Leute so auf mein Blog finden (siehe HTTP-Referer-Header für technische Details). Und weil ich in einem Kommentar [Update: Völliger Kappes, s.u.] im sehr empfehlenswerten Blog netzpolitik.org darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich mich hier um aktuelle Informationen zur auch dort behandelten licence globale bemühe, kamen natürlich auch Leute von dort hierher. Erkennbar am diesem Referer:
http://www.netzpolitik.org/2006/frankreich-geschaftsordnungstricks-statt-urheberrechtsdebatte/

Aber eben schwiff mein Blick über die Logs und blieb bei diesem Referer kleben:
http://www.netzpolitik.org/2006/frenkreich-geschaftsordnungstricks-statt-urheberrechtsdebatte/

Fast gleich... aber auch nur fast. Ebensowenig, wie es ein Land namens Frenkreich gibt (glaub ich), gibt es eine zu dieser URL gehörig Webseite. Und da wohl niemand per Hand seine Referer schreibt, ist ein Tippfehler irgendwie nicht plausibel. Also hab ich mir den verschiedenen Buchstaben hergenommen und siehe da, ein 'a' ist in ASCII 1100001, ein 'e' 1100101. Tjaha! Also ist eindeutig durch kosmische Strahlung oder so etwas Bit 2 gekippt. Womöglich auf einem chinesischen Router, man weiß ja nie, wolang das heute alles geschickt wird.

So, und wenn jetzt jemand eine richtige Erklärung dafür hat, wäre ich dankbar.

Das Dogma in der S-Bahn

Ich habe ja schon seit langem gerätselt, warum niemand daran gedacht zu haben scheint, dass man seine Métrotickets auch im Zug abstempeln können will. Jetzt wurde ich aufgeklärt. Aber fange ich doch vorne an (Das war grade ein Imperativ 1. Person Singular. Sowas macht im Grunde überhaupt keinen Sinn...): Ich fahre gestern also mal wieder meine komplizierte Strecke von Orsay nach Paris, wobei ich ja über die Zonengrenze 4/5 muss (zur Erinnerung, meine Carte ImagineR gilt nur für die Zonen 1-4). Naja, eigentlich ist dieser Weg im Gegensatz zum Hinweg nach Orsay nicht kompliziert, weil ich in Orsay ein Ticket abstemplen kann (ticket ist das Wort für Einzelfahrschein und keineswegs synonym mit billet, welches für Fahrschein allgemein steht.) und dann ja zwei Stationen später eh im Trockenen bin, zonentechnisch gesehen. Gestern also werd ich dann irgendwo hinter diesem letzten Außenposten der Zone 4 kontrolliert, zeige entsprechend meine Carte ImagineR, die Frau hält die an ihren Kartenleseapparat und meint „Jau, is ok... ABER... Sie müssen die Karte schon validieren.” „Ah? Wieso denn das?” frag ich misstrauisch und erhalte eine meiner Top-3-Lieblingsantworten: „Weil das Vorschrift ist.” So verstehen Leute die Welt, die von 12 bis Mittag denken. Und anstatt etwas Abstraktes über Datensammlung und Privatsphäre, die vor die Hunde geht, zu erzählen, versuche ich lieber, durch eine Schilderung meiner persönlichen Lage Verständnis dafür zu wecken, dass ich diese Karte nicht mal validieren könnte, wenn ich Lust dazu hätte: „Sehen Sie, ich komme aus Orsay und kann meine Carte ImagineR gar nicht validieren, wenn ich nicht aus dem Zug steige in Lozère.” „Ja.” „Also soll ich aussteigen und dann eine Viertelstunde, zwanzig Minuten auf den nächsten Zug warten. Im Winter.” „Ja.”

Und während ich sie noch fassungslos anstarre, um nach Worten zu suchen, die meinem Grausen Ausdruck verleihen könnten (ich habe sie bis heute nicht gefunden) und sich immer mehr Kontrolleure des Teams um uns gruppieren, als sei ich ein Schwerverbrecher, meint der sympathische Mann, der mich das letzte Mal kontrolliert (und nicht gemeckert) hat: „Wenn ich mir erlauben darf, mich einzumischen: Streng genommen ist es Ihnen gar nicht erlaubt, eine Strecke auf mehrere Fahrkarten aufzuteilen. Sie müssen immer eine Fahrkarte für den ganzen Weg lösen. Ich persönlich finde das nicht logisch, aber wenn man es streng nach Vorschrift sieht, ist es nunmal so.” Ok, alles klar. Das ist doch mal ne Aussage, mit der ich leben kann. Es heißt immer noch, dass die Leute bei der RATP den Schuss nicht gehört haben, aber es erklärt die ganzen Seltsamkeiten.

Blöd für mich: Selbst wenn ich jetzt auf Einzelfahrkarten verzichte und die Carte ImagineR der Zonen 1-4 mit einer Carte Orange für die Zonen 4-5 ergänze, muss ich theoretisch in beiden Richtungen aus dem Zug aussteigen, einmal davon auch noch sprinten, um meine Karte zu validieren oder auf den nächsten Zug warten. Und außerdem legt dieses Erlebnis nahe, dass ein festes Kontrollteam auf einer bestimmten Strecke operiert. Und die kennen mich jetzt. Also ist fortan sogar das Reisen mit einer nicht-validierten Carte ImagineR ein Risiko. Fick die Henne.

Aber für den Moment haben sie mich noch in Frieden gelassen und ich bin heile bei Les Halles angekommen. Apropos, das H in „Les Halles” ist ein sogenanntes H aspiré. Wie diese ansonsten eher eklige Seite so schön zusammenfasst: „There are two different kinds of H's in French, and neither one is pronounced.” H aspiré heißt einfach nur, dass man nicht überbindet. Man sagt zu „Les Halles” eben nicht *[lezal] sondern [leal]. Und damit komm ich nicht klar. Es ist eine Sache, sowas zu wissen, eine andere, tatsächlich das S nicht überzubinden. Jetzt kann man natürlich sagen, dass es doch toll ist, dass ich immerhin schonmal das Überbinden so automatisch mache. Andererseits ist falsch halt falsch.

Aber: Was mich unheimlich beruhigt hat komischerweise, ist, dass kleine französische Kinder das auch nicht auf die Reihe kriegen. Ich habe gestern schon das zweite Kind in der Métro gehört, das von *[lezal] gesprochen hat. Das eine Mal hat die Mama nix gesagt, gestern aber meinte die Mutter so „Wo halten wir?” „*[lezal]” „Wie heißt das?!” „.... *kleinlaut* [leal]” Das arme Kind, hoffentlich zieht mir nicht mal jemand die Ohren lang, wenn mir das mal wieder rausrutscht. Na jedenfalls bin ich mit dem Problem nicht allein, anscheinend gibt es genug francophone Kinder, die das auch erst noch lernen müssen. Und dabei waren die nicht mehr so ganz furchtbar klein.

Jedenfalls war ich dann bei [leal], um ins Kino zu gehen. Ich bin euch noch vier Filme schuldig, das lager ich in einen anderen Artikel aus. Die Kurzfassung ist: Geht in Kaltes Land! Geht auch in Syriana und Walk the Line. Geht nicht in The New World, wenn ihr nicht extrem langatmigkeits- und erzählarmutsrestistent seid. Jedenfalls hab ich da dann auch die erste Anti-CPE-Demo live gesehen. Nein, eigentlich nur gehört, aber das deutlich. Und es war die erste unterirdische Demo, die ich überhaupt miterlebt habe!

Und als der Bielefelder Florian mich heute darauf angesprochen hat, dass es ja Proteste in der Sorbonne gegeben habe, da wurde mir auch klar: Über die ganze CPE-Geschichte hört man in Deutschland anscheinend so gut wie nichts. Na klar, brennen ja auch keine Autos. Scheißmedien. Also die Sache ist die, dass Jugendliche bald die ersten zwei Jahre eines neuen Jobs von heute auf morgen auf die Straße gesetzt werden können sollen und das ohne jede Angabe von Gründen. Und das, wo die letzte Lockerung des Kündigungsschutzes in Frankreich gegen das Steigen der Arbeitslosenquote genau nichts geholfen hat. Naja, jedenfalls hagelt es seitdem Demonstrationen, Dienstag waren zwischen 400.000 und 1 Million Menschen auf der Straße (je nachdem, wem man glaubt, auf alle Fälle eine beachtliche Zahl), 25 der 88 Unis in Frankreich werden offiziell bestreikt und letzte Nacht wurde die Sorbonne von der Polizei gestürmt. Den letzten Nachrichten über die Stimmung unter den Studenten zufolge gibt es jetzt richtig Ärger. Hier ist das ganze jedenfalls ein Riesenthema, kein Vergleich mit so Kinderkram wie der licence globale und auch Hühnergrippe und Moskitoplage werden arg in den Hintergrund gedrängt (naja, wo die Moskitos ja eh schon waren). Ganz ehrlich, für mich ist das nur ein weiterer Meilenstein im Wettlauf um den Abriss der europäischen Sozialsysteme. Wer ist schneller wieder im 19. Jahrhundert? Das tragische daran ist ja, dass Europa ziemlich egal sein könnte wohin der Rest der Welt rennt, wenn sie sich nur darauf einigen könnten, wieder in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Aber selbst das ist momentan wohl nicht in Aussicht.